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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Ich sage grob bildlich: Licht fällt auf eine Körperfläche.
Es ist einfache Wirkung der Lagerung kleiner Teilchen in
dieser Fläche, wie das Licht behandelt wird: ob diese Licht¬
strahlen verschluckt, jene zurückgestrahlt werden. Eine be¬
stimmte Lagerung dieser Art bedingt beispielsweise, daß die
grünen Strahlen zurückgestrahlt werden, -- daß also die
Körperfläche im ganzen grün erscheint.

Eine solche Lagerung, die Grün erzeugt, haben nun die
Teilchen des grünen Blattes, auf dem der Laubfrosch sitzt.
Wäre es nicht möglich, daß bei längerem Aufenthalt die
Teilchen seiner Hautdecke sich dieser Richtung ihrer Unterlage¬
teilchen nach Kräften annäherten?

Du könntest dir das rein physikalisch denken. Nimm ein
Verhältnis an wie zwischen zwei Drähten, in deren einem ein
elektrischer Strom läuft und im anderen einen Induktionsstrom
erzeugt. Oder nimm einen Krystall, der, in eine Lösung ge¬
taucht, eine bestimmte "Richtkraft" auf die neu sich bildenden
Kristalle dieser Lösung ausübt und sie zu seiner bestimmten
Form nötigt. Ganz ähnlich stellten sich Teilchen der Laub¬
froschhaut allmählich auf die Richtung der Teilchen der Blatt¬
haut wie kleine Magnetnadeln ein -- und das Ergebnis wäre
ein grün werdender Laubfrosch. Eine bestimmte Macht
erzöge entgegenkommend grüne Varietäten. Und mit denen
hätte dann der Daseinskampf, in dem gerade "Grün" hier
Schutz bedeutet, leichtes Spiel zum endgültigen Züchten einer
grünen Art gehabt ....

Da es sich bei der Laubfroschhaut übrigens um lebende
Zellen (und wenigstens Produkte solcher) handelt, so könntest
du die Sache auch "seelisch" erzählen.

Also Zellteilchen der Froschhaut empfänden durch irgend
einen eigentümlichen Reiz die räumliche Lagerung der Blatt¬
teilchen so lange als "unangenehm", bis sie sich möglichst in
derselben Ordnung gelagert hätten. Es erfolgte also die Grün-
Werdung des Laubfroschs ursprünglich aus einem Harmonie-

Ich ſage grob bildlich: Licht fällt auf eine Körperfläche.
Es iſt einfache Wirkung der Lagerung kleiner Teilchen in
dieſer Fläche, wie das Licht behandelt wird: ob dieſe Licht¬
ſtrahlen verſchluckt, jene zurückgeſtrahlt werden. Eine be¬
ſtimmte Lagerung dieſer Art bedingt beiſpielsweiſe, daß die
grünen Strahlen zurückgeſtrahlt werden, — daß alſo die
Körperfläche im ganzen grün erſcheint.

Eine ſolche Lagerung, die Grün erzeugt, haben nun die
Teilchen des grünen Blattes, auf dem der Laubfroſch ſitzt.
Wäre es nicht möglich, daß bei längerem Aufenthalt die
Teilchen ſeiner Hautdecke ſich dieſer Richtung ihrer Unterlage¬
teilchen nach Kräften annäherten?

Du könnteſt dir das rein phyſikaliſch denken. Nimm ein
Verhältnis an wie zwiſchen zwei Drähten, in deren einem ein
elektriſcher Strom läuft und im anderen einen Induktionsſtrom
erzeugt. Oder nimm einen Kryſtall, der, in eine Löſung ge¬
taucht, eine beſtimmte „Richtkraft“ auf die neu ſich bildenden
Kriſtalle dieſer Löſung ausübt und ſie zu ſeiner beſtimmten
Form nötigt. Ganz ähnlich ſtellten ſich Teilchen der Laub¬
froſchhaut allmählich auf die Richtung der Teilchen der Blatt¬
haut wie kleine Magnetnadeln ein — und das Ergebnis wäre
ein grün werdender Laubfroſch. Eine beſtimmte Macht
erzöge entgegenkommend grüne Varietäten. Und mit denen
hätte dann der Daſeinskampf, in dem gerade „Grün“ hier
Schutz bedeutet, leichtes Spiel zum endgültigen Züchten einer
grünen Art gehabt ....

Da es ſich bei der Laubfroſchhaut übrigens um lebende
Zellen (und wenigſtens Produkte ſolcher) handelt, ſo könnteſt
du die Sache auch „ſeeliſch“ erzählen.

Alſo Zellteilchen der Froſchhaut empfänden durch irgend
einen eigentümlichen Reiz die räumliche Lagerung der Blatt¬
teilchen ſo lange als „unangenehm“, bis ſie ſich möglichſt in
derſelben Ordnung gelagert hätten. Es erfolgte alſo die Grün-
Werdung des Laubfroſchs urſprünglich aus einem Harmonie-

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[390/0406] Ich ſage grob bildlich: Licht fällt auf eine Körperfläche. Es iſt einfache Wirkung der Lagerung kleiner Teilchen in dieſer Fläche, wie das Licht behandelt wird: ob dieſe Licht¬ ſtrahlen verſchluckt, jene zurückgeſtrahlt werden. Eine be¬ ſtimmte Lagerung dieſer Art bedingt beiſpielsweiſe, daß die grünen Strahlen zurückgeſtrahlt werden, — daß alſo die Körperfläche im ganzen grün erſcheint. Eine ſolche Lagerung, die Grün erzeugt, haben nun die Teilchen des grünen Blattes, auf dem der Laubfroſch ſitzt. Wäre es nicht möglich, daß bei längerem Aufenthalt die Teilchen ſeiner Hautdecke ſich dieſer Richtung ihrer Unterlage¬ teilchen nach Kräften annäherten? Du könnteſt dir das rein phyſikaliſch denken. Nimm ein Verhältnis an wie zwiſchen zwei Drähten, in deren einem ein elektriſcher Strom läuft und im anderen einen Induktionsſtrom erzeugt. Oder nimm einen Kryſtall, der, in eine Löſung ge¬ taucht, eine beſtimmte „Richtkraft“ auf die neu ſich bildenden Kriſtalle dieſer Löſung ausübt und ſie zu ſeiner beſtimmten Form nötigt. Ganz ähnlich ſtellten ſich Teilchen der Laub¬ froſchhaut allmählich auf die Richtung der Teilchen der Blatt¬ haut wie kleine Magnetnadeln ein — und das Ergebnis wäre ein grün werdender Laubfroſch. Eine beſtimmte Macht erzöge entgegenkommend grüne Varietäten. Und mit denen hätte dann der Daſeinskampf, in dem gerade „Grün“ hier Schutz bedeutet, leichtes Spiel zum endgültigen Züchten einer grünen Art gehabt .... Da es ſich bei der Laubfroſchhaut übrigens um lebende Zellen (und wenigſtens Produkte ſolcher) handelt, ſo könnteſt du die Sache auch „ſeeliſch“ erzählen. Alſo Zellteilchen der Froſchhaut empfänden durch irgend einen eigentümlichen Reiz die räumliche Lagerung der Blatt¬ teilchen ſo lange als „unangenehm“, bis ſie ſich möglichſt in derſelben Ordnung gelagert hätten. Es erfolgte alſo die Grün- Werdung des Laubfroſchs urſprünglich aus einem Harmonie-

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/406>, abgerufen am 27.04.2024.