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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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mit seinem Kleide gleichsam den Talisman fortschreitender Kultur
wieder abgelegt.

Mancherlei Thatsachen der heutigen Menschenverbreitung
auf unserm Planeten fügen sich überraschend leicht in diesen
Rahmen ein. Man begreift, warum grade die Völker mit
niedrigster Kultur heute am weitesten nach Süden sitzen: die
Australneger auf dem australischen Festlandrest bei den Schnabel¬
tieren und Molchfischen, die Weddas auf Ceylon, die Feuer¬
länder an der Südspitze Amerikas. Sie wären die zuerst Ab¬
gestoßenen, noch am primitivsten im Menschentum und am
längsten außer Contakt mit der aufsteigenden Linie. Gedrängt
von den nachkommenden Massen, sind sie endlich bis in die
Winkel der Länder gepreßt worden, auf die äußersten Kontinent¬
spitzen vor der großen Barriere der Wasserseite der Erde. In
die eigentlichen Südpolarlande sind auch sie nicht mehr über¬
geströmt.

In Afrika ist es am deutlichsten, wie ein mehrfaches,
stationenweises Überfluten durch von Norden eindringende Völker
stattgefunden haben muß, und zwar kamen ganz offenbar zuerst
die primitiveren, als deren äußerste südliche Ecke heute noch
etwa die Buschmänner gelten können, und dann erst die etwas
höheren, wie sie das Gros der heutigen echten Neger noch
vertritt. Natürlich haben die unvermeidlichen Mischungen das
Bild verwischt, aber Konturen sind unverkennbar noch da.

Manches könnte dafür sprechen, daß zu den allerältesten
Südwanderern, also den urtümlichsten, auch die seltsamen Zwerg¬
völker gehören, die besonders grade in diesem Afrika noch er¬
halten sind. Die alten Pygmäensagen haben sich ja im tiefsten
afrikanischen Busch heute zu wirklichen Zwergrassen gefestet,
bei denen der ausgewachsene Mann meist kaum ein und ein
drittel Meter hoch wird. Es ist für unsere Betrachtung hier
wichtig, daß diese Zwerge wahrscheinlich von allen Völkern die
stärkste Körperbehaarung und den stärksten Körpergeruch besitzen.
Ihre Intelligenz ist hoch, aber, man möchte gern sagen, in ihrem

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mit ſeinem Kleide gleichſam den Talisman fortſchreitender Kultur
wieder abgelegt.

Mancherlei Thatſachen der heutigen Menſchenverbreitung
auf unſerm Planeten fügen ſich überraſchend leicht in dieſen
Rahmen ein. Man begreift, warum grade die Völker mit
niedrigſter Kultur heute am weiteſten nach Süden ſitzen: die
Auſtralneger auf dem auſtraliſchen Feſtlandreſt bei den Schnabel¬
tieren und Molchfiſchen, die Weddas auf Ceylon, die Feuer¬
länder an der Südſpitze Amerikas. Sie wären die zuerſt Ab¬
geſtoßenen, noch am primitivſten im Menſchentum und am
längſten außer Contakt mit der aufſteigenden Linie. Gedrängt
von den nachkommenden Maſſen, ſind ſie endlich bis in die
Winkel der Länder gepreßt worden, auf die äußerſten Kontinent¬
ſpitzen vor der großen Barriere der Waſſerſeite der Erde. In
die eigentlichen Südpolarlande ſind auch ſie nicht mehr über¬
geſtrömt.

In Afrika iſt es am deutlichſten, wie ein mehrfaches,
ſtationenweiſes Überfluten durch von Norden eindringende Völker
ſtattgefunden haben muß, und zwar kamen ganz offenbar zuerſt
die primitiveren, als deren äußerſte ſüdliche Ecke heute noch
etwa die Buſchmänner gelten können, und dann erſt die etwas
höheren, wie ſie das Gros der heutigen echten Neger noch
vertritt. Natürlich haben die unvermeidlichen Miſchungen das
Bild verwiſcht, aber Konturen ſind unverkennbar noch da.

Manches könnte dafür ſprechen, daß zu den allerälteſten
Südwanderern, alſo den urtümlichſten, auch die ſeltſamen Zwerg¬
völker gehören, die beſonders grade in dieſem Afrika noch er¬
halten ſind. Die alten Pygmäenſagen haben ſich ja im tiefſten
afrikaniſchen Buſch heute zu wirklichen Zwergraſſen gefeſtet,
bei denen der ausgewachſene Mann meiſt kaum ein und ein
drittel Meter hoch wird. Es iſt für unſere Betrachtung hier
wichtig, daß dieſe Zwerge wahrſcheinlich von allen Völkern die
ſtärkſte Körperbehaarung und den ſtärkſten Körpergeruch beſitzen.
Ihre Intelligenz iſt hoch, aber, man möchte gern ſagen, in ihrem

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[81/0095] mit ſeinem Kleide gleichſam den Talisman fortſchreitender Kultur wieder abgelegt. Mancherlei Thatſachen der heutigen Menſchenverbreitung auf unſerm Planeten fügen ſich überraſchend leicht in dieſen Rahmen ein. Man begreift, warum grade die Völker mit niedrigſter Kultur heute am weiteſten nach Süden ſitzen: die Auſtralneger auf dem auſtraliſchen Feſtlandreſt bei den Schnabel¬ tieren und Molchfiſchen, die Weddas auf Ceylon, die Feuer¬ länder an der Südſpitze Amerikas. Sie wären die zuerſt Ab¬ geſtoßenen, noch am primitivſten im Menſchentum und am längſten außer Contakt mit der aufſteigenden Linie. Gedrängt von den nachkommenden Maſſen, ſind ſie endlich bis in die Winkel der Länder gepreßt worden, auf die äußerſten Kontinent¬ ſpitzen vor der großen Barriere der Waſſerſeite der Erde. In die eigentlichen Südpolarlande ſind auch ſie nicht mehr über¬ geſtrömt. In Afrika iſt es am deutlichſten, wie ein mehrfaches, ſtationenweiſes Überfluten durch von Norden eindringende Völker ſtattgefunden haben muß, und zwar kamen ganz offenbar zuerſt die primitiveren, als deren äußerſte ſüdliche Ecke heute noch etwa die Buſchmänner gelten können, und dann erſt die etwas höheren, wie ſie das Gros der heutigen echten Neger noch vertritt. Natürlich haben die unvermeidlichen Miſchungen das Bild verwiſcht, aber Konturen ſind unverkennbar noch da. Manches könnte dafür ſprechen, daß zu den allerälteſten Südwanderern, alſo den urtümlichſten, auch die ſeltſamen Zwerg¬ völker gehören, die beſonders grade in dieſem Afrika noch er¬ halten ſind. Die alten Pygmäenſagen haben ſich ja im tiefſten afrikaniſchen Buſch heute zu wirklichen Zwergraſſen gefeſtet, bei denen der ausgewachſene Mann meiſt kaum ein und ein drittel Meter hoch wird. Es iſt für unſere Betrachtung hier wichtig, daß dieſe Zwerge wahrſcheinlich von allen Völkern die ſtärkſte Körperbehaarung und den ſtärkſten Körpergeruch beſitzen. Ihre Intelligenz iſt hoch, aber, man möchte gern ſagen, in ihrem 6

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/95>, abgerufen am 24.11.2024.