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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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fängniß, bis zu 10,000 Franken Geldstrafe. Kurz,
es ist die Leute zu Grunde zu richten. Nachgeahmt
oder auch nur kenntlich bezeichnet, darf Niemand
mehr werden auf dem Theater. Es ist zum Ver¬
zweifeln. Und jetzt gibt es dumme gute Leute ge¬
nug, hier wie bei uns, die gar nicht begreifen, was
denn an einem so löblichen Gesetze zu tadeln sei.
Diese Menschen sehen nicht ein, daß solche hemmen¬
den Gesetze den Faschinen gleichen. Anfänglich fließt
das Wasser frei durch, aber nach und nach führen
Zeit und Arbeit so viel Sand und Erde herbei, daß
endlich ein fester Damm daraus wird. Und jetzt
wird noch die Kammer kommen, die sich darüber är¬
gert, daß sie alle Tage im Odeon ausgeklatscht wird,
und wird das Gesetz noch strenger machen. So
wird eine Freiheit nach der andern zurückgedrängt,
und ich glaube, daß bei unsern Machthabern viel
Eitelkeit, ja mehr als böser Wille dabei im Spiele
ist. Die Regierung, von bürgerlicher Abstammung
heraufgekommen, wie sie ist, will zeigen, daß sie so
gut zu regieren verstehet, als die älteste Regierung,
und daß sie das Volk im Zaum zu halten weiß.
Die fremden Gesandten mögen wohl in freundschaft¬
licher Unterhaltung die Minister necken, sie ständen
unter der Zucht des Volks. Diesen wird dadurch
der Ehrgeiz aufgeregt, sie stellen sich auf die Fu߬
spitze, und zeigen ihre Größe. Die fremden Höfe

fängniß, bis zu 10,000 Franken Geldſtrafe. Kurz,
es iſt die Leute zu Grunde zu richten. Nachgeahmt
oder auch nur kenntlich bezeichnet, darf Niemand
mehr werden auf dem Theater. Es iſt zum Ver¬
zweifeln. Und jetzt gibt es dumme gute Leute ge¬
nug, hier wie bei uns, die gar nicht begreifen, was
denn an einem ſo löblichen Geſetze zu tadeln ſei.
Dieſe Menſchen ſehen nicht ein, daß ſolche hemmen¬
den Geſetze den Faſchinen gleichen. Anfänglich fließt
das Waſſer frei durch, aber nach und nach führen
Zeit und Arbeit ſo viel Sand und Erde herbei, daß
endlich ein feſter Damm daraus wird. Und jetzt
wird noch die Kammer kommen, die ſich darüber är¬
gert, daß ſie alle Tage im Odeon ausgeklatſcht wird,
und wird das Geſetz noch ſtrenger machen. So
wird eine Freiheit nach der andern zurückgedrängt,
und ich glaube, daß bei unſern Machthabern viel
Eitelkeit, ja mehr als böſer Wille dabei im Spiele
iſt. Die Regierung, von bürgerlicher Abſtammung
heraufgekommen, wie ſie iſt, will zeigen, daß ſie ſo
gut zu regieren verſtehet, als die älteſte Regierung,
und daß ſie das Volk im Zaum zu halten weiß.
Die fremden Geſandten mögen wohl in freundſchaft¬
licher Unterhaltung die Miniſter necken, ſie ſtänden
unter der Zucht des Volks. Dieſen wird dadurch
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ſpitze, und zeigen ihre Größe. Die fremden Höfe

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[216/0230] fängniß, bis zu 10,000 Franken Geldſtrafe. Kurz, es iſt die Leute zu Grunde zu richten. Nachgeahmt oder auch nur kenntlich bezeichnet, darf Niemand mehr werden auf dem Theater. Es iſt zum Ver¬ zweifeln. Und jetzt gibt es dumme gute Leute ge¬ nug, hier wie bei uns, die gar nicht begreifen, was denn an einem ſo löblichen Geſetze zu tadeln ſei. Dieſe Menſchen ſehen nicht ein, daß ſolche hemmen¬ den Geſetze den Faſchinen gleichen. Anfänglich fließt das Waſſer frei durch, aber nach und nach führen Zeit und Arbeit ſo viel Sand und Erde herbei, daß endlich ein feſter Damm daraus wird. Und jetzt wird noch die Kammer kommen, die ſich darüber är¬ gert, daß ſie alle Tage im Odeon ausgeklatſcht wird, und wird das Geſetz noch ſtrenger machen. So wird eine Freiheit nach der andern zurückgedrängt, und ich glaube, daß bei unſern Machthabern viel Eitelkeit, ja mehr als böſer Wille dabei im Spiele iſt. Die Regierung, von bürgerlicher Abſtammung heraufgekommen, wie ſie iſt, will zeigen, daß ſie ſo gut zu regieren verſtehet, als die älteſte Regierung, und daß ſie das Volk im Zaum zu halten weiß. Die fremden Geſandten mögen wohl in freundſchaft¬ licher Unterhaltung die Miniſter necken, ſie ſtänden unter der Zucht des Volks. Dieſen wird dadurch der Ehrgeiz aufgeregt, ſie ſtellen ſich auf die Fu߬ ſpitze, und zeigen ihre Größe. Die fremden Höfe

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/230>, abgerufen am 17.05.2024.