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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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merkwürdige Eigenschaft, daß sie immerfort auf die Thatsache
einer tieferen Schicht herabdeutet, -- und daß sie in dieser
Schicht zugleich vor das große Problem führt, ob von dieser
Schicht etwas der Auslese entgegenarbeitet oder nicht.

Nimm Darwins einfache Zuchtwahl-Theorie.

Auf grünem Zweig leben Laubfrösche. Sie zeigen ver¬
schiedene Farbenvarietäten. Darunter auch grüne. Im Daseins¬
kampfe bleiben bloß die grünen fort und fort erhalten und
pflanzen sich immer grüner fort, sintemalen Grün auf Grün
allein die Schutzfarbe ist, die für Feind und Beutetier möglichst
unsichtbar macht. Das ist äußerst plausibel und schließt die
alte hausbackene Herrgotts-Zwecktheorie vollkommen aus.

Aber es bleibt die Grundsache, daß die grüne Variante
eben gelegentlich auftauchen muß. Ja es läßt sich nicht leugnen:
sie mußte früh, mußte oft erscheinen, sonst kam die Sache
wohl nicht vor Vernichtung des ganzen Froschvolkes ins helfende
Schutzgeleise. Auch ohne jede altertümliche Zwecktheorie ist
also die Frage laut geworden: kam nicht der Entstehung gerade
grüner Varianten doch von Beginn an etwas entgegen, so
daß die natürliche Zuchtwahl bloß mit ihrer schnellen Logik
nachzuhelfen und zu fixieren brauchte?

Der Nachweis solchen Entgegenkommens brauchte wohl¬
verstanden keineswegs in die alte Zwecktheorie zurückzufallen,
sondern er konnte recht so "mechanisch" oder besser so logisch
im naturwissenschaftlichen Kausalitätssinne sein, wie nur irgend
ein Teil der weiteren Darwinschen Theorie.

Als Apercu wieder magst du dir da einmal folgenden
Gedanken bei der Anpassungs-Zuchtwahl der Laubfrösche aus¬
gestalten.

Es sei jetzt nicht untersucht, wie Farben im Einzelnen in
tierischen Hautzellen oder sonstwo entstehen. Ich lasse alle
mir soweit wohlbekannte Bildung von bestimmten Farb-
Pigmenten mit so und so viel Mineraleinlagen beiseite, ebenso
alle sogenannten Interferenz-Farben, und so weiter.

merkwürdige Eigenſchaft, daß ſie immerfort auf die Thatſache
einer tieferen Schicht herabdeutet, — und daß ſie in dieſer
Schicht zugleich vor das große Problem führt, ob von dieſer
Schicht etwas der Ausleſe entgegenarbeitet oder nicht.

Nimm Darwins einfache Zuchtwahl-Theorie.

Auf grünem Zweig leben Laubfröſche. Sie zeigen ver¬
ſchiedene Farbenvarietäten. Darunter auch grüne. Im Daſeins¬
kampfe bleiben bloß die grünen fort und fort erhalten und
pflanzen ſich immer grüner fort, ſintemalen Grün auf Grün
allein die Schutzfarbe iſt, die für Feind und Beutetier möglichſt
unſichtbar macht. Das iſt äußerſt plauſibel und ſchließt die
alte hausbackene Herrgotts-Zwecktheorie vollkommen aus.

Aber es bleibt die Grundſache, daß die grüne Variante
eben gelegentlich auftauchen muß. Ja es läßt ſich nicht leugnen:
ſie mußte früh, mußte oft erſcheinen, ſonſt kam die Sache
wohl nicht vor Vernichtung des ganzen Froſchvolkes ins helfende
Schutzgeleiſe. Auch ohne jede altertümliche Zwecktheorie iſt
alſo die Frage laut geworden: kam nicht der Entſtehung gerade
grüner Varianten doch von Beginn an etwas entgegen, ſo
daß die natürliche Zuchtwahl bloß mit ihrer ſchnellen Logik
nachzuhelfen und zu fixieren brauchte?

Der Nachweis ſolchen Entgegenkommens brauchte wohl¬
verſtanden keineswegs in die alte Zwecktheorie zurückzufallen,
ſondern er konnte recht ſo „mechaniſch“ oder beſſer ſo logiſch
im naturwiſſenſchaftlichen Kauſalitätsſinne ſein, wie nur irgend
ein Teil der weiteren Darwinſchen Theorie.

Als Aperçu wieder magſt du dir da einmal folgenden
Gedanken bei der Anpaſſungs-Zuchtwahl der Laubfröſche aus¬
geſtalten.

Es ſei jetzt nicht unterſucht, wie Farben im Einzelnen in
tieriſchen Hautzellen oder ſonſtwo entſtehen. Ich laſſe alle
mir ſoweit wohlbekannte Bildung von beſtimmten Farb-
Pigmenten mit ſo und ſo viel Mineraleinlagen beiſeite, ebenſo
alle ſogenannten Interferenz-Farben, und ſo weiter.

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[389/0405] merkwürdige Eigenſchaft, daß ſie immerfort auf die Thatſache einer tieferen Schicht herabdeutet, — und daß ſie in dieſer Schicht zugleich vor das große Problem führt, ob von dieſer Schicht etwas der Ausleſe entgegenarbeitet oder nicht. Nimm Darwins einfache Zuchtwahl-Theorie. Auf grünem Zweig leben Laubfröſche. Sie zeigen ver¬ ſchiedene Farbenvarietäten. Darunter auch grüne. Im Daſeins¬ kampfe bleiben bloß die grünen fort und fort erhalten und pflanzen ſich immer grüner fort, ſintemalen Grün auf Grün allein die Schutzfarbe iſt, die für Feind und Beutetier möglichſt unſichtbar macht. Das iſt äußerſt plauſibel und ſchließt die alte hausbackene Herrgotts-Zwecktheorie vollkommen aus. Aber es bleibt die Grundſache, daß die grüne Variante eben gelegentlich auftauchen muß. Ja es läßt ſich nicht leugnen: ſie mußte früh, mußte oft erſcheinen, ſonſt kam die Sache wohl nicht vor Vernichtung des ganzen Froſchvolkes ins helfende Schutzgeleiſe. Auch ohne jede altertümliche Zwecktheorie iſt alſo die Frage laut geworden: kam nicht der Entſtehung gerade grüner Varianten doch von Beginn an etwas entgegen, ſo daß die natürliche Zuchtwahl bloß mit ihrer ſchnellen Logik nachzuhelfen und zu fixieren brauchte? Der Nachweis ſolchen Entgegenkommens brauchte wohl¬ verſtanden keineswegs in die alte Zwecktheorie zurückzufallen, ſondern er konnte recht ſo „mechaniſch“ oder beſſer ſo logiſch im naturwiſſenſchaftlichen Kauſalitätsſinne ſein, wie nur irgend ein Teil der weiteren Darwinſchen Theorie. Als Aperçu wieder magſt du dir da einmal folgenden Gedanken bei der Anpaſſungs-Zuchtwahl der Laubfröſche aus¬ geſtalten. Es ſei jetzt nicht unterſucht, wie Farben im Einzelnen in tieriſchen Hautzellen oder ſonſtwo entſtehen. Ich laſſe alle mir ſoweit wohlbekannte Bildung von beſtimmten Farb- Pigmenten mit ſo und ſo viel Mineraleinlagen beiſeite, ebenſo alle ſogenannten Interferenz-Farben, und ſo weiter.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/405>, abgerufen am 28.04.2024.