Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.aus ihrer Adler- und Sonnen-Perspektive verliert -- dieser [Abbildung]
Die verwickelte Sachlage im menschlichen Liebes-Indivi¬ Nimm noch einmal unser Ur-Beispiel. Jene schlichte, aus ihrer Adler- und Sonnen-Perſpektive verliert — dieſer [Abbildung]
Die verwickelte Sachlage im menſchlichen Liebes-Indivi¬ Nimm noch einmal unſer Ur-Beiſpiel. Jene ſchlichte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0162" n="146"/> aus ihrer Adler- und Sonnen-Perſpektive verliert — dieſer<lb/> ganze Reigen arbeitet mit ſolcher Diſtance.</p><lb/> <figure/> <p>Die verwickelte Sachlage im menſchlichen Liebes-Indivi¬<lb/> duum iſt aber ſelbſt damit noch nicht erſchöpft. Aus jenem<lb/> Miſchakt erwächſt eine neue Komplikation des Liebes-Individuums:<lb/> das Kind. Das Kind gehört ſeiner Entſtehung nach durchaus<lb/> nur dem Miſchakt an und würde niemals durch irgend einen<lb/> — und ſei es der großartigſte — jener Diſtanceakte zu ſtande<lb/> kommen können. Es erwächſt aus der verſchmolzenen Samen-<lb/> und Eizelle. Entſprechend dieſer ſeltſamen Herkunft unter¬<lb/> ſcheidet ſich das Kind denn auch weſentlich im weiteren Bunde<lb/> mit dem Liebesindividuum von beliebigen gewöhnlichen Er¬<lb/> gebniſſen eines menſchlichen Über-Individuums.</p><lb/> <p>Nimm noch einmal unſer Ur-Beiſpiel. Jene ſchlichte,<lb/> flüchtige Individuenbildung zwiſchen Verleger und Reporter.<lb/> Obwohl hier alles per Diſtance und ſogar durch eine unge¬<lb/> heuer große Diſtance ſich abwickelte, können oder müſſen doch<lb/> auch dort gewiſſe dritte Ergebniſſe herausgekommen ſein, die<lb/> ſich ſehr wohl äußerlich dem Kinde vergleichen laſſen. Sagen<lb/> wir zunächſt: der Zeitungsbericht, der fortan gedruckt vorliegt.<lb/> Das Wort „geiſtiges Kind“ für ein ſolches Ergebnis iſt uns<lb/> ja täglich geläufig. Sagen wir meinetwegen auch eine Geld¬<lb/> ſumme, ein Reingewinn, der für eine der beiden Parteien<lb/> ſchließlich übrig geblieben iſt, auf Zinſen gelegt wird und<lb/> vielleicht für alle abſehbare Zeit ſo fort und fort eine be¬<lb/> ſtimmte Art dauernden „Lebens“ für ſich weiter führt ſelbſt<lb/> über den Tod des eigenen Erzeugers hinaus. Als Diſtance¬<lb/> werte geſchaffen, bleiben aber Zeitungsblatt wie Kapital auch<lb/> in ihrem weiteren Daſein unabänderlich Diſtancewerte für<lb/> das höhere Individuum, aus deſſen Gemeinſchaft ſie hervor¬<lb/> gingen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [146/0162]
aus ihrer Adler- und Sonnen-Perſpektive verliert — dieſer
ganze Reigen arbeitet mit ſolcher Diſtance.
[Abbildung]
Die verwickelte Sachlage im menſchlichen Liebes-Indivi¬
duum iſt aber ſelbſt damit noch nicht erſchöpft. Aus jenem
Miſchakt erwächſt eine neue Komplikation des Liebes-Individuums:
das Kind. Das Kind gehört ſeiner Entſtehung nach durchaus
nur dem Miſchakt an und würde niemals durch irgend einen
— und ſei es der großartigſte — jener Diſtanceakte zu ſtande
kommen können. Es erwächſt aus der verſchmolzenen Samen-
und Eizelle. Entſprechend dieſer ſeltſamen Herkunft unter¬
ſcheidet ſich das Kind denn auch weſentlich im weiteren Bunde
mit dem Liebesindividuum von beliebigen gewöhnlichen Er¬
gebniſſen eines menſchlichen Über-Individuums.
Nimm noch einmal unſer Ur-Beiſpiel. Jene ſchlichte,
flüchtige Individuenbildung zwiſchen Verleger und Reporter.
Obwohl hier alles per Diſtance und ſogar durch eine unge¬
heuer große Diſtance ſich abwickelte, können oder müſſen doch
auch dort gewiſſe dritte Ergebniſſe herausgekommen ſein, die
ſich ſehr wohl äußerlich dem Kinde vergleichen laſſen. Sagen
wir zunächſt: der Zeitungsbericht, der fortan gedruckt vorliegt.
Das Wort „geiſtiges Kind“ für ein ſolches Ergebnis iſt uns
ja täglich geläufig. Sagen wir meinetwegen auch eine Geld¬
ſumme, ein Reingewinn, der für eine der beiden Parteien
ſchließlich übrig geblieben iſt, auf Zinſen gelegt wird und
vielleicht für alle abſehbare Zeit ſo fort und fort eine be¬
ſtimmte Art dauernden „Lebens“ für ſich weiter führt ſelbſt
über den Tod des eigenen Erzeugers hinaus. Als Diſtance¬
werte geſchaffen, bleiben aber Zeitungsblatt wie Kapital auch
in ihrem weiteren Daſein unabänderlich Diſtancewerte für
das höhere Individuum, aus deſſen Gemeinſchaft ſie hervor¬
gingen.
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Zitationshilfe: | Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/162>, abgerufen am 16.07.2024. |