Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.mit der Ober-Hofmeisterin einer gewissen deutschen Ich nahm Reinhards Reisebuch zur Hand, und mit der Ober-Hofmeiſterin einer gewiſſen deutſchen Ich nahm Reinhards Reiſebuch zur Hand, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0034" n="20"/> mit der Ober-Hofmeiſterin einer gewiſſen deutſchen<lb/> Prinzeſſin zu vergleichen, die ich vor vielen Jahren<lb/> zu hören und zu beobachten Gelegenheit hatte. Vor<lb/> meinem Bette ſitzend unterhielt ſie mich auf das an¬<lb/> genehmſte und lehrreichſte. Von der letzten Revo¬<lb/> lution ſprach ſie kein Wort, und dieſes überzeugte<lb/> mich, daß es keine Prahlerei von ihr war, wenn ſie<lb/> mich verſicherte, daß ſie nur die vornehmſten Kran¬<lb/> kenhäuſer beſuche. Sie erzählte mir viel von Unter-<lb/> Präfekten, von einem gewiſſen Colonel, von der Frau<lb/> des Gerichts-Präſidenten, und daß ſie weit und breit<lb/> als Hebamme gebraucht werde. Erſt kürzlich wäre<lb/> ſie zu einer Entbindung nach St. Denis geholt wor¬<lb/> den. Sie war die treueſte und verſchwiegenſte Heb¬<lb/> amme, verrieth nichts, hatte aber eine ſo geſchickte<lb/> Darſtellung, daß auch die ſchläfrigſte Phantaſie Alles<lb/> errathen mußte: zuweilen unterbrach ſie ihren Be¬<lb/> richt von den auswärtigen Angelegenheiten, warf<lb/> einen Blick auf mich und rief mit Künſtler-Begeiſte¬<lb/> rung aus: <hi rendition="#aq">ils travaillant joliment, ils travaillant<lb/> joliment!</hi> So ging mir eine Stunde angenehm<lb/> vorüber, aber drei und zwanzig Leidens-Stunden<lb/> bis zur Ankunft der Diligence blieben noch übrig<lb/> und als die Hebamme fort war, jammerte ich armer<lb/> Kindbetter, daß es zum Erbarmen war.</p><lb/> <p>Ich nahm Reinhards Reiſebuch zur Hand, und<lb/> da las ich zu meinem Schrecken, daß Chalons einen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0034]
mit der Ober-Hofmeiſterin einer gewiſſen deutſchen
Prinzeſſin zu vergleichen, die ich vor vielen Jahren
zu hören und zu beobachten Gelegenheit hatte. Vor
meinem Bette ſitzend unterhielt ſie mich auf das an¬
genehmſte und lehrreichſte. Von der letzten Revo¬
lution ſprach ſie kein Wort, und dieſes überzeugte
mich, daß es keine Prahlerei von ihr war, wenn ſie
mich verſicherte, daß ſie nur die vornehmſten Kran¬
kenhäuſer beſuche. Sie erzählte mir viel von Unter-
Präfekten, von einem gewiſſen Colonel, von der Frau
des Gerichts-Präſidenten, und daß ſie weit und breit
als Hebamme gebraucht werde. Erſt kürzlich wäre
ſie zu einer Entbindung nach St. Denis geholt wor¬
den. Sie war die treueſte und verſchwiegenſte Heb¬
amme, verrieth nichts, hatte aber eine ſo geſchickte
Darſtellung, daß auch die ſchläfrigſte Phantaſie Alles
errathen mußte: zuweilen unterbrach ſie ihren Be¬
richt von den auswärtigen Angelegenheiten, warf
einen Blick auf mich und rief mit Künſtler-Begeiſte¬
rung aus: ils travaillant joliment, ils travaillant
joliment! So ging mir eine Stunde angenehm
vorüber, aber drei und zwanzig Leidens-Stunden
bis zur Ankunft der Diligence blieben noch übrig
und als die Hebamme fort war, jammerte ich armer
Kindbetter, daß es zum Erbarmen war.
Ich nahm Reinhards Reiſebuch zur Hand, und
da las ich zu meinem Schrecken, daß Chalons einen
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