Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

tiefster Sehnsucht, -- im Sinne des "Ich lasse dich nicht, du
segnest mich denn," -- du, das Welträtsel. Und ich habe
nicht minder den höchsten Respekt vor jedem Versuch des
ringenden Geistes, wo immer er eine Antwort aus sich heraus¬
gekämpft hat, sei sie, wie sie sei. Aber ich habe doch etwas
gelernt aus der Geschichte solcher Antworten. Der Geist ist
ein Durchgänger. Was er greift in solchem Falle, ist meistens
nicht eigentlich falsch, es ist nicht zu schwach, zu klein, --
sondern es ist zu groß. Das wird dir freilich nun erst recht
wohl schwer in den Kopf wollen.

Ja: Gott und Staub. Diese Begriffe haben sich alle
beide selber in uns heute weiterentwickelt, -- nicht bei den
Spöttern, sondern gerade recht bei den ganz Ernsten. Und
darum sagen sie uns thatsächlich nichts mehr.

Das schien so unendlich einfach, als es zuerst kam: ja
das war der Ausweg: -- Gott und Staub. Jeder wußte
doch, was das war. Gott, der alte Übermensch in seinem
goldenen Glanze, -- der alles konnte. Und ein Häuflein
Staub, das armseligste Ding der Welt, das ein Lüftchen ver¬
weht, du findest seine Spur nicht mehr. Zwischen Himmel
und Erde bauten die zwei Worte ein greifbares Netz, in dem
das Kindlein Menschheit beruhigt wie in einer Wiege lag.
Wohin ist sie, -- diese leichte Zeit ....

[Abbildung]

Gott.

Eiserne Menschenarbeit selber hat an dem Gott ge¬
schmiedet und geschmiedet. In der Welt Homers erscheint der
gute Zeus noch wie ein lustiger Spaziergänger in der vom

tiefſter Sehnſucht, — im Sinne des „Ich laſſe dich nicht, du
ſegneſt mich denn,“ — du, das Welträtſel. Und ich habe
nicht minder den höchſten Reſpekt vor jedem Verſuch des
ringenden Geiſtes, wo immer er eine Antwort aus ſich heraus¬
gekämpft hat, ſei ſie, wie ſie ſei. Aber ich habe doch etwas
gelernt aus der Geſchichte ſolcher Antworten. Der Geiſt iſt
ein Durchgänger. Was er greift in ſolchem Falle, iſt meiſtens
nicht eigentlich falſch, es iſt nicht zu ſchwach, zu klein, —
ſondern es iſt zu groß. Das wird dir freilich nun erſt recht
wohl ſchwer in den Kopf wollen.

Ja: Gott und Staub. Dieſe Begriffe haben ſich alle
beide ſelber in uns heute weiterentwickelt, — nicht bei den
Spöttern, ſondern gerade recht bei den ganz Ernſten. Und
darum ſagen ſie uns thatſächlich nichts mehr.

Das ſchien ſo unendlich einfach, als es zuerſt kam: ja
das war der Ausweg: — Gott und Staub. Jeder wußte
doch, was das war. Gott, der alte Übermenſch in ſeinem
goldenen Glanze, — der alles konnte. Und ein Häuflein
Staub, das armſeligſte Ding der Welt, das ein Lüftchen ver¬
weht, du findeſt ſeine Spur nicht mehr. Zwiſchen Himmel
und Erde bauten die zwei Worte ein greifbares Netz, in dem
das Kindlein Menſchheit beruhigt wie in einer Wiege lag.
Wohin iſt ſie, — dieſe leichte Zeit ....

[Abbildung]

Gott.

Eiſerne Menſchenarbeit ſelber hat an dem Gott ge¬
ſchmiedet und geſchmiedet. In der Welt Homers erſcheint der
gute Zeus noch wie ein luſtiger Spaziergänger in der vom

