unendlichen Gebiet des Geheimnisvollen, das noch vor uns hinausflutet.
Es ist nicht unwichtig, das zu betonen, denn mit einer Natur voller Geheimnisse läßt sich immer noch erträglich leben, wo es mit der schon völlig pessimistisch gedeuteten nicht mehr möglich wäre. Auf das Geheimnis hin kann ich noch Kinder zeugen, -- auf die endgültig entdeckte Nacht hin nicht.
Nun wird der Pessimist freilich sagen, daß ihn das nichts angeht, er schließe eben nach zulässigem Brauch vom Bekannten aufs Unbekannte, und der bekannte Teil der Welt sei eben schlecht, also ....
Auch die Logik dieses Schlusses als solche gebe ich zu, aber ich verlange dann an zweiter Stelle, daß dieses Schließen auch im Engeren ordentlich erfolge und nicht willkürlich so und so viel auslasse.
Wir kennen geschichtlich nur ein einziges Stück Natur, nämlich annähernd und andeutungsweise ein Teil Geschichte unseres Planeten, vielleicht sogar seines Sonnensystems, sicher seines Werdens und Wandels in den letzten tausend Millionen Jahren, insbesondere seines Lebens, seiner Pflanzen, Tiere, Menschen, seiner Menschen auch noch durch ein paar tausend Jahre Kultur. In dieser einzigen übersehbaren Spanne ist das Frappierende ein Heraufgang der Entwickelung der wunder¬ barsten Art, ein kontinuierlicher Heraufgang bis zu intelligenten Wesen und bei denen von Barbarei zur Kultur. Wer diesen Heraufgang nicht sieht: von einem rohen, erkaltenden Meteor¬ block wie die Erde war, bis zu Goethe, dem ist nicht zu helfen, es fehlt ihm die Urthatsache alles Bekannten über die Natur. In dieser einzigen Linie findet eine fortgesetzte Überbietung in Harmonien statt. Zuerst entsteht die Harmonie des Planeten¬ systems. Dann die Harmonien der ältesten Lebensformen, Pflanze und Tier, Tier zu Pflanze. Dann die unendlichen, sich immer überbietenden Anpassungsversuche dieser Lebewesen. Endlich die Universalanpassung Mensch sie alle ablösend. Im
unendlichen Gebiet des Geheimnisvollen, das noch vor uns hinausflutet.
Es iſt nicht unwichtig, das zu betonen, denn mit einer Natur voller Geheimniſſe läßt ſich immer noch erträglich leben, wo es mit der ſchon völlig peſſimiſtiſch gedeuteten nicht mehr möglich wäre. Auf das Geheimnis hin kann ich noch Kinder zeugen, — auf die endgültig entdeckte Nacht hin nicht.
Nun wird der Peſſimiſt freilich ſagen, daß ihn das nichts angeht, er ſchließe eben nach zuläſſigem Brauch vom Bekannten aufs Unbekannte, und der bekannte Teil der Welt ſei eben ſchlecht, alſo ....
Auch die Logik dieſes Schluſſes als ſolche gebe ich zu, aber ich verlange dann an zweiter Stelle, daß dieſes Schließen auch im Engeren ordentlich erfolge und nicht willkürlich ſo und ſo viel auslaſſe.
Wir kennen geſchichtlich nur ein einziges Stück Natur, nämlich annähernd und andeutungsweiſe ein Teil Geſchichte unſeres Planeten, vielleicht ſogar ſeines Sonnenſyſtems, ſicher ſeines Werdens und Wandels in den letzten tauſend Millionen Jahren, insbeſondere ſeines Lebens, ſeiner Pflanzen, Tiere, Menſchen, ſeiner Menſchen auch noch durch ein paar tauſend Jahre Kultur. In dieſer einzigen überſehbaren Spanne iſt das Frappierende ein Heraufgang der Entwickelung der wunder¬ barſten Art, ein kontinuierlicher Heraufgang bis zu intelligenten Weſen und bei denen von Barbarei zur Kultur. Wer dieſen Heraufgang nicht ſieht: von einem rohen, erkaltenden Meteor¬ block wie die Erde war, bis zu Goethe, dem iſt nicht zu helfen, es fehlt ihm die Urthatſache alles Bekannten über die Natur. In dieſer einzigen Linie findet eine fortgeſetzte Überbietung in Harmonien ſtatt. Zuerſt entſteht die Harmonie des Planeten¬ ſyſtems. Dann die Harmonien der älteſten Lebensformen, Pflanze und Tier, Tier zu Pflanze. Dann die unendlichen, ſich immer überbietenden Anpaſſungsverſuche dieſer Lebeweſen. Endlich die Univerſalanpaſſung Menſch ſie alle ablöſend. Im
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0379"n="365"/>
unendlichen Gebiet des Geheimnisvollen, das noch vor uns<lb/>
hinausflutet.</p><lb/><p>Es iſt nicht unwichtig, das zu betonen, denn mit einer<lb/>
