diese Pflänzlein aber, indem sie sich selber grün machen, durch massenhaftes Einlagern in die innere Hautschicht des Polypen auch ihren Garten, nämlich eben den Polypen, grasgrün.
Man nennt diesen Prozeß der lebendigen Einschachtelung eines Wesens in ein anderes "Symbiose", zu deutsch Zu¬ sammenleben. Es ist in diesem Falle sehr wahrscheinlich, daß das Verhältnis der beiden Geschöpfe, Polyp und Alge, ein mehr oder minder ganz behagliches ist. Die Pflänzlein, die in der Tierhaut schmarotzen, haben dadurch ein sicheres Dach über dem Kopf. Die Atmungsart der beiden Genossen ist eine konträre, also atmet jeder dem anderen das zu, was er brauchen kann: die Alge spuckt Sauerstoff als Atmungs¬ exkrement aus und gerade den kann der Polyp brauchen. Ganz sicher ist auch die grüne Pflanzenfarbe dem Polypen als Schutz- und Jagdfarbe nützlich, indem sie ihn in Ver¬ bindung mit seiner Gestalt an der Wasserpflanze, auf die er sich festklammert, selber wie ein unschuldiges Pflanzenknöspchen erscheinen läßt. Jedenfalls aber und wie weit das nun gehe: die Algen haben ihre Anlehnung an das Tier für ihr Teil bis auf den Gipfel des Möglichen getrieben. Diese bestimmte Art Alge hat es völlig aufgegeben, noch außerhalb der Polypen¬ tiere selbständig vorzukommen. Seit undenklichen Zeiten wahr¬ scheinlich kennt sie keinen anderen Wohnort auf dieser ganzen großen Erde, als eben die Leiber immer neuer Generationen von Polypentieren. Ja Generationen? Aber wie kommt sie immer wieder mit in diese neuen Generationen hinüber? Die früheren Beobachter, die noch meinten, der Polyp erzeuge selber Chlorophyll, also die ganze Algen-Schmarotzerwirtschaft nicht ahnten, hatten als Wasser auf ihre Mühle stets angesehen, daß auch die jungen, aus Eiern frisch heranwachsenden Po¬ lypen allemal wieder grün würden. Die Grün-Erzeugung sollte einfach im Polypenvolk erblich sein. Als man nun auf die Algen kam, schien es in der That zunächst eine harte Nuß, wie man über diesen Punkt hinwegkommen sollte. Man meinte
dieſe Pflänzlein aber, indem ſie ſich ſelber grün machen, durch maſſenhaftes Einlagern in die innere Hautſchicht des Polypen auch ihren Garten, nämlich eben den Polypen, grasgrün.
Man nennt dieſen Prozeß der lebendigen Einſchachtelung eines Weſens in ein anderes „Symbioſe“, zu deutſch Zu¬ ſammenleben. Es iſt in dieſem Falle ſehr wahrſcheinlich, daß das Verhältnis der beiden Geſchöpfe, Polyp und Alge, ein mehr oder minder ganz behagliches iſt. Die Pflänzlein, die in der Tierhaut ſchmarotzen, haben dadurch ein ſicheres Dach über dem Kopf. Die Atmungsart der beiden Genoſſen iſt eine konträre, alſo atmet jeder dem anderen das zu, was er brauchen kann: die Alge ſpuckt Sauerſtoff als Atmungs¬ exkrement aus und gerade den kann der Polyp brauchen. Ganz ſicher iſt auch die grüne Pflanzenfarbe dem Polypen als Schutz- und Jagdfarbe nützlich, indem ſie ihn in Ver¬ bindung mit ſeiner Geſtalt an der Waſſerpflanze, auf die er ſich feſtklammert, ſelber wie ein unſchuldiges Pflanzenknöſpchen erſcheinen läßt. Jedenfalls aber und wie weit das nun gehe: die Algen haben ihre Anlehnung an das Tier für ihr Teil bis auf den Gipfel des Möglichen getrieben. Dieſe beſtimmte Art Alge hat es völlig aufgegeben, noch außerhalb der Polypen¬ tiere ſelbſtändig vorzukommen. Seit undenklichen Zeiten wahr¬ ſcheinlich kennt ſie keinen anderen Wohnort auf dieſer ganzen großen Erde, als eben die Leiber immer neuer Generationen von Polypentieren. Ja Generationen? Aber wie kommt ſie immer wieder mit in dieſe neuen Generationen hinüber? Die früheren Beobachter, die noch meinten, der Polyp erzeuge ſelber Chlorophyll, alſo die ganze Algen-Schmarotzerwirtſchaft nicht ahnten, hatten als Waſſer auf ihre Mühle ſtets angeſehen, daß auch die jungen, aus Eiern friſch heranwachſenden Po¬ lypen allemal wieder grün würden. Die Grün-Erzeugung ſollte einfach im Polypenvolk erblich ſein. Als man nun auf die Algen kam, ſchien es in der That zunächſt eine harte Nuß, wie man über dieſen Punkt hinwegkommen ſollte. Man meinte
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dieſe Pflänzlein aber, indem ſie ſich ſelber grün machen, durch
maſſenhaftes Einlagern in die innere Hautſchicht des Polypen
auch ihren Garten, nämlich eben den Polypen, grasgrün.
Man nennt dieſen Prozeß der lebendigen Einſchachtelung
eines Weſens in ein anderes „Symbioſe“, zu deutſch Zu¬
ſammenleben. Es iſt in dieſem Falle ſehr wahrſcheinlich, daß
das Verhältnis der beiden Geſchöpfe, Polyp und Alge, ein
mehr oder minder ganz behagliches iſt. Die Pflänzlein, die
in der Tierhaut ſchmarotzen, haben dadurch ein ſicheres Dach
über dem Kopf. Die Atmungsart der beiden Genoſſen iſt
eine konträre, alſo atmet jeder dem anderen das zu, was er
brauchen kann: die Alge ſpuckt Sauerſtoff als Atmungs¬
exkrement aus und gerade den kann der Polyp brauchen.
Ganz ſicher iſt auch die grüne Pflanzenfarbe dem Polypen
als Schutz- und Jagdfarbe nützlich, indem ſie ihn in Ver¬
bindung mit ſeiner Geſtalt an der Waſſerpflanze, auf die er
ſich feſtklammert, ſelber wie ein unſchuldiges Pflanzenknöſpchen
erſcheinen läßt. Jedenfalls aber und wie weit das nun gehe:
die Algen haben ihre Anlehnung an das Tier für ihr Teil
bis auf den Gipfel des Möglichen getrieben. Dieſe beſtimmte
Art Alge hat es völlig aufgegeben, noch außerhalb der Polypen¬
tiere ſelbſtändig vorzukommen. Seit undenklichen Zeiten wahr¬
ſcheinlich kennt ſie keinen anderen Wohnort auf dieſer ganzen
großen Erde, als eben die Leiber immer neuer Generationen
von Polypentieren. Ja Generationen? Aber wie kommt ſie
immer wieder mit in dieſe neuen Generationen hinüber? Die
früheren Beobachter, die noch meinten, der Polyp erzeuge
ſelber Chlorophyll, alſo die ganze Algen-Schmarotzerwirtſchaft
nicht ahnten, hatten als Waſſer auf ihre Mühle ſtets angeſehen,
daß auch die jungen, aus Eiern friſch heranwachſenden Po¬
lypen allemal wieder grün würden. Die Grün-Erzeugung
ſollte einfach im Polypenvolk erblich ſein. Als man nun auf
die Algen kam, ſchien es in der That zunächſt eine harte Nuß,
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/352>, abgerufen am 24.11.2024.
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