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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Räumliche Weiterverteilung war auch immer eine Chance zur
zeitlichen Unsterblichkeit.

Und nun, du Unglücksmensch: in diesen Kampf fällst du
hinein, wenn du in einer fatalsten Stunde dich einem schon
von der Armee invasierten Menschenkinde in die Arme giebst,
-- sei es in der heiligsten, reinsten Liebesstimmung, da du
nichts willst, als deine Menschheitsunsterblichkeit einmal wieder
retten, das Volk der Goethes, Rafaels, Darwins eine Generation
zeitlich weitertreiben ....

Inmitten aller deiner Liebe wirst du plötzlich die Spring¬
stange einer ganz anderen Unsterblichkeits-Sehnsucht, dein Liebes¬
organ wird der Brückenpfeiler gänzlich indifferenter Ur-Kobolde
der Entwickelung, die für sich Politik treiben, -- Politik, die
aber durch eine heillose Verhedderung der Fäden quer durch
dich geht --!

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Das ist die Komödie, Tragödie, Tragikomödie der Sy¬
philis. Es giebt eine Höhenschau, von der aus auch dieses
Satyrspiel sich in eine große Linie einordnet. Wahrscheinlich
steckt hinter diesem ganzen Konflikt zwischen Mensch und Ba¬
zillus, der ja auch sonst in unserem Leben eine so ungeheure
Rolle spielt, ein tiefer, überaus bedeutsamer Lebenskampf
unseres Planeten.

Zusammenprallen die höchste und die niedrigste Lebens¬
form noch einmal zu einer letzten Entscheidungsschlacht. Hier
der Mensch, der Gipfel der Entwickelung über das vielzellige
Wesen herauf, Herr schon jetzt all dieser Vielzeller auf Erden.
Dort der Bazillus, die Urform, das Wesen aus nur einer
Zelle, die erste Anpassungsform des Lebens auf dieser Erde,
in Myriaden von Individuen doch heute noch fortlebend, die
die Vielzeller, die höheren Individuen fort und fort überschütten

Räumliche Weiterverteilung war auch immer eine Chance zur
zeitlichen Unſterblichkeit.

Und nun, du Unglücksmenſch: in dieſen Kampf fällſt du
hinein, wenn du in einer fatalſten Stunde dich einem ſchon
von der Armee invaſierten Menſchenkinde in die Arme giebſt,
— ſei es in der heiligſten, reinſten Liebesſtimmung, da du
nichts willſt, als deine Menſchheitsunſterblichkeit einmal wieder
retten, das Volk der Goethes, Rafaels, Darwins eine Generation
zeitlich weitertreiben ....

Inmitten aller deiner Liebe wirſt du plötzlich die Spring¬
ſtange einer ganz anderen Unſterblichkeits-Sehnſucht, dein Liebes¬
organ wird der Brückenpfeiler gänzlich indifferenter Ur-Kobolde
der Entwickelung, die für ſich Politik treiben, — Politik, die
aber durch eine heilloſe Verhedderung der Fäden quer durch
dich geht —!

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Das iſt die Komödie, Tragödie, Tragikomödie der Sy¬
philis. Es giebt eine Höhenſchau, von der aus auch dieſes
Satyrſpiel ſich in eine große Linie einordnet. Wahrſcheinlich
ſteckt hinter dieſem ganzen Konflikt zwiſchen Menſch und Ba¬
zillus, der ja auch ſonſt in unſerem Leben eine ſo ungeheure
Rolle ſpielt, ein tiefer, überaus bedeutſamer Lebenskampf
unſeres Planeten.

Zuſammenprallen die höchſte und die niedrigſte Lebens¬
form noch einmal zu einer letzten Entſcheidungsſchlacht. Hier
der Menſch, der Gipfel der Entwickelung über das vielzellige
Weſen herauf, Herr ſchon jetzt all dieſer Vielzeller auf Erden.
Dort der Bazillus, die Urform, das Weſen aus nur einer
Zelle, die erſte Anpaſſungsform des Lebens auf dieſer Erde,
in Myriaden von Individuen doch heute noch fortlebend, die
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[344/0358] Räumliche Weiterverteilung war auch immer eine Chance zur zeitlichen Unſterblichkeit. Und nun, du Unglücksmenſch: in dieſen Kampf fällſt du hinein, wenn du in einer fatalſten Stunde dich einem ſchon von der Armee invaſierten Menſchenkinde in die Arme giebſt, — ſei es in der heiligſten, reinſten Liebesſtimmung, da du nichts willſt, als deine Menſchheitsunſterblichkeit einmal wieder retten, das Volk der Goethes, Rafaels, Darwins eine Generation zeitlich weitertreiben .... Inmitten aller deiner Liebe wirſt du plötzlich die Spring¬ ſtange einer ganz anderen Unſterblichkeits-Sehnſucht, dein Liebes¬ organ wird der Brückenpfeiler gänzlich indifferenter Ur-Kobolde der Entwickelung, die für ſich Politik treiben, — Politik, die aber durch eine heilloſe Verhedderung der Fäden quer durch dich geht —! [Abbildung] Das iſt die Komödie, Tragödie, Tragikomödie der Sy¬ philis. Es giebt eine Höhenſchau, von der aus auch dieſes Satyrſpiel ſich in eine große Linie einordnet. Wahrſcheinlich ſteckt hinter dieſem ganzen Konflikt zwiſchen Menſch und Ba¬ zillus, der ja auch ſonſt in unſerem Leben eine ſo ungeheure Rolle ſpielt, ein tiefer, überaus bedeutſamer Lebenskampf unſeres Planeten. Zuſammenprallen die höchſte und die niedrigſte Lebens¬ form noch einmal zu einer letzten Entſcheidungsſchlacht. Hier der Menſch, der Gipfel der Entwickelung über das vielzellige Weſen herauf, Herr ſchon jetzt all dieſer Vielzeller auf Erden. Dort der Bazillus, die Urform, das Weſen aus nur einer Zelle, die erſte Anpaſſungsform des Lebens auf dieſer Erde, in Myriaden von Individuen doch heute noch fortlebend, die die Vielzeller, die höheren Individuen fort und fort überſchütten

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/358>, abgerufen am 24.11.2024.