lypen die grünen Algen. Es galt, von Mensch zu Mensch mitzukommen, überzuspringen in der Folge der Menschen¬ generationen. Damit ihre Liebe Unsterblichkeit garantierte, mußte etwas derart geschehen, denn der Tod ihres Wirtes bedeutete individuell stets auch ihren Tod, ob sie auch in diesem Einzelwirt liebend sich mehrten, wie der Sand am Meer. Hier nun war der Punkt, wo das Liebesleben auch des Menschen für sie wichtig wurde.
In diesem Liebesleben ihres Wirtes stießen sie auf zwei große Thatsachen. Erstens die uralte geschlechtliche Zeugungs¬ form, die schon der Polyp besitzt: Ablösung einer Samenzelle und Eizelle von jeder Liebespartei und Mischung dieser beiden, wodurch ein neuer Mensch der folgenden Generation entsteht. Zweitens jene verwickelte Methode, wie das beim höheren Säugetier bewerkstelligt wird: Aneinanderlegen der beiden großen Zellstaaten, Einführen des männlichen Liebesgliedes in die weibliche Liebespforte unter Wollusterregungen, -- alle jene Dinge, deren historisches Werden bis zum Menschen herauf wir früher eingehend betrachtet haben. Beides wurde benutzt im Kampfe des Syphilis-Bazillus um seine Unsterb¬ lichkeit.
Die Bazillenkolonien entsandten kleine Wanderabteilungen genau wie die Algen im Polyp in die Eizellen und Samenzellen beider Liebesmenschen hinein, damit sie in die nächste Generation mit einschlüpften und sich so ins Ewige der Zukunft als "Ko¬ bold im Faß" bei jedem Umzug retteten.
Die Bazillen konstituierten sich aber gleichzeitig in Vorposten- Kolonnen direkt an den Geschlechtsteilen der Liebesmenschen als den wahrscheinlichsten Stellen, wo der Sprung von Mensch zu Mensch auch so glücken konnte, -- der einfache Salto Mortale von Haut zu Haut. Es war wie die Besetzung eines äußersten Postens einer Landungsbrücke zum Zweck, in ein Schiff zu springen. War auch dieses Schiff hier noch gleichzeitige Generation, so konnte es doch immer einen Vorsprung geben.
lypen die grünen Algen. Es galt, von Menſch zu Menſch mitzukommen, überzuſpringen in der Folge der Menſchen¬ generationen. Damit ihre Liebe Unſterblichkeit garantierte, mußte etwas derart geſchehen, denn der Tod ihres Wirtes bedeutete individuell ſtets auch ihren Tod, ob ſie auch in dieſem Einzelwirt liebend ſich mehrten, wie der Sand am Meer. Hier nun war der Punkt, wo das Liebesleben auch des Menſchen für ſie wichtig wurde.
In dieſem Liebesleben ihres Wirtes ſtießen ſie auf zwei große Thatſachen. Erſtens die uralte geſchlechtliche Zeugungs¬ form, die ſchon der Polyp beſitzt: Ablöſung einer Samenzelle und Eizelle von jeder Liebespartei und Miſchung dieſer beiden, wodurch ein neuer Menſch der folgenden Generation entſteht. Zweitens jene verwickelte Methode, wie das beim höheren Säugetier bewerkſtelligt wird: Aneinanderlegen der beiden großen Zellſtaaten, Einführen des männlichen Liebesgliedes in die weibliche Liebespforte unter Wolluſterregungen, — alle jene Dinge, deren hiſtoriſches Werden bis zum Menſchen herauf wir früher eingehend betrachtet haben. Beides wurde benutzt im Kampfe des Syphilis-Bazillus um ſeine Unſterb¬ lichkeit.
Die Bazillenkolonien entſandten kleine Wanderabteilungen genau wie die Algen im Polyp in die Eizellen und Samenzellen beider Liebesmenſchen hinein, damit ſie in die nächſte Generation mit einſchlüpften und ſich ſo ins Ewige der Zukunft als „Ko¬ bold im Faß“ bei jedem Umzug retteten.
