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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Bedürfnis, -- doch nicht dem seines Gehirns, sondern direkt
dem seiner Hautteilchen.

Doch einerlei, ob seelische oder physikalische Deutung: das
Ergebnis bliebe so wie so. Es arbeitete etwas der groben
Schutzauslese im Überleben der Passendsten schon entgegen: von
Anfang an zeigte sich eine Variations-Tendenz zu Grün, die
der Daseinskampf bloß zu hätscheln brauchte, um ein Geschlecht
schließlich absolut grüner Laubfrösche zu erzeugen.

Jetzt in diese Unterschicht entgegenkommender Wirkungen
von den kleinen Lebensteilchen der Körperoberfläche aus hättest
du also bei den Prämissen der geschlechtlichen Zuchtwahl auch
einzutauchen. (Immer im Apercu, nicht wahr?) Hier handelte
es sich aber nicht um physikalisch konforme oder seelisch har¬
monische Anpassungs-Lagerungen kleiner organischer Deckteilchen.
Der Paradiesvogel-Mann entwickelt ja nicht rot-grün-weiße
Helgolandfedern, weil er etwa auf einem Helgoland sitzt, wo
rot die Kant, grün das Land, weiß der Sand ist.

Sondern es handelt sich, um es kurz heraus zu sagen,
darum, ob in der organischen Welt ein besonderes rhyth¬
misches Prinzip noch walte
.

Ein Prinzip, das lebendige Teile, die eine rote Feder
gebildet, zwingen könnte, aus (physikalischen wie psychischen)
Gründen daneben gelegentlich eine grüne Feder zu setzen und
wiederum in Ergänzung eine weiße nach der Skala ungefähr
unseres menschlichen ästhetischen Gehirn-Empfindens. Ein
Prinzip, das also solchergestalt, wenn schon in roher Anlage
nur, an einem und demselben Tierkörper der geschlechtlichen
Zuchtwahl ihr Material schon entgegengebracht hätte.

Es ist nicht zu leugnen, daß solchem rhythmischen Prinzip
von unten auf im Organischen vielerlei in die Hände arbeitet.
Ich will jetzt nicht, woran du vielleicht bei der Ganz¬
natur denkst, fragen, wer die Doppelsterne etwa so für
jeden Astronomen auffällig in Komplementärfarben gesondert
und wer die Krystalle gefügt hat, -- das könnte zu sehr ins

Bedürfnis, — doch nicht dem ſeines Gehirns, ſondern direkt
dem ſeiner Hautteilchen.

Doch einerlei, ob ſeeliſche oder phyſikaliſche Deutung: das
Ergebnis bliebe ſo wie ſo. Es arbeitete etwas der groben
Schutzausleſe im Überleben der Paſſendſten ſchon entgegen: von
Anfang an zeigte ſich eine Variations-Tendenz zu Grün, die
der Daſeinskampf bloß zu hätſcheln brauchte, um ein Geſchlecht
ſchließlich abſolut grüner Laubfröſche zu erzeugen.

Jetzt in dieſe Unterſchicht entgegenkommender Wirkungen
von den kleinen Lebensteilchen der Körperoberfläche aus hätteſt
du alſo bei den Prämiſſen der geſchlechtlichen Zuchtwahl auch
einzutauchen. (Immer im Aperçu, nicht wahr?) Hier handelte
es ſich aber nicht um phyſikaliſch konforme oder ſeeliſch har¬
moniſche Anpaſſungs-Lagerungen kleiner organiſcher Deckteilchen.
Der Paradiesvogel-Mann entwickelt ja nicht rot-grün-weiße
Helgolandfedern, weil er etwa auf einem Helgoland ſitzt, wo
rot die Kant, grün das Land, weiß der Sand iſt.

Sondern es handelt ſich, um es kurz heraus zu ſagen,
darum, ob in der organiſchen Welt ein beſonderes rhyth¬
miſches Prinzip noch walte
.

Ein Prinzip, das lebendige Teile, die eine rote Feder
gebildet, zwingen könnte, aus (phyſikaliſchen wie pſychiſchen)
Gründen daneben gelegentlich eine grüne Feder zu ſetzen und
wiederum in Ergänzung eine weiße nach der Skala ungefähr
unſeres menſchlichen äſthetiſchen Gehirn-Empfindens. Ein
Prinzip, das alſo ſolchergeſtalt, wenn ſchon in roher Anlage
nur, an einem und demſelben Tierkörper der geſchlechtlichen
Zuchtwahl ihr Material ſchon entgegengebracht hätte.

Es iſt nicht zu leugnen, daß ſolchem rhythmiſchen Prinzip
von unten auf im Organiſchen vielerlei in die Hände arbeitet.
Ich will jetzt nicht, woran du vielleicht bei der Ganz¬
natur denkſt, fragen, wer die Doppelſterne etwa ſo für
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[391/0407] Bedürfnis, — doch nicht dem ſeines Gehirns, ſondern direkt dem ſeiner Hautteilchen. Doch einerlei, ob ſeeliſche oder phyſikaliſche Deutung: das Ergebnis bliebe ſo wie ſo. Es arbeitete etwas der groben Schutzausleſe im Überleben der Paſſendſten ſchon entgegen: von Anfang an zeigte ſich eine Variations-Tendenz zu Grün, die der Daſeinskampf bloß zu hätſcheln brauchte, um ein Geſchlecht ſchließlich abſolut grüner Laubfröſche zu erzeugen. Jetzt in dieſe Unterſchicht entgegenkommender Wirkungen von den kleinen Lebensteilchen der Körperoberfläche aus hätteſt du alſo bei den Prämiſſen der geſchlechtlichen Zuchtwahl auch einzutauchen. (Immer im Aperçu, nicht wahr?) Hier handelte es ſich aber nicht um phyſikaliſch konforme oder ſeeliſch har¬ moniſche Anpaſſungs-Lagerungen kleiner organiſcher Deckteilchen. Der Paradiesvogel-Mann entwickelt ja nicht rot-grün-weiße Helgolandfedern, weil er etwa auf einem Helgoland ſitzt, wo rot die Kant, grün das Land, weiß der Sand iſt. Sondern es handelt ſich, um es kurz heraus zu ſagen, darum, ob in der organiſchen Welt ein beſonderes rhyth¬ miſches Prinzip noch walte. Ein Prinzip, das lebendige Teile, die eine rote Feder gebildet, zwingen könnte, aus (phyſikaliſchen wie pſychiſchen) Gründen daneben gelegentlich eine grüne Feder zu ſetzen und wiederum in Ergänzung eine weiße nach der Skala ungefähr unſeres menſchlichen äſthetiſchen Gehirn-Empfindens. Ein Prinzip, das alſo ſolchergeſtalt, wenn ſchon in roher Anlage nur, an einem und demſelben Tierkörper der geſchlechtlichen Zuchtwahl ihr Material ſchon entgegengebracht hätte. Es iſt nicht zu leugnen, daß ſolchem rhythmiſchen Prinzip von unten auf im Organiſchen vielerlei in die Hände arbeitet. Ich will jetzt nicht, woran du vielleicht bei der Ganz¬ natur denkſt, fragen, wer die Doppelſterne etwa ſo für jeden Aſtronomen auffällig in Komplementärfarben geſondert und wer die Kryſtalle gefügt hat, — das könnte zu ſehr ins

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/407>, abgerufen am 28.04.2024.