Natur voller Geheimniſſe läßt ſich immer noch erträglich leben,<lb/>
wo es mit der ſchon völlig peſſimiſtiſch gedeuteten nicht mehr<lb/>
möglich wäre. Auf das Geheimnis hin kann ich noch Kinder<lb/>
zeugen, — auf die endgültig entdeckte Nacht hin nicht.</p><lb/><p>Nun wird der Peſſimiſt freilich ſagen, daß ihn das nichts<lb/>
angeht, er ſchließe eben nach zuläſſigem Brauch vom Bekannten<lb/>
aufs Unbekannte, und der bekannte Teil der Welt ſei eben<lb/>ſchlecht, alſo ....</p><lb/><p>Auch die Logik dieſes Schluſſes als ſolche gebe ich zu,<lb/>
aber ich verlange dann an zweiter Stelle, daß dieſes Schließen<lb/>
auch im Engeren ordentlich erfolge und nicht willkürlich ſo und<lb/>ſo viel auslaſſe.</p><lb/><p>Wir kennen geſchichtlich nur ein einziges Stück Natur,<lb/>
nämlich annähernd und andeutungsweiſe ein Teil Geſchichte<lb/>
unſeres Planeten, vielleicht ſogar ſeines Sonnenſyſtems, ſicher<lb/>ſeines Werdens und Wandels in den letzten tauſend Millionen<lb/>
Jahren, insbeſondere ſeines Lebens, ſeiner Pflanzen, Tiere,<lb/>
Menſchen, ſeiner Menſchen auch noch durch ein paar tauſend<lb/>
Jahre Kultur. In dieſer einzigen überſehbaren Spanne iſt<lb/>
das Frappierende ein Heraufgang der Entwickelung der wunder¬<lb/>
barſten Art, ein kontinuierlicher Heraufgang bis zu intelligenten<lb/>
Weſen und bei denen von Barbarei zur Kultur. Wer dieſen<lb/>
Heraufgang nicht ſieht: von einem rohen, erkaltenden Meteor¬<lb/>
block wie die Erde war, bis zu Goethe, dem iſt nicht zu helfen,<lb/>
es fehlt ihm die Urthatſache alles Bekannten über die Natur.<lb/>
In dieſer einzigen Linie findet eine fortgeſetzte Überbietung in<lb/>
Harmonien ſtatt. Zuerſt entſteht die Harmonie des Planeten¬<lb/>ſyſtems. Dann die Harmonien der älteſten Lebensformen,<lb/>
Pflanze und Tier, Tier zu Pflanze. Dann die unendlichen,<lb/>ſich immer überbietenden Anpaſſungsverſuche dieſer Lebeweſen.<lb/>
Endlich die Univerſalanpaſſung Menſch ſie alle ablöſend. Im<lb/></p></div></body></text></TEI>
[365/0379]
unendlichen Gebiet des Geheimnisvollen, das noch vor uns
hinausflutet.
Es iſt nicht unwichtig, das zu betonen, denn mit einer
Natur voller Geheimniſſe läßt ſich immer noch erträglich leben,
wo es mit der ſchon völlig peſſimiſtiſch gedeuteten nicht mehr
möglich wäre. Auf das Geheimnis hin kann ich noch Kinder
zeugen, — auf die endgültig entdeckte Nacht hin nicht.
Nun wird der Peſſimiſt freilich ſagen, daß ihn das nichts
angeht, er ſchließe eben nach zuläſſigem Brauch vom Bekannten
aufs Unbekannte, und der bekannte Teil der Welt ſei eben
ſchlecht, alſo ....
Auch die Logik dieſes Schluſſes als ſolche gebe ich zu,
aber ich verlange dann an zweiter Stelle, daß dieſes Schließen
auch im Engeren ordentlich erfolge und nicht willkürlich ſo und
ſo viel auslaſſe.
Wir kennen geſchichtlich nur ein einziges Stück Natur,
nämlich annähernd und andeutungsweiſe ein Teil Geſchichte
unſeres Planeten, vielleicht ſogar ſeines Sonnenſyſtems, ſicher
ſeines Werdens und Wandels in den letzten tauſend Millionen
Jahren, insbeſondere ſeines Lebens, ſeiner Pflanzen, Tiere,
Menſchen, ſeiner Menſchen auch noch durch ein paar tauſend
Jahre Kultur. In dieſer einzigen überſehbaren Spanne iſt
das Frappierende ein Heraufgang der Entwickelung der wunder¬
barſten Art, ein kontinuierlicher Heraufgang bis zu intelligenten
Weſen und bei denen von Barbarei zur Kultur. Wer dieſen
Heraufgang nicht ſieht: von einem rohen, erkaltenden Meteor¬
block wie die Erde war, bis zu Goethe, dem iſt nicht zu helfen,
es fehlt ihm die Urthatſache alles Bekannten über die Natur.
In dieſer einzigen Linie findet eine fortgeſetzte Überbietung in
Harmonien ſtatt. Zuerſt entſteht die Harmonie des Planeten¬
ſyſtems. Dann die Harmonien der älteſten Lebensformen,
Pflanze und Tier, Tier zu Pflanze. Dann die unendlichen,
ſich immer überbietenden Anpaſſungsverſuche dieſer Lebeweſen.
Endlich die Univerſalanpaſſung Menſch ſie alle ablöſend. Im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/379>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.