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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Verabscheuenswertesten. Wo es nach Kot riecht, da hebt die
Hölle an. Das ist nun an sich eine sinnreiche Sache, auch
eine jener uralten Nützlichkeits-Weisheiten gleichsam des Leibes,
die wir jungen Geisteskinder sogleich mitbekommen haben --
wenn schon es in etwas hausbacken grober Form geschah. Im
Sinne einer groben Nützlichkeit war es jedenfalls von hohem
Gewinn, daß den armen dummen Entwickelungskindern so hahne¬
büchen wie möglich eingepaukt wurde: das, was hier an eurem
Gegenpol abgeht, das ist absolut verbrauchtes Zeug, ist genau
das, was ihr nicht brauchen könnt, was euer Zellenleib nicht
in sich aufnehmen konnte -- also freßt das bloß nicht noch
einmal auf, um eurem Magen und Darm noch einmal dieselbe
verlorene Liebesmüh zu machen. Als die Sinne das endlich
wirklich eingepaukt hatten durch so und so viel Erfahrungen
vieler Generationen, sagten sie beim Anblick solcher Stoffe ganz
konsequent "Pfui". Der am unmittelbarsten reagierende Sinn,
die Nase, sagte "Das stinkt". Endlich hinkte der sogenannte
Geist nach (das heißt das obere Stockwerk großer Zusammen¬
schlüsse von einer höheren Individualität aus) und sagte: Diese
Gegenpols-Sachen sind "unanständig" -- man schweigt sie tot,
nimmt sie selbst sprachlich und ideell nicht mehr in den Mund.
Das ist nun alles sehr gut. Unsere unbefangene Betrachtung
aber, der in einem nochmals höheren Erkenntnislicht der Leib
abermals rein ist als heiliges Erkenntnisobjekt ohne jedes prak¬
tische Mittelchen der gewöhnlichen Dutzend-Nützlichkeit, -- sie
darf trotzdem vom After und seiner Weisheit sich genau so
belehren lassen, wie von der des Mundes.

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Verabſcheuenswerteſten. Wo es nach Kot riecht, da hebt die
Hölle an. Das iſt nun an ſich eine ſinnreiche Sache, auch
eine jener uralten Nützlichkeits-Weisheiten gleichſam des Leibes,
die wir jungen Geiſteskinder ſogleich mitbekommen haben —
wenn ſchon es in etwas hausbacken grober Form geſchah. Im
Sinne einer groben Nützlichkeit war es jedenfalls von hohem
Gewinn, daß den armen dummen Entwickelungskindern ſo hahne¬
büchen wie möglich eingepaukt wurde: das, was hier an eurem
Gegenpol abgeht, das iſt abſolut verbrauchtes Zeug, iſt genau
das, was ihr nicht brauchen könnt, was euer Zellenleib nicht
in ſich aufnehmen konnte — alſo freßt das bloß nicht noch
einmal auf, um eurem Magen und Darm noch einmal dieſelbe
verlorene Liebesmüh zu machen. Als die Sinne das endlich
wirklich eingepaukt hatten durch ſo und ſo viel Erfahrungen
vieler Generationen, ſagten ſie beim Anblick ſolcher Stoffe ganz
konſequent „Pfui“. Der am unmittelbarſten reagierende Sinn,
die Naſe, ſagte „Das ſtinkt“. Endlich hinkte der ſogenannte
Geiſt nach (das heißt das obere Stockwerk großer Zuſammen¬
ſchlüſſe von einer höheren Individualität aus) und ſagte: Dieſe
Gegenpols-Sachen ſind „unanſtändig“ — man ſchweigt ſie tot,
nimmt ſie ſelbſt ſprachlich und ideell nicht mehr in den Mund.
Das iſt nun alles ſehr gut. Unſere unbefangene Betrachtung
aber, der in einem nochmals höheren Erkenntnislicht der Leib
abermals rein iſt als heiliges Erkenntnisobjekt ohne jedes prak¬
tiſche Mittelchen der gewöhnlichen Dutzend-Nützlichkeit, — ſie
darf trotzdem vom After und ſeiner Weisheit ſich genau ſo
belehren laſſen, wie von der des Mundes.

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[70/0086] Verabſcheuenswerteſten. Wo es nach Kot riecht, da hebt die Hölle an. Das iſt nun an ſich eine ſinnreiche Sache, auch eine jener uralten Nützlichkeits-Weisheiten gleichſam des Leibes, die wir jungen Geiſteskinder ſogleich mitbekommen haben — wenn ſchon es in etwas hausbacken grober Form geſchah. Im Sinne einer groben Nützlichkeit war es jedenfalls von hohem Gewinn, daß den armen dummen Entwickelungskindern ſo hahne¬ büchen wie möglich eingepaukt wurde: das, was hier an eurem Gegenpol abgeht, das iſt abſolut verbrauchtes Zeug, iſt genau das, was ihr nicht brauchen könnt, was euer Zellenleib nicht in ſich aufnehmen konnte — alſo freßt das bloß nicht noch einmal auf, um eurem Magen und Darm noch einmal dieſelbe verlorene Liebesmüh zu machen. Als die Sinne das endlich wirklich eingepaukt hatten durch ſo und ſo viel Erfahrungen vieler Generationen, ſagten ſie beim Anblick ſolcher Stoffe ganz konſequent „Pfui“. Der am unmittelbarſten reagierende Sinn, die Naſe, ſagte „Das ſtinkt“. Endlich hinkte der ſogenannte Geiſt nach (das heißt das obere Stockwerk großer Zuſammen¬ ſchlüſſe von einer höheren Individualität aus) und ſagte: Dieſe Gegenpols-Sachen ſind „unanſtändig“ — man ſchweigt ſie tot, nimmt ſie ſelbſt ſprachlich und ideell nicht mehr in den Mund. Das iſt nun alles ſehr gut. Unſere unbefangene Betrachtung aber, der in einem nochmals höheren Erkenntnislicht der Leib abermals rein iſt als heiliges Erkenntnisobjekt ohne jedes prak¬ tiſche Mittelchen der gewöhnlichen Dutzend-Nützlichkeit, — ſie darf trotzdem vom After und ſeiner Weisheit ſich genau ſo belehren laſſen, wie von der des Mundes. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/86>, abgerufen am 24.11.2024.