Die Bazillen konſtituierten ſich aber gleichzeitig in Vorpoſten- Kolonnen direkt an den Geſchlechtsteilen der Liebesmenſchen als den wahrſcheinlichſten Stellen, wo der Sprung von Menſch zu Menſch auch ſo glücken konnte, — der einfache Salto Mortale von Haut zu Haut. Es war wie die Beſetzung eines äußerſten Poſtens einer Landungsbrücke zum Zweck, in ein Schiff zu ſpringen. War auch dieſes Schiff hier noch gleichzeitige Generation, ſo konnte es doch immer einen Vorſprung geben.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0357"n="343"/>
lypen die grünen Algen. Es galt, von Menſch zu Menſch<lb/>
mitzukommen, überzuſpringen in der Folge der Menſchen¬<lb/>
generationen. Damit ihre Liebe Unſterblichkeit garantierte,<lb/>
mußte etwas derart geſchehen, denn der Tod ihres Wirtes<lb/>
bedeutete individuell ſtets auch ihren Tod, ob ſie auch in<lb/>
dieſem Einzelwirt liebend ſich mehrten, wie der Sand am<lb/>
Meer. Hier nun war der Punkt, wo das Liebesleben auch<lb/>
des Menſchen für ſie wichtig wurde.</p><lb/><p>In dieſem Liebesleben ihres Wirtes ſtießen ſie auf zwei<lb/>
große Thatſachen. Erſtens die uralte geſchlechtliche Zeugungs¬<lb/>
form, die ſchon der Polyp beſitzt: Ablöſung einer Samenzelle<lb/>
und Eizelle von jeder Liebespartei und Miſchung dieſer beiden,<lb/>
wodurch ein neuer Menſch der folgenden Generation entſteht.<lb/>
Zweitens jene verwickelte Methode, wie das beim höheren<lb/>
Säugetier bewerkſtelligt wird: Aneinanderlegen der beiden<lb/>
großen Zellſtaaten, Einführen des männlichen Liebesgliedes in<lb/>
die weibliche Liebespforte unter Wolluſterregungen, — alle<lb/>
jene Dinge, deren hiſtoriſches Werden bis zum Menſchen<lb/>
herauf wir früher eingehend betrachtet haben. Beides wurde<lb/>
benutzt im Kampfe des Syphilis-Bazillus um ſeine Unſterb¬<lb/>
lichkeit.</p><lb/><p>Die Bazillenkolonien entſandten kleine Wanderabteilungen<lb/>
genau wie die Algen im Polyp in die Eizellen und Samenzellen<lb/>
beider Liebesmenſchen hinein, damit ſie in die nächſte Generation<lb/>
mit einſchlüpften und ſich ſo ins Ewige der Zukunft als „Ko¬<lb/>
bold im Faß“ bei jedem Umzug retteten.</p><lb/><p>Die Bazillen konſtituierten ſich aber gleichzeitig in Vorpoſten-<lb/>
Kolonnen direkt an den Geſchlechtsteilen der Liebesmenſchen als<lb/>
den wahrſcheinlichſten Stellen, wo der Sprung von Menſch zu<lb/>
Menſch auch ſo glücken konnte, — der einfache Salto Mortale<lb/>
von Haut zu Haut. Es war wie die Beſetzung eines äußerſten<lb/>
Poſtens einer Landungsbrücke zum Zweck, in ein Schiff zu<lb/>ſpringen. War auch dieſes Schiff hier noch gleichzeitige<lb/>
Generation, ſo konnte es doch immer einen Vorſprung geben.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[343/0357]
lypen die grünen Algen. Es galt, von Menſch zu Menſch
mitzukommen, überzuſpringen in der Folge der Menſchen¬
generationen. Damit ihre Liebe Unſterblichkeit garantierte,
mußte etwas derart geſchehen, denn der Tod ihres Wirtes
bedeutete individuell ſtets auch ihren Tod, ob ſie auch in
dieſem Einzelwirt liebend ſich mehrten, wie der Sand am
Meer. Hier nun war der Punkt, wo das Liebesleben auch
des Menſchen für ſie wichtig wurde.
In dieſem Liebesleben ihres Wirtes ſtießen ſie auf zwei
große Thatſachen. Erſtens die uralte geſchlechtliche Zeugungs¬
form, die ſchon der Polyp beſitzt: Ablöſung einer Samenzelle
und Eizelle von jeder Liebespartei und Miſchung dieſer beiden,
wodurch ein neuer Menſch der folgenden Generation entſteht.
Zweitens jene verwickelte Methode, wie das beim höheren
Säugetier bewerkſtelligt wird: Aneinanderlegen der beiden
großen Zellſtaaten, Einführen des männlichen Liebesgliedes in
die weibliche Liebespforte unter Wolluſterregungen, — alle
jene Dinge, deren hiſtoriſches Werden bis zum Menſchen
herauf wir früher eingehend betrachtet haben. Beides wurde
benutzt im Kampfe des Syphilis-Bazillus um ſeine Unſterb¬
lichkeit.
Die Bazillenkolonien entſandten kleine Wanderabteilungen
genau wie die Algen im Polyp in die Eizellen und Samenzellen
beider Liebesmenſchen hinein, damit ſie in die nächſte Generation
mit einſchlüpften und ſich ſo ins Ewige der Zukunft als „Ko¬
bold im Faß“ bei jedem Umzug retteten.
Die Bazillen konſtituierten ſich aber gleichzeitig in Vorpoſten-
Kolonnen direkt an den Geſchlechtsteilen der Liebesmenſchen als
den wahrſcheinlichſten Stellen, wo der Sprung von Menſch zu
Menſch auch ſo glücken konnte, — der einfache Salto Mortale
von Haut zu Haut. Es war wie die Beſetzung eines äußerſten
Poſtens einer Landungsbrücke zum Zweck, in ein Schiff zu
ſpringen. War auch dieſes Schiff hier noch gleichzeitige
Generation, ſo konnte es doch immer einen Vorſprung geben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/357>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.