Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Welteinheit, mit seiner flammenden Beleuchtung des "Mensch¬
lichen" über Mann wie Frau und in Mann wie Frau, mit
seiner Idealerfüllung der Ehe nicht bloß als einer wirtschaft¬
lichen Arbeitsteilung, sondern als einer seelischen Schutzgenossen¬
schaft zweier Individuen auf dem großen Wege zur Welt¬
harmonie. Eine neue Regulierungsstufe endlich steckt in dem
guten und berechtigten Teile des heutigen Freiheitskampfes der
Frau, dessen Vorboten übrigens auch schon auf eine weite Zeit¬
spanne zurückgehen.

Für diese Kampfesphase von heute sind besonders zwei
Punkte wichtig, die allerdings noch keineswegs von allen Be¬
teiligten gesehen zu werden pflegen.

[Abbildung]

Das Vorrecht der sozialen Anführerschaft verdankte der
Mann, wie gesagt, zunächst und noch in der Tierwelt seiner
physischen Stärke. Das ist beim Menschen lange Zeit nur
weiter unterstrichen worden: der Mann war der "Krieger"
im Gegensatz zum physisch hilflosen Weibe, noch ganz anders
einseitig als je beim Tier. Aber noch wieder allmählich hat
sich an Stelle dieser physischen Stärke eine intellektuelle, eine
geistige gesetzt. Heute tritt in unserem ganzen Sozialleben
die physische Stärke schon weit zurück gegen die intellektuelle.
Damit ist aber ein neues Verhältnis geschaffen für Mann
und Frau. Zunächst hat der Mann auch mit diesem In¬
tellekt das Erbe des alten, physisch erworbenen Besitzes der
Führerschaft ruhig weiter angetreten. Aber es fragt sich, ob
das so bleiben kann. Es fragt sich, ob auf diesem Intellekt¬
boden die Frau ihm jetzt nicht plötzlich wieder gleich "stark"

Welteinheit, mit ſeiner flammenden Beleuchtung des „Menſch¬
lichen“ über Mann wie Frau und in Mann wie Frau, mit
ſeiner Idealerfüllung der Ehe nicht bloß als einer wirtſchaft¬
lichen Arbeitsteilung, ſondern als einer ſeeliſchen Schutzgenoſſen¬
ſchaft zweier Individuen auf dem großen Wege zur Welt¬
harmonie. Eine neue Regulierungsſtufe endlich ſteckt in dem
guten und berechtigten Teile des heutigen Freiheitskampfes der
Frau, deſſen Vorboten übrigens auch ſchon auf eine weite Zeit¬
ſpanne zurückgehen.

Für dieſe Kampfesphaſe von heute ſind beſonders zwei
Punkte wichtig, die allerdings noch keineswegs von allen Be¬
teiligten geſehen zu werden pflegen.

[Abbildung]

