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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Federn geschlossen, die nun abermals treu gepflegt und so kon¬
serviert worden ist.

Auch in Darwins Sinne kann hier nichts entgegenstehen,
wenn man sagt: diese zunächst regellos auftretende lebhafte
Färbung einzelner Federn überhaupt dürfte wohl in jenem
Sinne der gesteigerten Erregung des Vogels in der Liebeszeit
ganz im allgemeinen zuzuschreiben sein. So gerätst du auch
von hier wenigstens an die Grenze jenes dunklen Punktes der
anderen Betrachtungsart. Der Körper des Männchens thut
jedenfalls auch aus sich etwas hinzu. Er liefert eine Art Pa¬
lette, aus deren regellosen Farben dann das Auge und Gehirn
der Weibchen von so und so viel Generationen erst den ästhe¬
tisch schönen Farbenrythmus allmählich herausdestillieren.

Hier könnte sich bei dir nun die Frage wenigstens ein¬
stellen, ob dieser rhythmischen Wahl nicht vom Federkleide, also
allgemeiner gesprochen, der Haut des Paradiesvogelmännchens
aus doch auch schon etwas selber Rhythmisches, ästhetisch Ord¬
nendes entgegengearbeitet hat.

Wohl verstanden: nicht vom Gehirn des Vogelmannes.
Das wird hier nach wie vor so wenig Macht gehabt haben,
wie wir Menschen regelrechter Weise etwa durch reines "Denken"
von Rot, Grün, Weiß nun auch unsere Haut entsprechend
färben können, oder so wenig wir überhaupt Macht über unseren
Körper und seine Organe direkt von Innen heraus aus unserer
"Bewußtheit" zu besitzen pflegen.

Aber wir haben ja so vielfältig vom "Leibe" als tieferer
selbständiger Schicht der Individualität gesprochen. Laß also
die Hautzellen einmal eine selbständige Macht am Vogel sein
und überlege, ob die nicht ganz für sich in einem Stadium der
höchsten Energie des gesamten Organismus, das bis in jede
Zelle wetterleuchtet, etwas vermöchte, das jenes "Entgegen¬
kommen" thatsächlich ermöglichte.

Darwins ganze Idee von der Auslese der Passendsten
(hier im Falle sind es die ästhetisch Passendsten!) hat ja die

Federn geſchloſſen, die nun abermals treu gepflegt und ſo kon¬
ſerviert worden iſt.

Auch in Darwins Sinne kann hier nichts entgegenſtehen,
wenn man ſagt: dieſe zunächſt regellos auftretende lebhafte
Färbung einzelner Federn überhaupt dürfte wohl in jenem
Sinne der geſteigerten Erregung des Vogels in der Liebeszeit
ganz im allgemeinen zuzuſchreiben ſein. So gerätſt du auch
von hier wenigſtens an die Grenze jenes dunklen Punktes der
anderen Betrachtungsart. Der Körper des Männchens thut
jedenfalls auch aus ſich etwas hinzu. Er liefert eine Art Pa¬
lette, aus deren regelloſen Farben dann das Auge und Gehirn
der Weibchen von ſo und ſo viel Generationen erſt den äſthe¬
tiſch ſchönen Farbenrythmus allmählich herausdeſtillieren.

Hier könnte ſich bei dir nun die Frage wenigſtens ein¬
ſtellen, ob dieſer rhythmiſchen Wahl nicht vom Federkleide, alſo
allgemeiner geſprochen, der Haut des Paradiesvogelmännchens
aus doch auch ſchon etwas ſelber Rhythmiſches, äſthetiſch Ord¬
nendes entgegengearbeitet hat.

Wohl verſtanden: nicht vom Gehirn des Vogelmannes.
Das wird hier nach wie vor ſo wenig Macht gehabt haben,
wie wir Menſchen regelrechter Weiſe etwa durch reines „Denken“
von Rot, Grün, Weiß nun auch unſere Haut entſprechend
färben können, oder ſo wenig wir überhaupt Macht über unſeren
Körper und ſeine Organe direkt von Innen heraus aus unſerer
„Bewußtheit“ zu beſitzen pflegen.

Aber wir haben ja ſo vielfältig vom „Leibe“ als tieferer
ſelbſtändiger Schicht der Individualität geſprochen. Laß alſo
die Hautzellen einmal eine ſelbſtändige Macht am Vogel ſein
und überlege, ob die nicht ganz für ſich in einem Stadium der
höchſten Energie des geſamten Organismus, das bis in jede
Zelle wetterleuchtet, etwas vermöchte, das jenes „Entgegen¬
kommen“ thatſächlich ermöglichte.

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[388/0404] Federn geſchloſſen, die nun abermals treu gepflegt und ſo kon¬ ſerviert worden iſt. Auch in Darwins Sinne kann hier nichts entgegenſtehen, wenn man ſagt: dieſe zunächſt regellos auftretende lebhafte Färbung einzelner Federn überhaupt dürfte wohl in jenem Sinne der geſteigerten Erregung des Vogels in der Liebeszeit ganz im allgemeinen zuzuſchreiben ſein. So gerätſt du auch von hier wenigſtens an die Grenze jenes dunklen Punktes der anderen Betrachtungsart. Der Körper des Männchens thut jedenfalls auch aus ſich etwas hinzu. Er liefert eine Art Pa¬ lette, aus deren regelloſen Farben dann das Auge und Gehirn der Weibchen von ſo und ſo viel Generationen erſt den äſthe¬ tiſch ſchönen Farbenrythmus allmählich herausdeſtillieren. Hier könnte ſich bei dir nun die Frage wenigſtens ein¬ ſtellen, ob dieſer rhythmiſchen Wahl nicht vom Federkleide, alſo allgemeiner geſprochen, der Haut des Paradiesvogelmännchens aus doch auch ſchon etwas ſelber Rhythmiſches, äſthetiſch Ord¬ nendes entgegengearbeitet hat. Wohl verſtanden: nicht vom Gehirn des Vogelmannes. Das wird hier nach wie vor ſo wenig Macht gehabt haben, wie wir Menſchen regelrechter Weiſe etwa durch reines „Denken“ von Rot, Grün, Weiß nun auch unſere Haut entſprechend färben können, oder ſo wenig wir überhaupt Macht über unſeren Körper und ſeine Organe direkt von Innen heraus aus unſerer „Bewußtheit“ zu beſitzen pflegen. Aber wir haben ja ſo vielfältig vom „Leibe“ als tieferer ſelbſtändiger Schicht der Individualität geſprochen. Laß alſo die Hautzellen einmal eine ſelbſtändige Macht am Vogel ſein und überlege, ob die nicht ganz für ſich in einem Stadium der höchſten Energie des geſamten Organismus, das bis in jede Zelle wetterleuchtet, etwas vermöchte, das jenes „Entgegen¬ kommen“ thatſächlich ermöglichte. Darwins ganze Idee von der Ausleſe der Paſſendſten (hier im Falle ſind es die äſthetiſch Paſſendſten!) hat ja die

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/404>, abgerufen am 27.04.2024.