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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Aber jetzt sieh dir den Königsparadiesvogel an. Wie soll
der Farbenrhythmus von Zinnober und Weiß, getrennt durch
eine smaragdgrüne Binde, so entstanden sein? Er gerade ist
eigentlich das, was so zauberhaft "schön" auf unser Auge bei
dem Tierchen wirkt. Er gerade ist das, was bei Darwin erst
die ästhetische Wahl der Weibchen in einer Kette von tausend
Generationen langsam aus hundert Möglichkeiten herausgesucht
hat. Solche ästhetische Auslese soll nun gar nicht existiert haben.
Und doch existiert der Farbenrhythmus. Muß er also wohl auch
direkt durch jenen Kraftüberschuß von den federbildenden Zellen
des Vogelleibes erzeugt worden sein! Aber das ist, so einfach
hingestellt, zunächst mindestens eine ganz dunkle Sache.

So ist denn oft betont und auch von Darwin selber ge¬
glaubt worden, daß der Vorstoß auch von dieser Seite an seiner
teilweisen Verkennung einfachster Thatsächlichkeiten, also am
falschen Punkt, und gleichzeitig seinem Versagen vor der fast
wesentlichsten Grundfrage, also am dunklen Punkt, vollständig
gescheitert sei.

Indessen ließe sich doch überlegen, ob man nicht eine Syn¬
these beider Meinungen in ein noch Höheres und Besseres hin¬
ein vornehmen könnte.

Die ästhetische Auslese des jedesmal schönsten Männchens
durch das freiende Weibchen stehe im Sinne Darwins fest, und
alles hier unmittelbar Anknüpfende bleibe genau so, wie es
oben geschildert ist. Aber nun fragt sich doch noch, ob nicht
in der Gegend jenes anderen dunklen Punktes dem Auslese-
Prinzip wirklich noch etwas wenigstens entgegengearbeitet habe.
Ich meine das -- immer jetzt bloß im Apercu ohne strenge
Beweise geredet -- so.

Auch bei Darwin liefern die Männchen schließlich doch
das Material der Auslese. Es tritt einmal eine rote Feder
auf -- und die wird dann von dem Weibchen bevorzugt und
so fixiert. Nachher kommt eine grüne, der es ebenso geht.
Und eines Tages hat sich an Rot und Grün eine Fläche weißer

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Aber jetzt ſieh dir den Königsparadiesvogel an. Wie ſoll
der Farbenrhythmus von Zinnober und Weiß, getrennt durch
eine ſmaragdgrüne Binde, ſo entſtanden ſein? Er gerade iſt
eigentlich das, was ſo zauberhaft „ſchön“ auf unſer Auge bei
dem Tierchen wirkt. Er gerade iſt das, was bei Darwin erſt
die äſthetiſche Wahl der Weibchen in einer Kette von tauſend
Generationen langſam aus hundert Möglichkeiten herausgeſucht
hat. Solche äſthetiſche Ausleſe ſoll nun gar nicht exiſtiert haben.
Und doch exiſtiert der Farbenrhythmus. Muß er alſo wohl auch
direkt durch jenen Kraftüberſchuß von den federbildenden Zellen
des Vogelleibes erzeugt worden ſein! Aber das iſt, ſo einfach
hingeſtellt, zunächſt mindeſtens eine ganz dunkle Sache.

So iſt denn oft betont und auch von Darwin ſelber ge¬
glaubt worden, daß der Vorſtoß auch von dieſer Seite an ſeiner
teilweiſen Verkennung einfachſter Thatſächlichkeiten, alſo am
falſchen Punkt, und gleichzeitig ſeinem Verſagen vor der faſt
weſentlichſten Grundfrage, alſo am dunklen Punkt, vollſtändig
geſcheitert ſei.

Indeſſen ließe ſich doch überlegen, ob man nicht eine Syn¬
theſe beider Meinungen in ein noch Höheres und Beſſeres hin¬
ein vornehmen könnte.

Die äſthetiſche Ausleſe des jedesmal ſchönſten Männchens
durch das freiende Weibchen ſtehe im Sinne Darwins feſt, und
alles hier unmittelbar Anknüpfende bleibe genau ſo, wie es
oben geſchildert iſt. Aber nun fragt ſich doch noch, ob nicht
in der Gegend jenes anderen dunklen Punktes dem Ausleſe-
Prinzip wirklich noch etwas wenigſtens entgegengearbeitet habe.
Ich meine das — immer jetzt bloß im Aperçu ohne ſtrenge
Beweiſe geredet — ſo.

Auch bei Darwin liefern die Männchen ſchließlich doch
das Material der Ausleſe. Es tritt einmal eine rote Feder
auf — und die wird dann von dem Weibchen bevorzugt und
ſo fixiert. Nachher kommt eine grüne, der es ebenſo geht.
Und eines Tages hat ſich an Rot und Grün eine Fläche weißer

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[387/0403] Aber jetzt ſieh dir den Königsparadiesvogel an. Wie ſoll der Farbenrhythmus von Zinnober und Weiß, getrennt durch eine ſmaragdgrüne Binde, ſo entſtanden ſein? Er gerade iſt eigentlich das, was ſo zauberhaft „ſchön“ auf unſer Auge bei dem Tierchen wirkt. Er gerade iſt das, was bei Darwin erſt die äſthetiſche Wahl der Weibchen in einer Kette von tauſend Generationen langſam aus hundert Möglichkeiten herausgeſucht hat. Solche äſthetiſche Ausleſe ſoll nun gar nicht exiſtiert haben. Und doch exiſtiert der Farbenrhythmus. Muß er alſo wohl auch direkt durch jenen Kraftüberſchuß von den federbildenden Zellen des Vogelleibes erzeugt worden ſein! Aber das iſt, ſo einfach hingeſtellt, zunächſt mindeſtens eine ganz dunkle Sache. So iſt denn oft betont und auch von Darwin ſelber ge¬ glaubt worden, daß der Vorſtoß auch von dieſer Seite an ſeiner teilweiſen Verkennung einfachſter Thatſächlichkeiten, alſo am falſchen Punkt, und gleichzeitig ſeinem Verſagen vor der faſt weſentlichſten Grundfrage, alſo am dunklen Punkt, vollſtändig geſcheitert ſei. Indeſſen ließe ſich doch überlegen, ob man nicht eine Syn¬ theſe beider Meinungen in ein noch Höheres und Beſſeres hin¬ ein vornehmen könnte. Die äſthetiſche Ausleſe des jedesmal ſchönſten Männchens durch das freiende Weibchen ſtehe im Sinne Darwins feſt, und alles hier unmittelbar Anknüpfende bleibe genau ſo, wie es oben geſchildert iſt. Aber nun fragt ſich doch noch, ob nicht in der Gegend jenes anderen dunklen Punktes dem Ausleſe- Prinzip wirklich noch etwas wenigſtens entgegengearbeitet habe. Ich meine das — immer jetzt bloß im Aperçu ohne ſtrenge Beweiſe geredet — ſo. Auch bei Darwin liefern die Männchen ſchließlich doch das Material der Ausleſe. Es tritt einmal eine rote Feder auf — und die wird dann von dem Weibchen bevorzugt und ſo fixiert. Nachher kommt eine grüne, der es ebenſo geht. Und eines Tages hat ſich an Rot und Grün eine Fläche weißer 25 *

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/403>, abgerufen am 28.04.2024.