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="25"/>
tief&#x017F;ter Sehn&#x017F;ucht, &#x2014; im Sinne des &#x201E;Ich la&#x017F;&#x017F;e dich nicht, du<lb/>
&#x017F;egne&#x017F;t mich denn,&#x201C; &#x2014; du, das Welträt&#x017F;el. Und ich habe<lb/>
nicht minder den höch&#x017F;ten Re&#x017F;pekt vor jedem Ver&#x017F;uch des<lb/>
ringenden Gei&#x017F;tes, wo immer er eine Antwort aus &#x017F;ich heraus¬<lb/>
gekämpft hat, &#x017F;ei &#x017F;ie, wie &#x017F;ie &#x017F;ei. Aber ich habe doch etwas<lb/>
gelernt aus der Ge&#x017F;chichte &#x017F;olcher Antworten. Der Gei&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
ein Durchgänger. Was er greift in &#x017F;olchem Falle, i&#x017F;t mei&#x017F;tens<lb/>
nicht eigentlich fal&#x017F;ch, es i&#x017F;t nicht zu &#x017F;chwach, zu klein, &#x2014;<lb/>
&#x017F;ondern es i&#x017F;t <hi rendition="#g">zu groß</hi>. Das wird dir freilich nun er&#x017F;t recht<lb/>
wohl &#x017F;chwer in den Kopf wollen.</p><lb/>
        <p>Ja: Gott und Staub. Die&#x017F;e Begriffe haben &#x017F;ich alle<lb/>
beide &#x017F;elber in uns heute weiterentwickelt, &#x2014; nicht bei den<lb/>
Spöttern, &#x017F;ondern gerade recht bei den ganz Ern&#x017F;ten. Und<lb/>
darum &#x017F;agen &#x017F;ie uns that&#x017F;ächlich nichts mehr.</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;chien &#x017F;o unendlich einfach, als es zuer&#x017F;t kam: ja<lb/>
das war der Ausweg: &#x2014; Gott und Staub. Jeder wußte<lb/>
doch, was das war. Gott, der alte Übermen&#x017F;ch in &#x017F;einem<lb/>
goldenen Glanze, &#x2014; der alles konnte. Und ein Häuflein<lb/>
Staub, das arm&#x017F;elig&#x017F;te Ding der Welt, das ein Lüftchen ver¬<lb/>
weht, du finde&#x017F;t &#x017F;eine Spur nicht mehr. Zwi&#x017F;chen Himmel<lb/>
und Erde bauten die zwei Worte ein greifbares Netz, in dem<lb/>
das Kindlein Men&#x017F;chheit beruhigt wie in einer Wiege lag.<lb/>
Wohin i&#x017F;t &#x017F;ie, &#x2014; die&#x017F;e <hi rendition="#g">leichte</hi> Zeit ....</p><lb/>
        <figure/>
        <p>Gott.</p><lb/>
        <p>Ei&#x017F;erne Men&#x017F;chenarbeit &#x017F;elber hat an dem Gott ge¬<lb/>
&#x017F;chmiedet und ge&#x017F;chmiedet. In der Welt Homers er&#x017F;cheint der<lb/>
gute Zeus noch wie ein lu&#x017F;tiger Spaziergänger in der vom<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0041] tiefſter Sehnſucht, — im Sinne des „Ich laſſe dich nicht, du ſegneſt mich denn,“ — du, das Welträtſel. Und ich habe nicht minder den höchſten Reſpekt vor jedem Verſuch des ringenden Geiſtes, wo immer er eine Antwort aus ſich heraus¬ gekämpft hat, ſei ſie, wie ſie ſei. Aber ich habe doch etwas gelernt aus der Geſchichte ſolcher Antworten. Der Geiſt iſt ein Durchgänger. Was er greift in ſolchem Falle, iſt meiſtens nicht eigentlich falſch, es iſt nicht zu ſchwach, zu klein, — ſondern es iſt zu groß. Das wird dir freilich nun erſt recht wohl ſchwer in den Kopf wollen. Ja: Gott und Staub. Dieſe Begriffe haben ſich alle beide ſelber in uns heute weiterentwickelt, — nicht bei den Spöttern, ſondern gerade recht bei den ganz Ernſten. Und darum ſagen ſie uns thatſächlich nichts mehr. Das ſchien ſo unendlich einfach, als es zuerſt kam: ja das war der Ausweg: — Gott und Staub. Jeder wußte doch, was das war. Gott, der alte Übermenſch in ſeinem goldenen Glanze, — der alles konnte. Und ein Häuflein Staub, das armſeligſte Ding der Welt, das ein Lüftchen ver¬ weht, du findeſt ſeine Spur nicht mehr. Zwiſchen Himmel und Erde bauten die zwei Worte ein greifbares Netz, in dem das Kindlein Menſchheit beruhigt wie in einer Wiege lag. Wohin iſt ſie, — dieſe leichte Zeit .... [Abbildung] Gott. Eiſerne Menſchenarbeit ſelber hat an dem Gott ge¬ ſchmiedet und geſchmiedet. In der Welt Homers erſcheint der gute Zeus noch wie ein luſtiger Spaziergänger in der vom

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/41
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/41>, abgerufen am 24.11.2024.