Wie weit zurück, das ist einerlei, bloß nicht allzu weit. Schon hatten sich Vögel auf dem Wege über den uralten Eidechsenvogel Archäopteryx, dessen Reste -- halb Eidechse, halb Vogel -- heute im Berliner Museum liegen, aus Eidechsen entwickelt. Und diese Vögel hatten sich zerspalten in eine Unmasse von Gruppen in Wald und Steppe, Gebirge und Wasser. Die Gruppen größerer Art wieder in kleinere und die kleinsten zuletzt in einzelne Arten. Und da gab es denn auch die enge Sippe, die uns heute als die der Paradiesvögel im Bannkreise Australiens entgegen tritt.
Wo diese Sippe entstanden war, -- wer weiß es? Wo sind vor Zeiten die Ursprungsstätten der heutigen Tierfamilien gewesen? Schwere Fragen. Wo sind die Pferde, wo die Hirsche, wo die Elefanten entstanden? Wir sehen da in tausend Schiebungen, Wanderungen, deren alte Wegweiser vermorscht, deren Brücken im Ozean versunken sind.
Genug: die Paradiesvögel tauchten eines Tages an der Grenze des australischen Gebietes, vor allem in Neu-Guinea, auf. Aber sie tauchten nicht als das auf, was sie heute sind, wenn wir ins Museum treten und sie bewundern. Alle, Männlein wie Weiblein, hatten einerlei Gestalt und Farbe. Unscheinbar war diese Farbe; es war die grau in grau oder braun in braun gemalte Federfarbe der heutigen Weibchen.
Noch giebt es heute einen scharfen Hinweis, daß auch der männliche Paradiesvogel voreinst die schlichte Kutte seiner besseren Hälfte trug statt des Juwelenmantels, in dem er heute seine Paradiesiernatur zur Schau zu stellen weiß.
Der junge Paradiesmann gleicht zunächst vollkommen dem Weibe, keine Goldwelle geht von ihm aus, kein grünes Kehlband trennt die weiße Seidenweste vom granatroten Rock, auch er als junger Fant ist Kaffee in Kaffee, unscheinbar wie ein Kuttenmönch. Ein seltsames Gesetz aber, weißt du, scheint durch die ganze Welt des Lebendigen zu gehen: die Jugend¬
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Es war in früheren Zeiten.
Wie weit zurück, das iſt einerlei, bloß nicht allzu weit. Schon hatten ſich Vögel auf dem Wege über den uralten Eidechſenvogel Archäopteryx, deſſen Reſte — halb Eidechſe, halb Vogel — heute im Berliner Muſeum liegen, aus Eidechſen entwickelt. Und dieſe Vögel hatten ſich zerſpalten in eine Unmaſſe von Gruppen in Wald und Steppe, Gebirge und Waſſer. Die Gruppen größerer Art wieder in kleinere und die kleinſten zuletzt in einzelne Arten. Und da gab es denn auch die enge Sippe, die uns heute als die der Paradiesvögel im Bannkreiſe Auſtraliens entgegen tritt.
Wo dieſe Sippe entſtanden war, — wer weiß es? Wo ſind vor Zeiten die Urſprungsſtätten der heutigen Tierfamilien geweſen? Schwere Fragen. Wo ſind die Pferde, wo die Hirſche, wo die Elefanten entſtanden? Wir ſehen da in tauſend Schiebungen, Wanderungen, deren alte Wegweiſer vermorſcht, deren Brücken im Ozean verſunken ſind.
Genug: die Paradiesvögel tauchten eines Tages an der Grenze des auſtraliſchen Gebietes, vor allem in Neu-Guinea, auf. Aber ſie tauchten nicht als das auf, was ſie heute ſind, wenn wir ins Muſeum treten und ſie bewundern. Alle, Männlein wie Weiblein, hatten einerlei Geſtalt und Farbe. Unſcheinbar war dieſe Farbe; es war die grau in grau oder braun in braun gemalte Federfarbe der heutigen Weibchen.
Noch giebt es heute einen ſcharfen Hinweis, daß auch der männliche Paradiesvogel voreinſt die ſchlichte Kutte ſeiner beſſeren Hälfte trug ſtatt des Juwelenmantels, in dem er heute ſeine Paradieſiernatur zur Schau zu ſtellen weiß.
Der junge Paradiesmann gleicht zunächſt vollkommen dem Weibe, keine Goldwelle geht von ihm aus, kein grünes Kehlband trennt die weiße Seidenweſte vom granatroten Rock, auch er als junger Fant iſt Kaffee in Kaffee, unſcheinbar wie ein Kuttenmönch. Ein ſeltſames Geſetz aber, weißt du, ſcheint durch die ganze Welt des Lebendigen zu gehen: die Jugend¬
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Es war in früheren Zeiten.
Wie weit zurück, das iſt einerlei, bloß nicht allzu weit.
Schon hatten ſich Vögel auf dem Wege über den uralten
Eidechſenvogel Archäopteryx, deſſen Reſte — halb Eidechſe,
halb Vogel — heute im Berliner Muſeum liegen, aus Eidechſen
entwickelt. Und dieſe Vögel hatten ſich zerſpalten in eine
Unmaſſe von Gruppen in Wald und Steppe, Gebirge und
Waſſer. Die Gruppen größerer Art wieder in kleinere und
die kleinſten zuletzt in einzelne Arten. Und da gab es denn
auch die enge Sippe, die uns heute als die der Paradiesvögel
im Bannkreiſe Auſtraliens entgegen tritt.
Wo dieſe Sippe entſtanden war, — wer weiß es? Wo
ſind vor Zeiten die Urſprungsſtätten der heutigen Tierfamilien
geweſen? Schwere Fragen. Wo ſind die Pferde, wo die
Hirſche, wo die Elefanten entſtanden? Wir ſehen da in tauſend
Schiebungen, Wanderungen, deren alte Wegweiſer vermorſcht,
deren Brücken im Ozean verſunken ſind.
Genug: die Paradiesvögel tauchten eines Tages an der
Grenze des auſtraliſchen Gebietes, vor allem in Neu-Guinea,
auf. Aber ſie tauchten nicht als das auf, was ſie heute ſind,
wenn wir ins Muſeum treten und ſie bewundern. Alle,
Männlein wie Weiblein, hatten einerlei Geſtalt und Farbe.
Unſcheinbar war dieſe Farbe; es war die grau in grau oder
braun in braun gemalte Federfarbe der heutigen Weibchen.
Noch giebt es heute einen ſcharfen Hinweis, daß auch der
männliche Paradiesvogel voreinſt die ſchlichte Kutte ſeiner
beſſeren Hälfte trug ſtatt des Juwelenmantels, in dem er heute
ſeine Paradieſiernatur zur Schau zu ſtellen weiß.
Der junge Paradiesmann gleicht zunächſt vollkommen
dem Weibe, keine Goldwelle geht von ihm aus, kein grünes
Kehlband trennt die weiße Seidenweſte vom granatroten Rock,
auch er als junger Fant iſt Kaffee in Kaffee, unſcheinbar wie
ein Kuttenmönch. Ein ſeltſames Geſetz aber, weißt du, ſcheint
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/385>, abgerufen am 22.11.2024.
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