Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.stellen. Wenn jeder Machthaber, sobald er zum -- Ich eilte die Terrasse hinauf, von wo man ſtellen. Wenn jeder Machthaber, ſobald er zum — Ich eilte die Terraſſe hinauf, von wo man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056" n="42"/> ſtellen. Wenn jeder Machthaber, ſobald er zum<lb/> Beſitze der Macht gelangt, gleich ſeine Leidenſchaft<lb/> zur Regel erhebt, grauſame Strafen für jeden Wi¬<lb/> derſpruch voraus beſtimmt, und dieſe Regel, dieſe<lb/> Anwendung ſich herabrollt durch Jahrhunderte —<lb/> nennen ſie das <hi rendition="#g">Geſetzlichkeit</hi>. Das Volk hat<lb/> ſeine Leidenſchaft nie zum Geſetz erhoben, die Ge¬<lb/> genwart erbte nie die Miſſethaten der Vergangenheit,<lb/> ſie vermehrt der Zukunft zu überlaſſen. Wenn dumme,<lb/> feige oder beſtochene Richter aus altem Herkommen<lb/> und verblichenen Geſetzen nachweiſen können, daß<lb/> ſie in gleichen Fällen immer gleich ungerecht geweſen<lb/> — nennen ſie das <hi rendition="#g">Gerechtigkeit</hi>. Wenn der<lb/> ſchuldlos Verurtheilte, durch Reihen ſchön geputzter<lb/> Soldaten, durch die Mitte des angſtzitternden Volkes,<lb/> das nicht zu weinen, nicht zu athmen wagt, ohne<lb/> Laut und Störung zum Blutgerüſte geführt wird —<lb/> nennen ſie das <hi rendition="#g">Ordnung</hi>; und ſchnellen Tod in<lb/> langſame Qual des Kerkers verwandeln — das<lb/> nennen ſie <hi rendition="#g">Milde</hi>.</p><lb/> <p>— Ich eilte die Terraſſe hinauf, von wo man<lb/> in die elyſäiſchen Felder herabſieht. Dort ſetzte ich<lb/> mich auf einen Traumſtuhl und meine Gedanken¬<lb/> mühle, die wegen Froſt oder Dürre ſo lange ſtill<lb/> geſtanden, fing gleich luſtig zu klappern an. Welch<lb/> ein Platz iſt das! Es iſt eine Landſtraße der Zeit,<lb/> ein Markt der Geſchichte, wo die Wege der Ver¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0056]
ſtellen. Wenn jeder Machthaber, ſobald er zum
Beſitze der Macht gelangt, gleich ſeine Leidenſchaft
zur Regel erhebt, grauſame Strafen für jeden Wi¬
derſpruch voraus beſtimmt, und dieſe Regel, dieſe
Anwendung ſich herabrollt durch Jahrhunderte —
nennen ſie das Geſetzlichkeit. Das Volk hat
ſeine Leidenſchaft nie zum Geſetz erhoben, die Ge¬
genwart erbte nie die Miſſethaten der Vergangenheit,
ſie vermehrt der Zukunft zu überlaſſen. Wenn dumme,
feige oder beſtochene Richter aus altem Herkommen
und verblichenen Geſetzen nachweiſen können, daß
ſie in gleichen Fällen immer gleich ungerecht geweſen
— nennen ſie das Gerechtigkeit. Wenn der
ſchuldlos Verurtheilte, durch Reihen ſchön geputzter
Soldaten, durch die Mitte des angſtzitternden Volkes,
das nicht zu weinen, nicht zu athmen wagt, ohne
Laut und Störung zum Blutgerüſte geführt wird —
nennen ſie das Ordnung; und ſchnellen Tod in
langſame Qual des Kerkers verwandeln — das
nennen ſie Milde.
— Ich eilte die Terraſſe hinauf, von wo man
in die elyſäiſchen Felder herabſieht. Dort ſetzte ich
mich auf einen Traumſtuhl und meine Gedanken¬
mühle, die wegen Froſt oder Dürre ſo lange ſtill
geſtanden, fing gleich luſtig zu klappern an. Welch
ein Platz iſt das! Es iſt eine Landſtraße der Zeit,
ein Markt der Geſchichte, wo die Wege der Ver¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |