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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Gasträaden wie dem Hydra-Polypen an aufwärts im System
hat das gesamte Tiervolk einen regelrechten Magen und Darm
-- es sei denn, daß einige wüste schmarotzernde Gesellen, wie
der Bandwurm, ihn nachträglich noch wieder "abgeschafft" haben,
weil's ohne jenen besser ging.

In dieses "Aufwärts" gehörst du also zweifellos auch.
Du bist aber darum doch keine Gasträa und kein Hydra-Polyp.

Ein solcher Polyp hat außen eine Haut und innen einen
Magen. Oben lassen Haut und Magen ein Loch, den Mund.
So einfach bist du wahrlich nicht gebaut.

Zunächst weist dein Magen selber auf etwas hin, was dort
nicht ist. Dein Magen öffnet sich nicht bloß durch eine obere
Verlängerung, die Speiseröhre, in einem Munde, der die
Nahrung aufnimmt. Er geht auch nach hinten weiter durch so
und so viel enge Darm-Fortsetzungen endlich bis zu einer Pforte
am Gegenpol deines Körpers. Was an überflüssigen Resten
der vorne aufgenommenen Nahrung wieder fort soll aus dem
Leibe, das geht hier ab.

Diese Gegen-Pforte steht in unserer alltäglichen Auffassung ja
gar gewaltig im Mißkredit. Jene abgehenden Überschüsse und
Müllstoffe der großen Verdauungsfabrik tragen an der Stirn
eine Art Vermerk oder Warnungstafel, daß sie antimenschlich,
von der inneren Jury des Menschenleibes endgültig verworfen
sind. Durch uralte Gewöhnung und Schutz-Anpassung haben
sich nun die empfindenden Sinne dieses Menschen dahin geeinigt,
vor allem den Geruch dieser Abfuhrstoffe sich als den Geruch
einer schlechterdings unbrauchbaren und vermeidenswerten Sache
einzuprägen. Unser Geist empfängt das vom Leibe wie eine
längst festgestellte und beschlossene Sache. So übernimmt er
diesen Geruch und Begriff als die höchste Summe des Schauder¬
haften, Widerwärtigen, Eklen. Während er in der Aufnahme
der Nahrung mit allen Genüssen schwelgt, vermaledeit er jene
umgekehrte Ecke aufs äußerste. Ein Wörtlein wie Kot wird
ihm zur Bezeichnung alles Niedersten, Menschenunwürdigsten,

Gaſträaden wie dem Hydra-Polypen an aufwärts im Syſtem
hat das geſamte Tiervolk einen regelrechten Magen und Darm
— es ſei denn, daß einige wüſte ſchmarotzernde Geſellen, wie
der Bandwurm, ihn nachträglich noch wieder „abgeſchafft“ haben,
weil's ohne jenen beſſer ging.

In dieſes „Aufwärts“ gehörſt du alſo zweifellos auch.
Du biſt aber darum doch keine Gaſträa und kein Hydra-Polyp.

Ein ſolcher Polyp hat außen eine Haut und innen einen
Magen. Oben laſſen Haut und Magen ein Loch, den Mund.
So einfach biſt du wahrlich nicht gebaut.

Zunächſt weiſt dein Magen ſelber auf etwas hin, was dort
nicht iſt. Dein Magen öffnet ſich nicht bloß durch eine obere
Verlängerung, die Speiſeröhre, in einem Munde, der die
Nahrung aufnimmt. Er geht auch nach hinten weiter durch ſo
und ſo viel enge Darm-Fortſetzungen endlich bis zu einer Pforte
am Gegenpol deines Körpers. Was an überflüſſigen Reſten
der vorne aufgenommenen Nahrung wieder fort ſoll aus dem
Leibe, das geht hier ab.

Dieſe Gegen-Pforte ſteht in unſerer alltäglichen Auffaſſung ja
gar gewaltig im Mißkredit. Jene abgehenden Überſchüſſe und
Müllſtoffe der großen Verdauungsfabrik tragen an der Stirn
eine Art Vermerk oder Warnungstafel, daß ſie antimenſchlich,
von der inneren Jury des Menſchenleibes endgültig verworfen
ſind. Durch uralte Gewöhnung und Schutz-Anpaſſung haben
ſich nun die empfindenden Sinne dieſes Menſchen dahin geeinigt,
vor allem den Geruch dieſer Abfuhrſtoffe ſich als den Geruch
einer ſchlechterdings unbrauchbaren und vermeidenswerten Sache
einzuprägen. Unſer Geiſt empfängt das vom Leibe wie eine
längſt feſtgeſtellte und beſchloſſene Sache. So übernimmt er
dieſen Geruch und Begriff als die höchſte Summe des Schauder¬
haften, Widerwärtigen, Eklen. Während er in der Aufnahme
der Nahrung mit allen Genüſſen ſchwelgt, vermaledeit er jene
umgekehrte Ecke aufs äußerſte. Ein Wörtlein wie Kot wird
ihm zur Bezeichnung alles Niederſten, Menſchenunwürdigſten,

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[69/0085] Gaſträaden wie dem Hydra-Polypen an aufwärts im Syſtem hat das geſamte Tiervolk einen regelrechten Magen und Darm — es ſei denn, daß einige wüſte ſchmarotzernde Geſellen, wie der Bandwurm, ihn nachträglich noch wieder „abgeſchafft“ haben, weil's ohne jenen beſſer ging. In dieſes „Aufwärts“ gehörſt du alſo zweifellos auch. Du biſt aber darum doch keine Gaſträa und kein Hydra-Polyp. Ein ſolcher Polyp hat außen eine Haut und innen einen Magen. Oben laſſen Haut und Magen ein Loch, den Mund. So einfach biſt du wahrlich nicht gebaut. Zunächſt weiſt dein Magen ſelber auf etwas hin, was dort nicht iſt. Dein Magen öffnet ſich nicht bloß durch eine obere Verlängerung, die Speiſeröhre, in einem Munde, der die Nahrung aufnimmt. Er geht auch nach hinten weiter durch ſo und ſo viel enge Darm-Fortſetzungen endlich bis zu einer Pforte am Gegenpol deines Körpers. Was an überflüſſigen Reſten der vorne aufgenommenen Nahrung wieder fort ſoll aus dem Leibe, das geht hier ab. Dieſe Gegen-Pforte ſteht in unſerer alltäglichen Auffaſſung ja gar gewaltig im Mißkredit. Jene abgehenden Überſchüſſe und Müllſtoffe der großen Verdauungsfabrik tragen an der Stirn eine Art Vermerk oder Warnungstafel, daß ſie antimenſchlich, von der inneren Jury des Menſchenleibes endgültig verworfen ſind. Durch uralte Gewöhnung und Schutz-Anpaſſung haben ſich nun die empfindenden Sinne dieſes Menſchen dahin geeinigt, vor allem den Geruch dieſer Abfuhrſtoffe ſich als den Geruch einer ſchlechterdings unbrauchbaren und vermeidenswerten Sache einzuprägen. Unſer Geiſt empfängt das vom Leibe wie eine längſt feſtgeſtellte und beſchloſſene Sache. So übernimmt er dieſen Geruch und Begriff als die höchſte Summe des Schauder¬ haften, Widerwärtigen, Eklen. Während er in der Aufnahme der Nahrung mit allen Genüſſen ſchwelgt, vermaledeit er jene umgekehrte Ecke aufs äußerſte. Ein Wörtlein wie Kot wird ihm zur Bezeichnung alles Niederſten, Menſchenunwürdigſten,

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/85>, abgerufen am 24.11.2024.