Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.zahlte Bänkelsänger auf dem Platze sangen. Das Alte deutsche Bekannte suchte ich gleich gestern zahlte Bänkelſänger auf dem Platze ſangen. Das Alte deutſche Bekannte ſuchte ich gleich geſtern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="32"/> zahlte Bänkelſänger auf dem Platze ſangen. Das<lb/> eine Lied fing an: <hi rendition="#aq">vive le roi, le roi, le roi, que<lb/> chante le monde á la ronde</hi> — jetzt müßte es hei¬<lb/> ßen ſtatt <hi rendition="#aq">que</hi> <hi rendition="#aq #g">chante</hi> <hi rendition="#aq">, que</hi> <hi rendition="#aq #g">chasse</hi> <hi rendition="#aq">le monde<lb/> à la ronde</hi>. Wenn er nur nicht ſo alt wäre! das<lb/> verbittert mir ſehr meine Freude. Gott ſegne dieſes<lb/> herrliche Volk, und fülle ihm die goldnen Becher bis<lb/> zum Rande mit dem ſüßeſten Weine voll, bis es<lb/> überſtrömt, bis es hinabfließt auf das Tiſchtuch, wo<lb/> wir Fliegen herum kriechen und naſchen. Summ,<lb/> ſumm — wie dumm!</p><lb/> <p>Alte deutſche Bekannte ſuchte ich gleich geſtern<lb/> auf. Ich dachte durch ſie mehr zu erfahren, als<lb/> was ich ſchon gedruckt geleſen, aber nicht Einer von<lb/> ihnen war auf dem Kampfplatze, nicht Einer hat mit¬<lb/> gefochten. Es ſind eben Landsleute! Engländer, Nieder¬<lb/> länder, Spanier, Portugieſen, Italiäner, Polen, Grie¬<lb/> chen, Amerikaner, ja Neger haben für die Freiheit<lb/> der Franzoſen, die ja die Freiheit aller Völker iſt,<lb/> gekämpft und nur die Deutſchen nicht. Und es ſind<lb/> deren viele Tauſende in Paris, theils mit tüchtigen<lb/> Fäuſten, theils mit tüchtigen Köpfen. Ich verzeihe<lb/> es den Handwerksburſchen; denn dieſe haben es nicht<lb/> ſchlimm in unſerm Vaterlande. In ihrer Jugend<lb/> dürfen ſie auf der Landſtraße betteln, und im Alter<lb/> machen ſie die Zunfttyrannen. Sie haben nichts zu<lb/> gewinnen bei Freiheit und Gleichheit. Aber die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0046]
zahlte Bänkelſänger auf dem Platze ſangen. Das
eine Lied fing an: vive le roi, le roi, le roi, que
chante le monde á la ronde — jetzt müßte es hei¬
ßen ſtatt que chante , que chasse le monde
à la ronde. Wenn er nur nicht ſo alt wäre! das
verbittert mir ſehr meine Freude. Gott ſegne dieſes
herrliche Volk, und fülle ihm die goldnen Becher bis
zum Rande mit dem ſüßeſten Weine voll, bis es
überſtrömt, bis es hinabfließt auf das Tiſchtuch, wo
wir Fliegen herum kriechen und naſchen. Summ,
ſumm — wie dumm!
Alte deutſche Bekannte ſuchte ich gleich geſtern
auf. Ich dachte durch ſie mehr zu erfahren, als
was ich ſchon gedruckt geleſen, aber nicht Einer von
ihnen war auf dem Kampfplatze, nicht Einer hat mit¬
gefochten. Es ſind eben Landsleute! Engländer, Nieder¬
länder, Spanier, Portugieſen, Italiäner, Polen, Grie¬
chen, Amerikaner, ja Neger haben für die Freiheit
der Franzoſen, die ja die Freiheit aller Völker iſt,
gekämpft und nur die Deutſchen nicht. Und es ſind
deren viele Tauſende in Paris, theils mit tüchtigen
Fäuſten, theils mit tüchtigen Köpfen. Ich verzeihe
es den Handwerksburſchen; denn dieſe haben es nicht
ſchlimm in unſerm Vaterlande. In ihrer Jugend
dürfen ſie auf der Landſtraße betteln, und im Alter
machen ſie die Zunfttyrannen. Sie haben nichts zu
gewinnen bei Freiheit und Gleichheit. Aber die
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