fangen! Sollen wir an den monströsen Fall denken, daß weiblose Männer hier für sich allein Junge hecken? Undenk¬ bar. Und du siehst auch gar keine Andeutung von so etwas. Diese faulen Drohnen thun faktisch gar nichts. Sie suchen weder nach Begattung, noch kümmern sie sich um Werden und Verbleib der Jungen, -- sie faulenzen dahin in des Wortes verwegenstem Sinn.
Eines Tages indessen lohnt dein emsiges Suchen ein neuer Fund. Du beobachtest, wie eine einzelne Biene, die sich äußerlich kaum von einer gewöhnlichen Vestalin unterscheidet, an einer leeren Kinderzelle sich zu schaffen macht. Es scheint etwas besonderes mit ihr los zu sein. Andere Bienen stehen eifrig dabei, streicheln und hätscheln und füttern sie und be¬ nehmen sich in jeder Weise liebenswürdig und devot -- und auf einmal stopft deine verdächtige Biene das Hinterteil in die Zelle -- -- und legt ein hübsches kleines milchweißes -- Ei.
Du hast das mysteriöse Wesen entdeckt, das man die "Bienenkönigin" nennt. Im Angesicht des frisch gelegten Eies verstehst du aber, was es eigentlich ist: es ist das Bienen¬ weib. "Das" Weib. Vergebens durchmusterst du den ganzen Stock nach einem zweiten seiner Art.
Auf zwanzigtausend zwangskeusche Vestalinnen und zwei¬ hundert echte Männer -- ein einziges echtes Weib.
Alles, was du an Nachkommenschaft hast im Stamme aufblühen sehen, all der Ersatz an jungen Vestalinnen: es stammte ausschließlich von dieser einen Nichtvestalin, diesem einen echten Weibe, dieser einen und einzigen echten Mutter her. Während die armen sterilen Jüngferchen um sie herum, Tausend und Tausend und Abertausend, kommen und gehen wie Blätter am Baum, sitzt sie daseinskräftig und strotzend in ihrer Frauenkraft jetzt schon seit dem Frühjahr immer und immer dieselbe da und legt Eier, immer wieder Eier, grenzenlos viele Eier. Tausend, zweitausend, zwanzigtausend, fünfzigtausend, sechzigtausend Eier in dem einen Frühling und Sommer. Von
fangen! Sollen wir an den monſtröſen Fall denken, daß weibloſe Männer hier für ſich allein Junge hecken? Undenk¬ bar. Und du ſiehſt auch gar keine Andeutung von ſo etwas. Dieſe faulen Drohnen thun faktiſch gar nichts. Sie ſuchen weder nach Begattung, noch kümmern ſie ſich um Werden und Verbleib der Jungen, — ſie faulenzen dahin in des Wortes verwegenſtem Sinn.
Eines Tages indeſſen lohnt dein emſiges Suchen ein neuer Fund. Du beobachteſt, wie eine einzelne Biene, die ſich äußerlich kaum von einer gewöhnlichen Veſtalin unterſcheidet, an einer leeren Kinderzelle ſich zu ſchaffen macht. Es ſcheint etwas beſonderes mit ihr los zu ſein. Andere Bienen ſtehen eifrig dabei, ſtreicheln und hätſcheln und füttern ſie und be¬ nehmen ſich in jeder Weiſe liebenswürdig und devot — und auf einmal ſtopft deine verdächtige Biene das Hinterteil in die Zelle — — und legt ein hübſches kleines milchweißes — Ei.
Du haſt das myſteriöſe Weſen entdeckt, das man die „Bienenkönigin“ nennt. Im Angeſicht des friſch gelegten Eies verſtehſt du aber, was es eigentlich iſt: es iſt das Bienen¬ weib. „Das“ Weib. Vergebens durchmuſterſt du den ganzen Stock nach einem zweiten ſeiner Art.
Auf zwanzigtauſend zwangskeuſche Veſtalinnen und zwei¬ hundert echte Männer — ein einziges echtes Weib.
Alles, was du an Nachkommenſchaft haſt im Stamme aufblühen ſehen, all der Erſatz an jungen Veſtalinnen: es ſtammte ausſchließlich von dieſer einen Nichtveſtalin, dieſem einen echten Weibe, dieſer einen und einzigen echten Mutter her. Während die armen ſterilen Jüngferchen um ſie herum, Tauſend und Tauſend und Abertauſend, kommen und gehen wie Blätter am Baum, ſitzt ſie daſeinskräftig und ſtrotzend in ihrer Frauenkraft jetzt ſchon ſeit dem Frühjahr immer und immer dieſelbe da und legt Eier, immer wieder Eier, grenzenlos viele Eier. Tauſend, zweitauſend, zwanzigtauſend, fünfzigtauſend, ſechzigtauſend Eier in dem einen Frühling und Sommer. Von
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fangen! Sollen wir an den monſtröſen Fall denken, daß
weibloſe Männer hier für ſich allein Junge hecken? Undenk¬
bar. Und du ſiehſt auch gar keine Andeutung von ſo etwas.
Dieſe faulen Drohnen thun faktiſch gar nichts. Sie ſuchen
weder nach Begattung, noch kümmern ſie ſich um Werden und
Verbleib der Jungen, — ſie faulenzen dahin in des Wortes
verwegenſtem Sinn.
Eines Tages indeſſen lohnt dein emſiges Suchen ein
neuer Fund. Du beobachteſt, wie eine einzelne Biene, die ſich
äußerlich kaum von einer gewöhnlichen Veſtalin unterſcheidet,
an einer leeren Kinderzelle ſich zu ſchaffen macht. Es ſcheint
etwas beſonderes mit ihr los zu ſein. Andere Bienen ſtehen
eifrig dabei, ſtreicheln und hätſcheln und füttern ſie und be¬
nehmen ſich in jeder Weiſe liebenswürdig und devot — und
auf einmal ſtopft deine verdächtige Biene das Hinterteil in die
Zelle — — und legt ein hübſches kleines milchweißes — Ei.
Du haſt das myſteriöſe Weſen entdeckt, das man die
„Bienenkönigin“ nennt. Im Angeſicht des friſch gelegten Eies
verſtehſt du aber, was es eigentlich iſt: es iſt das Bienen¬
weib. „Das“ Weib. Vergebens durchmuſterſt du den ganzen
Stock nach einem zweiten ſeiner Art.
Auf zwanzigtauſend zwangskeuſche Veſtalinnen und zwei¬
hundert echte Männer — ein einziges echtes Weib.
Alles, was du an Nachkommenſchaft haſt im Stamme
aufblühen ſehen, all der Erſatz an jungen Veſtalinnen: es
ſtammte ausſchließlich von dieſer einen Nichtveſtalin, dieſem
einen echten Weibe, dieſer einen und einzigen echten Mutter
her. Während die armen ſterilen Jüngferchen um ſie herum,
Tauſend und Tauſend und Abertauſend, kommen und gehen wie
Blätter am Baum, ſitzt ſie daſeinskräftig und ſtrotzend in ihrer
Frauenkraft jetzt ſchon ſeit dem Frühjahr immer und immer
dieſelbe da und legt Eier, immer wieder Eier, grenzenlos viele
Eier. Tauſend, zweitauſend, zwanzigtauſend, fünfzigtauſend,
ſechzigtauſend Eier in dem einen Frühling und Sommer. Von
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/386>, abgerufen am 22.11.2024.
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