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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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gegenüber steht, so daß auch da, wo der reine Konkurrenz¬
kampf grob waltete, die Parteien wieder ebenbürtig wären und
sich fortan reinlich in die Führerschaft teilen müßten.

Die beliebte Antwort ist, daß gerade der Intellekt der
Frau erst recht schwächer sei als der des Mannes. Urteiler,
die einer Mode schmeicheln und die Wahrheit dafür in Kauf
geben, haben das zum Überdruß "nachzuweisen" versucht. Es
giebt Einzelfrauen genug, die jede einzeln genügen würden,
diese ganze Spintisiererei in usum des Herrn-Mannes als
absoluten Wert unrettbar ad absurdum zu führen. Trotz¬
dem muß man auf eine Entschuldigung für jene Ansicht
hinweisen, die ihr einen Schein heute von Recht, nicht vor
Einzelfällen des Genies, wohl aber vor der Allgemeinheit, zu
geben pflegt.

Zwischen Intellekt und physischer Kraft besteht eine ge¬
heime Beziehung, die zweifellos im Kern bis in die Urthat¬
sache reicht, daß Körper und Geist innerlich eigentlich ein und
dasselbe Phänomen sind.

Die große Masse unserer heutigen Kulturfrauen (bleiben
wir bloß bei denen jetzt!) ist nun körperlich in einer leichten
Weise degeneriert.

Es ist das der Fluch der Nichtbenutzung der physischen
Kraft bis in Zeiten hinein, wo für diese Nichtbenutzung ab¬
solut kein Sinn und Grund besteht.

Die gangbare Meinung ist ja, das Weib müsse physisch
schwächer sein als der Mann. Früher sagte man, das sei von
Gott so gesetzt, sie sei halt nur eine Rippe, er das Ganze.
Heute wird uns naturwissenschaftlich bewiesen, daß aus so und
so viel anatomischen und physiologischen Gründen ein Mi߬
verhältnis bestehen müsse.

Mindestens soll dem Weibe beständig ein riesiger, nicht
einzuholender Kraftverlust aufgebürdet sein durch seine Ge¬
schlechtsarbeit von der Menstruation bis zum Gebären und
Säugen. Doch auch außerhalb dieser Dinge wird der weib¬

gegenüber ſteht, ſo daß auch da, wo der reine Konkurrenz¬
kampf grob waltete, die Parteien wieder ebenbürtig wären und
ſich fortan reinlich in die Führerſchaft teilen müßten.

Die beliebte Antwort iſt, daß gerade der Intellekt der
Frau erſt recht ſchwächer ſei als der des Mannes. Urteiler,
die einer Mode ſchmeicheln und die Wahrheit dafür in Kauf
geben, haben das zum Überdruß „nachzuweiſen“ verſucht. Es
giebt Einzelfrauen genug, die jede einzeln genügen würden,
dieſe ganze Spintiſiererei in usum des Herrn-Mannes als
abſoluten Wert unrettbar ad absurdum zu führen. Trotz¬
dem muß man auf eine Entſchuldigung für jene Anſicht
hinweiſen, die ihr einen Schein heute von Recht, nicht vor
Einzelfällen des Genies, wohl aber vor der Allgemeinheit, zu
geben pflegt.

Zwiſchen Intellekt und phyſiſcher Kraft beſteht eine ge¬
heime Beziehung, die zweifellos im Kern bis in die Urthat¬
ſache reicht, daß Körper und Geiſt innerlich eigentlich ein und
dasſelbe Phänomen ſind.

Die große Maſſe unſerer heutigen Kulturfrauen (bleiben
wir bloß bei denen jetzt!) iſt nun körperlich in einer leichten
Weiſe degeneriert.

Es iſt das der Fluch der Nichtbenutzung der phyſiſchen
Kraft bis in Zeiten hinein, wo für dieſe Nichtbenutzung ab¬
ſolut kein Sinn und Grund beſteht.

Die gangbare Meinung iſt ja, das Weib müſſe phyſiſch
ſchwächer ſein als der Mann. Früher ſagte man, das ſei von
Gott ſo geſetzt, ſie ſei halt nur eine Rippe, er das Ganze.
Heute wird uns naturwiſſenſchaftlich bewieſen, daß aus ſo und
ſo viel anatomiſchen und phyſiologiſchen Gründen ein Mi߬
verhältnis beſtehen müſſe.

Mindeſtens ſoll dem Weibe beſtändig ein rieſiger, nicht
einzuholender Kraftverluſt aufgebürdet ſein durch ſeine Ge¬
ſchlechtsarbeit von der Menſtruation bis zum Gebären und
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[285/0299] gegenüber ſteht, ſo daß auch da, wo der reine Konkurrenz¬ kampf grob waltete, die Parteien wieder ebenbürtig wären und ſich fortan reinlich in die Führerſchaft teilen müßten. Die beliebte Antwort iſt, daß gerade der Intellekt der Frau erſt recht ſchwächer ſei als der des Mannes. Urteiler, die einer Mode ſchmeicheln und die Wahrheit dafür in Kauf geben, haben das zum Überdruß „nachzuweiſen“ verſucht. Es giebt Einzelfrauen genug, die jede einzeln genügen würden, dieſe ganze Spintiſiererei in usum des Herrn-Mannes als abſoluten Wert unrettbar ad absurdum zu führen. Trotz¬ dem muß man auf eine Entſchuldigung für jene Anſicht hinweiſen, die ihr einen Schein heute von Recht, nicht vor Einzelfällen des Genies, wohl aber vor der Allgemeinheit, zu geben pflegt. Zwiſchen Intellekt und phyſiſcher Kraft beſteht eine ge¬ heime Beziehung, die zweifellos im Kern bis in die Urthat¬ ſache reicht, daß Körper und Geiſt innerlich eigentlich ein und dasſelbe Phänomen ſind. Die große Maſſe unſerer heutigen Kulturfrauen (bleiben wir bloß bei denen jetzt!) iſt nun körperlich in einer leichten Weiſe degeneriert. Es iſt das der Fluch der Nichtbenutzung der phyſiſchen Kraft bis in Zeiten hinein, wo für dieſe Nichtbenutzung ab¬ ſolut kein Sinn und Grund beſteht. Die gangbare Meinung iſt ja, das Weib müſſe phyſiſch ſchwächer ſein als der Mann. Früher ſagte man, das ſei von Gott ſo geſetzt, ſie ſei halt nur eine Rippe, er das Ganze. Heute wird uns naturwiſſenſchaftlich bewieſen, daß aus ſo und ſo viel anatomiſchen und phyſiologiſchen Gründen ein Mi߬ verhältnis beſtehen müſſe. Mindeſtens ſoll dem Weibe beſtändig ein rieſiger, nicht einzuholender Kraftverluſt aufgebürdet ſein durch ſeine Ge¬ ſchlechtsarbeit von der Menſtruation bis zum Gebären und Säugen. Doch auch außerhalb dieſer Dinge wird der weib¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/299>, abgerufen am 22.11.2024.