Wir kehren aus dem trockenen Bereich der Erklärungen zum Phantasiebild der Dinge selbst zurück. Das Ei ist durch den schmalen Spalt des Eileiters in die Gebärmutter gelangt. Nun entwickelt sich eine höchst dramatisch spannende Handlung: der Akt der Befruchtung.
[Abbildung]
Unsere große Kugel hat den Schacht verlassen und ist in die Halle eingetreten. In dieser Halle nahen sich ihr jetzt fremdartige Gäste von eigentümlicher Gestalt.
Im Vergleich zu der Kugel sind sie Zwerge. Aber sie rücken dafür in stattlicher Vielzahl und unter lebhaftester äußerer Bewegung an. Auf den ersten Blick ließe sich glauben, es nähere sich eine Schar gespenstischer Kaulquappen. Ein dicker Kopf setzt sich nach hinten fast unmittelbar in einen ziemlich langen Schwanz fort. Schaut man näher hin, so er¬ weist sich der vermeintliche Kopf als einfache Scheibe, von der Seite gesehen birnenförmig geformt und auf beiden Flächen napfartig vertieft. Eine innere Struktur oder gar irgend welche Organe sind nicht darin wahrnehmbar. An diese Scheibe, offenbar den Hauptteil des kleinen Ungetüms, schließt sich der scheinbare Schwanz als zunächst noch verdickter, dann mehr und mehr zugespitzter Faden an.
Alle nahen zunächst nur aus einer bestimmten Richtung der Halle, sonst regellos.
Ihre Bewegung ist dabei eine hüpfende, der Hauptteil voran, das Schwänzchen nachzitternd. Jetzt plötzlich aber ge¬ raten sie in die Nähe der großen Kugel. Und auf einmal scheinen sie ein gemeinsames Ziel zu haben. Es ist, als walle von der Kugel irgend ein Atem, ein Duft ihnen entgegen, der sie jählings anschwärmen läßt wie die Falter eines schwülen Sommerabends sich auf eine wollüstig duftende Gaisblattblüte stürzen.
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Wir kehren aus dem trockenen Bereich der Erklärungen zum Phantaſiebild der Dinge ſelbſt zurück. Das Ei iſt durch den ſchmalen Spalt des Eileiters in die Gebärmutter gelangt. Nun entwickelt ſich eine höchſt dramatiſch ſpannende Handlung: der Akt der Befruchtung.
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Unſere große Kugel hat den Schacht verlaſſen und iſt in die Halle eingetreten. In dieſer Halle nahen ſich ihr jetzt fremdartige Gäſte von eigentümlicher Geſtalt.
Im Vergleich zu der Kugel ſind ſie Zwerge. Aber ſie rücken dafür in ſtattlicher Vielzahl und unter lebhafteſter äußerer Bewegung an. Auf den erſten Blick ließe ſich glauben, es nähere ſich eine Schar geſpenſtiſcher Kaulquappen. Ein dicker Kopf ſetzt ſich nach hinten faſt unmittelbar in einen ziemlich langen Schwanz fort. Schaut man näher hin, ſo er¬ weiſt ſich der vermeintliche Kopf als einfache Scheibe, von der Seite geſehen birnenförmig geformt und auf beiden Flächen napfartig vertieft. Eine innere Struktur oder gar irgend welche Organe ſind nicht darin wahrnehmbar. An dieſe Scheibe, offenbar den Hauptteil des kleinen Ungetüms, ſchließt ſich der ſcheinbare Schwanz als zunächſt noch verdickter, dann mehr und mehr zugeſpitzter Faden an.
Alle nahen zunächſt nur aus einer beſtimmten Richtung der Halle, ſonſt regellos.
Ihre Bewegung iſt dabei eine hüpfende, der Hauptteil voran, das Schwänzchen nachzitternd. Jetzt plötzlich aber ge¬ raten ſie in die Nähe der großen Kugel. Und auf einmal ſcheinen ſie ein gemeinſames Ziel zu haben. Es iſt, als walle von der Kugel irgend ein Atem, ein Duft ihnen entgegen, der ſie jählings anſchwärmen läßt wie die Falter eines ſchwülen Sommerabends ſich auf eine wollüſtig duftende Gaisblattblüte ſtürzen.
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Wir kehren aus dem trockenen Bereich der Erklärungen
zum Phantaſiebild der Dinge ſelbſt zurück. Das Ei iſt durch
den ſchmalen Spalt des Eileiters in die Gebärmutter gelangt.
Nun entwickelt ſich eine höchſt dramatiſch ſpannende Handlung:
der Akt der Befruchtung.
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Unſere große Kugel hat den Schacht verlaſſen und iſt in
die Halle eingetreten. In dieſer Halle nahen ſich ihr jetzt
fremdartige Gäſte von eigentümlicher Geſtalt.
Im Vergleich zu der Kugel ſind ſie Zwerge. Aber ſie
rücken dafür in ſtattlicher Vielzahl und unter lebhafteſter
äußerer Bewegung an. Auf den erſten Blick ließe ſich glauben,
es nähere ſich eine Schar geſpenſtiſcher Kaulquappen. Ein
dicker Kopf ſetzt ſich nach hinten faſt unmittelbar in einen
ziemlich langen Schwanz fort. Schaut man näher hin, ſo er¬
weiſt ſich der vermeintliche Kopf als einfache Scheibe, von der
Seite geſehen birnenförmig geformt und auf beiden Flächen
napfartig vertieft. Eine innere Struktur oder gar irgend
welche Organe ſind nicht darin wahrnehmbar. An dieſe
Scheibe, offenbar den Hauptteil des kleinen Ungetüms, ſchließt
ſich der ſcheinbare Schwanz als zunächſt noch verdickter, dann
mehr und mehr zugeſpitzter Faden an.
Alle nahen zunächſt nur aus einer beſtimmten Richtung
der Halle, ſonſt regellos.
Ihre Bewegung iſt dabei eine hüpfende, der Hauptteil
voran, das Schwänzchen nachzitternd. Jetzt plötzlich aber ge¬
raten ſie in die Nähe der großen Kugel. Und auf einmal
ſcheinen ſie ein gemeinſames Ziel zu haben. Es iſt, als walle
von der Kugel irgend ein Atem, ein Duft ihnen entgegen, der
ſie jählings anſchwärmen läßt wie die Falter eines ſchwülen
Sommerabends ſich auf eine wollüſtig duftende Gaisblattblüte
ſtürzen.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/67>, abgerufen am 22.11.2024.
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