Das Vorrecht der ſozialen Anführerſchaft verdankte der
Mann, wie geſagt, zunächſt und noch in der Tierwelt ſeiner
phyſiſchen Stärke. Das iſt beim Menſchen lange Zeit nur
weiter unterſtrichen worden: der Mann war der „Krieger“
im Gegenſatz zum phyſiſch hilfloſen Weibe, noch ganz anders
einſeitig als je beim Tier. Aber noch wieder allmählich hat
ſich an Stelle dieſer phyſiſchen Stärke eine intellektuelle, eine
geiſtige geſetzt. Heute tritt in unſerem ganzen Sozialleben
die phyſiſche Stärke ſchon weit zurück gegen die intellektuelle.
Damit iſt aber ein neues Verhältnis geſchaffen für Mann
und Frau. Zunächſt hat der Mann auch mit dieſem In¬
tellekt das Erbe des alten, phyſiſch erworbenen Beſitzes der
Führerſchaft ruhig weiter angetreten. Aber es fragt ſich, ob
das ſo bleiben kann. Es fragt ſich, ob auf dieſem Intellekt¬
boden die Frau ihm jetzt nicht plötzlich wieder gleich „ſtark“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0298" n="284"/>
Welteinheit, mit &#x017F;einer flammenden Beleuchtung des &#x201E;Men&#x017F;ch¬<lb/>
lichen&#x201C; über Mann wie Frau und in Mann wie Frau, mit<lb/>
&#x017F;einer Idealerfüllung der Ehe nicht bloß als einer wirt&#x017F;chaft¬<lb/>
lichen Arbeitsteilung, &#x017F;ondern als einer &#x017F;eeli&#x017F;chen Schutzgeno&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaft zweier Individuen auf dem großen Wege zur Welt¬<lb/>
harmonie. Eine neue Regulierungs&#x017F;tufe endlich &#x017F;teckt in dem<lb/>
guten und berechtigten Teile des heutigen Freiheitskampfes der<lb/>
Frau, de&#x017F;&#x017F;en Vorboten übrigens auch &#x017F;chon auf eine weite Zeit¬<lb/>
&#x017F;panne zurückgehen.</p><lb/>
        <p>Für die&#x017F;e Kampfespha&#x017F;e von heute &#x017F;ind be&#x017F;onders zwei<lb/>
Punkte wichtig, die allerdings noch keineswegs von allen Be¬<lb/>
teiligten ge&#x017F;ehen zu werden pflegen.</p><lb/>
        <figure/>
        <p>Das Vorrecht der &#x017F;ozialen Anführer&#x017F;chaft verdankte der<lb/>
Mann, wie ge&#x017F;agt, zunäch&#x017F;t und noch in der Tierwelt &#x017F;einer<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;chen Stärke. Das i&#x017F;t beim Men&#x017F;chen lange Zeit nur<lb/>
weiter unter&#x017F;trichen worden: der Mann war der &#x201E;Krieger&#x201C;<lb/>
im Gegen&#x017F;atz zum phy&#x017F;i&#x017F;ch hilflo&#x017F;en Weibe, noch ganz anders<lb/>
ein&#x017F;eitig als je beim Tier. Aber noch wieder allmählich hat<lb/>
&#x017F;ich an Stelle die&#x017F;er phy&#x017F;i&#x017F;chen Stärke eine intellektuelle, eine<lb/>
gei&#x017F;tige ge&#x017F;etzt. Heute tritt in un&#x017F;erem ganzen Sozialleben<lb/>
die phy&#x017F;i&#x017F;che Stärke &#x017F;chon weit zurück gegen die intellektuelle.<lb/>
Damit i&#x017F;t aber ein neues Verhältnis ge&#x017F;chaffen für Mann<lb/>
und Frau. Zunäch&#x017F;t hat der Mann auch mit die&#x017F;em In¬<lb/>
tellekt das Erbe des alten, phy&#x017F;i&#x017F;ch erworbenen Be&#x017F;itzes der<lb/>
Führer&#x017F;chaft ruhig weiter angetreten. Aber es fragt &#x017F;ich, ob<lb/>
das &#x017F;o bleiben kann. Es fragt &#x017F;ich, ob auf die&#x017F;em Intellekt¬<lb/>
boden die Frau ihm jetzt nicht plötzlich wieder gleich &#x201E;&#x017F;tark&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0298] Welteinheit, mit ſeiner flammenden Beleuchtung des „Menſch¬ lichen“ über Mann wie Frau und in Mann wie Frau, mit ſeiner Idealerfüllung der Ehe nicht bloß als einer wirtſchaft¬ lichen Arbeitsteilung, ſondern als einer ſeeliſchen Schutzgenoſſen¬ ſchaft zweier Individuen auf dem großen Wege zur Welt¬ harmonie. Eine neue Regulierungsſtufe endlich ſteckt in dem guten und berechtigten Teile des heutigen Freiheitskampfes der Frau, deſſen Vorboten übrigens auch ſchon auf eine weite Zeit¬ ſpanne zurückgehen. Für dieſe Kampfesphaſe von heute ſind beſonders zwei Punkte wichtig, die allerdings noch keineswegs von allen Be¬ teiligten geſehen zu werden pflegen. [Abbildung] Das Vorrecht der ſozialen Anführerſchaft verdankte der Mann, wie geſagt, zunächſt und noch in der Tierwelt ſeiner phyſiſchen Stärke. Das iſt beim Menſchen lange Zeit nur weiter unterſtrichen worden: der Mann war der „Krieger“ im Gegenſatz zum phyſiſch hilfloſen Weibe, noch ganz anders einſeitig als je beim Tier. Aber noch wieder allmählich hat ſich an Stelle dieſer phyſiſchen Stärke eine intellektuelle, eine geiſtige geſetzt. Heute tritt in unſerem ganzen Sozialleben die phyſiſche Stärke ſchon weit zurück gegen die intellektuelle. Damit iſt aber ein neues Verhältnis geſchaffen für Mann und Frau. Zunächſt hat der Mann auch mit dieſem In¬ tellekt das Erbe des alten, phyſiſch erworbenen Beſitzes der Führerſchaft ruhig weiter angetreten. Aber es fragt ſich, ob das ſo bleiben kann. Es fragt ſich, ob auf dieſem Intellekt¬ boden die Frau ihm jetzt nicht plötzlich wieder gleich „ſtark“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/298
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/298>, abgerufen am 25.11.2024.