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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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werde mich eilen aus diesen Coulissen zu kommen
und mich nach einer andern Wohnung umsehen.

Sie können es sich denken, daß ich nicht lange
zu Hause geblieben, sondern gleich fort eilte, die
alten Spielplätze meiner Phantasie aufzusuchen und
die neuen Schlachtfelder, die ihr Wort gehalten.
Aber ich fand es anders als ich erwartete. Ich
dachte in Paris müsse es aussehen wie am Strande
des Meeres nach einem Sturm, Alles von Trüm¬
mern bedeckt seyn, und das Volk müsse noch tosen
und schäumen. Doch war die gewohnte Ordnung
überall und von der Verheerung nichts mehr zu se¬
hen. Auf einigen Strecken der Boulevards fehlen die
Bäume, und in wenigen Straßen wird noch am
Pflaster gearbeitet. Ich hätte die Stiefeln ausziehen
mögen; wahrlich, nur barfuß sollte man dieses heilige
Pflaster betreten. Die vielen dreifarbigen Fahnen,
die man aufgesteckt sieht, erschienen mir nicht als
Zeichen des fortdauernden Krieges, sondern als Frie¬
denspaniere. Die Fahne in der stolzen Hand Lud¬
wigs XIV. auf dem Place des Victoires machte
mich laut auflachen. Wir haben die Reiterstatüe vor
acht Jahren zusammen aufrichten sehen. Wer hätte
das damals gedacht? Träume von Eisen und Mar¬
mor -- und doch nur Träume! -- Noch schwebt
jener Tag mir vor, noch höre ich den Polizei-Jubel,
höre alle die Lieder mit ihren Melodien, welche be¬

werde mich eilen aus dieſen Couliſſen zu kommen
und mich nach einer andern Wohnung umſehen.

Sie können es ſich denken, daß ich nicht lange
zu Hauſe geblieben, ſondern gleich fort eilte, die
alten Spielplätze meiner Phantaſie aufzuſuchen und
die neuen Schlachtfelder, die ihr Wort gehalten.
Aber ich fand es anders als ich erwartete. Ich
dachte in Paris müſſe es ausſehen wie am Strande
des Meeres nach einem Sturm, Alles von Trüm¬
mern bedeckt ſeyn, und das Volk müſſe noch toſen
und ſchäumen. Doch war die gewohnte Ordnung
überall und von der Verheerung nichts mehr zu ſe¬
hen. Auf einigen Strecken der Boulevards fehlen die
Bäume, und in wenigen Straßen wird noch am
Pflaſter gearbeitet. Ich hätte die Stiefeln ausziehen
mögen; wahrlich, nur barfuß ſollte man dieſes heilige
Pflaſter betreten. Die vielen dreifarbigen Fahnen,
die man aufgeſteckt ſieht, erſchienen mir nicht als
Zeichen des fortdauernden Krieges, ſondern als Frie¬
denspaniere. Die Fahne in der ſtolzen Hand Lud¬
wigs XIV. auf dem Place des Victoires machte
mich laut auflachen. Wir haben die Reiterſtatüe vor
acht Jahren zuſammen aufrichten ſehen. Wer hätte
das damals gedacht? Träume von Eiſen und Mar¬
mor — und doch nur Träume! — Noch ſchwebt
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höre alle die Lieder mit ihren Melodien, welche be¬

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[31/0045] werde mich eilen aus dieſen Couliſſen zu kommen und mich nach einer andern Wohnung umſehen. Sie können es ſich denken, daß ich nicht lange zu Hauſe geblieben, ſondern gleich fort eilte, die alten Spielplätze meiner Phantaſie aufzuſuchen und die neuen Schlachtfelder, die ihr Wort gehalten. Aber ich fand es anders als ich erwartete. Ich dachte in Paris müſſe es ausſehen wie am Strande des Meeres nach einem Sturm, Alles von Trüm¬ mern bedeckt ſeyn, und das Volk müſſe noch toſen und ſchäumen. Doch war die gewohnte Ordnung überall und von der Verheerung nichts mehr zu ſe¬ hen. Auf einigen Strecken der Boulevards fehlen die Bäume, und in wenigen Straßen wird noch am Pflaſter gearbeitet. Ich hätte die Stiefeln ausziehen mögen; wahrlich, nur barfuß ſollte man dieſes heilige Pflaſter betreten. Die vielen dreifarbigen Fahnen, die man aufgeſteckt ſieht, erſchienen mir nicht als Zeichen des fortdauernden Krieges, ſondern als Frie¬ denspaniere. Die Fahne in der ſtolzen Hand Lud¬ wigs XIV. auf dem Place des Victoires machte mich laut auflachen. Wir haben die Reiterſtatüe vor acht Jahren zuſammen aufrichten ſehen. Wer hätte das damals gedacht? Träume von Eiſen und Mar¬ mor — und doch nur Träume! — Noch ſchwebt jener Tag mir vor, noch höre ich den Polizei-Jubel, höre alle die Lieder mit ihren Melodien, welche be¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/45>, abgerufen am 02.05.2024.