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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Menschen wieder die ungeheure Anpassungsthat der Menschen¬
liebe, gleichzeitig mit der Überwindung der ganzen Erd¬
bedingungen durch den Intellekt und die von ihm geschaffene
Technik.

Nun hören wir: diese wunderbare Linie einander über¬
bietender Harmonieversuche soll eine Ausnahme sein im völlig
regellosen Chaos, die zufällige scheinbare Harmonie-Ausnahme.
Und das nennt man: schließen vom Gegebenen aufs Unbekannte.
Die einzige uns bekannte Geschichtslinie eine Ausnahme!

Doch wir werden auf den Weg hingewiesen, den diese
Harmoniebildung offenbar gegangen sei. Blind sei ein Chaos
von Möglichkeiten jedesmal hingeworfen worden, und nur
zufällig habe sich dann das "Passende" erhalten, so ein Ent¬
stehen von Harmonien vortäuschend.

Gemach. Zunächst sind die Harmonien auf alle Fälle
da, nicht selber Täuschung. Jenes Entstehen durch "zufälliges
Erhaltenwerden" von Passendem aber lehrt eine neue, höchst
wichtige Thatsache über die Natur.

Das Passende, Harmonischere erhält sich also bei Kon¬
kurrenz mit dem Disharmonischen. Ja, warum denn? Das
ist doch logisch, heißt es. Ja, was ist denn Logik? Eine
Natureigenschaft offenbar. Die Natur hat ein urgegebenes
Gesetz in sich, daß das Harmonische, das Gute siegt über das
Disharmonische, Schlechte, sobald beide in Konkurrenz treten.
Ich frage, ob das ein pessimistischer Grundzug ist?

Jedenfalls ist es ein Zug, der dem Harmonischen, sobald
es einmal da ist, fort und fort ein Plus geben muß, es zum
Sieger machen muß über alle disharmonischen Gebilde. Wo
aber in der Welt empfunden wird (und wir wissen ja nicht,
wie weit das geht; ob es nicht selber eine Ureigenschaft aller
Naturdinge ist), da wird dieses Harmonischere als das Lust¬
vollere empfunden werden; eine Welt, die auf den zunehmenden
Sieg harmonischerer Systeme durch ihre Ur-Logik gebaut ist,
muß eine Welt ständig anwachsender Lustziffern sein.

Menſchen wieder die ungeheure Anpaſſungsthat der Menſchen¬
liebe, gleichzeitig mit der Überwindung der ganzen Erd¬
bedingungen durch den Intellekt und die von ihm geſchaffene
Technik.

Nun hören wir: dieſe wunderbare Linie einander über¬
bietender Harmonieverſuche ſoll eine Ausnahme ſein im völlig
regelloſen Chaos, die zufällige ſcheinbare Harmonie-Ausnahme.
Und das nennt man: ſchließen vom Gegebenen aufs Unbekannte.
Die einzige uns bekannte Geſchichtslinie eine Ausnahme!

Doch wir werden auf den Weg hingewieſen, den dieſe
Harmoniebildung offenbar gegangen ſei. Blind ſei ein Chaos
von Möglichkeiten jedesmal hingeworfen worden, und nur
zufällig habe ſich dann das „Paſſende“ erhalten, ſo ein Ent¬
ſtehen von Harmonien vortäuſchend.

Gemach. Zunächſt ſind die Harmonien auf alle Fälle
da, nicht ſelber Täuſchung. Jenes Entſtehen durch „zufälliges
Erhaltenwerden“ von Paſſendem aber lehrt eine neue, höchſt
wichtige Thatſache über die Natur.

Das Paſſende, Harmoniſchere erhält ſich alſo bei Kon¬
kurrenz mit dem Disharmoniſchen. Ja, warum denn? Das
iſt doch logiſch, heißt es. Ja, was iſt denn Logik? Eine
Natureigenſchaft offenbar. Die Natur hat ein urgegebenes
Geſetz in ſich, daß das Harmoniſche, das Gute ſiegt über das
Disharmoniſche, Schlechte, ſobald beide in Konkurrenz treten.
Ich frage, ob das ein peſſimiſtiſcher Grundzug iſt?

Jedenfalls iſt es ein Zug, der dem Harmoniſchen, ſobald
es einmal da iſt, fort und fort ein Plus geben muß, es zum
Sieger machen muß über alle disharmoniſchen Gebilde. Wo
aber in der Welt empfunden wird (und wir wiſſen ja nicht,
wie weit das geht; ob es nicht ſelber eine Ureigenſchaft aller
Naturdinge iſt), da wird dieſes Harmoniſchere als das Luſt¬
vollere empfunden werden; eine Welt, die auf den zunehmenden
Sieg harmoniſcherer Syſteme durch ihre Ur-Logik gebaut iſt,
muß eine Welt ſtändig anwachſender Luſtziffern ſein.

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[366/0380] Menſchen wieder die ungeheure Anpaſſungsthat der Menſchen¬ liebe, gleichzeitig mit der Überwindung der ganzen Erd¬ bedingungen durch den Intellekt und die von ihm geſchaffene Technik. Nun hören wir: dieſe wunderbare Linie einander über¬ bietender Harmonieverſuche ſoll eine Ausnahme ſein im völlig regelloſen Chaos, die zufällige ſcheinbare Harmonie-Ausnahme. Und das nennt man: ſchließen vom Gegebenen aufs Unbekannte. Die einzige uns bekannte Geſchichtslinie eine Ausnahme! Doch wir werden auf den Weg hingewieſen, den dieſe Harmoniebildung offenbar gegangen ſei. Blind ſei ein Chaos von Möglichkeiten jedesmal hingeworfen worden, und nur zufällig habe ſich dann das „Paſſende“ erhalten, ſo ein Ent¬ ſtehen von Harmonien vortäuſchend. Gemach. Zunächſt ſind die Harmonien auf alle Fälle da, nicht ſelber Täuſchung. Jenes Entſtehen durch „zufälliges Erhaltenwerden“ von Paſſendem aber lehrt eine neue, höchſt wichtige Thatſache über die Natur. Das Paſſende, Harmoniſchere erhält ſich alſo bei Kon¬ kurrenz mit dem Disharmoniſchen. Ja, warum denn? Das iſt doch logiſch, heißt es. Ja, was iſt denn Logik? Eine Natureigenſchaft offenbar. Die Natur hat ein urgegebenes Geſetz in ſich, daß das Harmoniſche, das Gute ſiegt über das Disharmoniſche, Schlechte, ſobald beide in Konkurrenz treten. Ich frage, ob das ein peſſimiſtiſcher Grundzug iſt? Jedenfalls iſt es ein Zug, der dem Harmoniſchen, ſobald es einmal da iſt, fort und fort ein Plus geben muß, es zum Sieger machen muß über alle disharmoniſchen Gebilde. Wo aber in der Welt empfunden wird (und wir wiſſen ja nicht, wie weit das geht; ob es nicht ſelber eine Ureigenſchaft aller Naturdinge iſt), da wird dieſes Harmoniſchere als das Luſt¬ vollere empfunden werden; eine Welt, die auf den zunehmenden Sieg harmoniſcherer Syſteme durch ihre Ur-Logik gebaut iſt, muß eine Welt ſtändig anwachſender Luſtziffern ſein.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/380>, abgerufen am 22.11.2024.