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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Aus dem Nebel vor dir hier am Seerande reckt es sich
wie ein kolossales Brockengespenst. Ein Menschenschatten, und
doch ins Gigantische erhöht. Es ist kein Seerand mehr, über
dem er ragt. Die ewige Weltküste. Hier Welt und drüben
nichts. Ein mystisches Rauschen fährt herab in den weißen
Ufersand, daß er sich geisterhaft tanzend bewegt ....

Gott schuf den Menschen aus einem Erdenkloß. Zu
Staub soll er werden, wie er aus Staub geschaffen ist.
Gott und Staub.

An diesem Bilde haben sich unzählige getröstet und er¬
baut. Du selber bist noch damit aufgewachsen. Dein tiefstes
religiöses Empfinden klammert sich daran. Wenn man dir zu¬
ruft, daß es nicht mehr gelten soll, so ist dir, als wanke die
schönste Säule, die das Lichtblau deiner Weltgedanken trug.
Nichts liegt mir ferner in dieser heiteren Walpurgisstunde, wo
alle Geister leben und leben lassen, als dein religiöses Empfin¬
den zu verletzen. Ich, wenn ich einen Wunsch haben soll, ich
wünschte, daß die Menschen von heute allesamt vieltausendmal
religiöser gestimmt wären als sie sind. Religiös im Sinne


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Aus dem Nebel vor dir hier am Seerande reckt es ſich
wie ein koloſſales Brockengeſpenſt. Ein Menſchenſchatten, und
doch ins Gigantiſche erhöht. Es iſt kein Seerand mehr, über
dem er ragt. Die ewige Weltküſte. Hier Welt und drüben
nichts. Ein myſtiſches Rauſchen fährt herab in den weißen
Uferſand, daß er ſich geiſterhaft tanzend bewegt ....

Gott ſchuf den Menſchen aus einem Erdenkloß. Zu
Staub ſoll er werden, wie er aus Staub geſchaffen iſt.
Gott und Staub.

An dieſem Bilde haben ſich unzählige getröſtet und er¬
baut. Du ſelber biſt noch damit aufgewachſen. Dein tiefſtes
religiöſes Empfinden klammert ſich daran. Wenn man dir zu¬
ruft, daß es nicht mehr gelten ſoll, ſo iſt dir, als wanke die
ſchönſte Säule, die das Lichtblau deiner Weltgedanken trug.
Nichts liegt mir ferner in dieſer heiteren Walpurgisſtunde, wo
alle Geiſter leben und leben laſſen, als dein religiöſes Empfin¬
den zu verletzen. Ich, wenn ich einen Wunſch haben ſoll, ich
wünſchte, daß die Menſchen von heute alleſamt vieltauſendmal
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[24/0040] [Abbildung] Aus dem Nebel vor dir hier am Seerande reckt es ſich wie ein koloſſales Brockengeſpenſt. Ein Menſchenſchatten, und doch ins Gigantiſche erhöht. Es iſt kein Seerand mehr, über dem er ragt. Die ewige Weltküſte. Hier Welt und drüben nichts. Ein myſtiſches Rauſchen fährt herab in den weißen Uferſand, daß er ſich geiſterhaft tanzend bewegt .... Gott ſchuf den Menſchen aus einem Erdenkloß. Zu Staub ſoll er werden, wie er aus Staub geſchaffen iſt. Gott und Staub. An dieſem Bilde haben ſich unzählige getröſtet und er¬ baut. Du ſelber biſt noch damit aufgewachſen. Dein tiefſtes religiöſes Empfinden klammert ſich daran. Wenn man dir zu¬ ruft, daß es nicht mehr gelten ſoll, ſo iſt dir, als wanke die ſchönſte Säule, die das Lichtblau deiner Weltgedanken trug. Nichts liegt mir ferner in dieſer heiteren Walpurgisſtunde, wo alle Geiſter leben und leben laſſen, als dein religiöſes Empfin¬ den zu verletzen. Ich, wenn ich einen Wunſch haben ſoll, ich wünſchte, daß die Menſchen von heute alleſamt vieltauſendmal religiöſer geſtimmt wären als ſie ſind. Religiös im Sinne

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/40>, abgerufen am 24.11.2024.