der Zeit erlaubt einen genauen Überblick. Es ist nicht etwa so, daß alle oder ein Teil der Vestalinnen vor Lebensschluß oder sonst zu irgend einer Zeit ihres Sechswochendaseins doch noch plötzlich ihr Geschlecht wieder erhielten. Kein Gedanke. Sie wachsen in irgend einer der Kinderzellen heran, werden von schon älteren Vestalinnen gepflegt, machen ihre natürliche Insektenentwickelung als wurmähnliche Larve und eingesponnenes Püppchen durch, erscheinen nach etwa drei Wochen frei im Stock, arbeiten, wirken selber wieder mit zur Kinderpflege anderer Generationen -- und sterben zu ihrer Zeit ab, als Vestalin geboren, als Vestalin vom Leben verbraucht, als Vestalin vom Tode wieder heimgerafft. Nein, kein Zweifel: Kinderwärterinnen ersten Ranges und offenbar von innerstem Beruf, wie sie sind, stehen sie doch der wirklichen Kinderproduk¬ tion vollkommen fern. Die wickelt sich ab, ohne daß sie direkt irgend etwas dazu thäten, -- wie ein Mysterium im dunklen Hintergrund.
Du studierst und studierst an der Sache herum, und endlich entdeckt dein Scharfsinn folgendes.
Zunächst wirst du aufmerksam auf einen kleinen Kreis Bienen im Stock, die im Aussehen und der Große sich einiger¬ maßen von der Masse unterscheiden. Zwei bis drei Hundert auf die vielen Tausende. Sie fliegen, scheint es, nicht aus, sie arbeiten nicht, sie lassen sich füttern -- und das alles, ob¬ wohl sie ganz ausgewachsen, ja besonders groß und stark sind. Eine seltsame Faulenzerbande in einem Riesenhaushalt, wo alles sonst vor Arbeit schwitzt und keucht.
Du fängst dir einen Müßiggänger heraus und untersuchst ihn: wahrhaftig -- ein Männchen. Eine sogenannte Drohne. Durchaus normal, mit allen Werkzeugen der Männerschaft. Ein Schritt offenbar weiter zur Sache. Zu zwanzigtausend Vestalinnen jetzt zweihundert geschlechtsfähige Männer. Aber doch noch keine ganze Lösung. Ja wohl Männer! Aber diese Männer und die Vestalinnen können ja nichts miteinander an¬
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der Zeit erlaubt einen genauen Überblick. Es iſt nicht etwa ſo, daß alle oder ein Teil der Veſtalinnen vor Lebensſchluß oder ſonſt zu irgend einer Zeit ihres Sechswochendaſeins doch noch plötzlich ihr Geſchlecht wieder erhielten. Kein Gedanke. Sie wachſen in irgend einer der Kinderzellen heran, werden von ſchon älteren Veſtalinnen gepflegt, machen ihre natürliche Inſektenentwickelung als wurmähnliche Larve und eingeſponnenes Püppchen durch, erſcheinen nach etwa drei Wochen frei im Stock, arbeiten, wirken ſelber wieder mit zur Kinderpflege anderer Generationen — und ſterben zu ihrer Zeit ab, als Veſtalin geboren, als Veſtalin vom Leben verbraucht, als Veſtalin vom Tode wieder heimgerafft. Nein, kein Zweifel: Kinderwärterinnen erſten Ranges und offenbar von innerſtem Beruf, wie ſie ſind, ſtehen ſie doch der wirklichen Kinderproduk¬ tion vollkommen fern. Die wickelt ſich ab, ohne daß ſie direkt irgend etwas dazu thäten, — wie ein Myſterium im dunklen Hintergrund.
Du ſtudierſt und ſtudierſt an der Sache herum, und endlich entdeckt dein Scharfſinn folgendes.
Zunächſt wirſt du aufmerkſam auf einen kleinen Kreis Bienen im Stock, die im Ausſehen und der Große ſich einiger¬ maßen von der Maſſe unterſcheiden. Zwei bis drei Hundert auf die vielen Tauſende. Sie fliegen, ſcheint es, nicht aus, ſie arbeiten nicht, ſie laſſen ſich füttern — und das alles, ob¬ wohl ſie ganz ausgewachſen, ja beſonders groß und ſtark ſind. Eine ſeltſame Faulenzerbande in einem Rieſenhaushalt, wo alles ſonſt vor Arbeit ſchwitzt und keucht.
Du fängſt dir einen Müßiggänger heraus und unterſuchſt ihn: wahrhaftig — ein Männchen. Eine ſogenannte Drohne. Durchaus normal, mit allen Werkzeugen der Männerſchaft. Ein Schritt offenbar weiter zur Sache. Zu zwanzigtauſend Veſtalinnen jetzt zweihundert geſchlechtsfähige Männer. Aber doch noch keine ganze Löſung. Ja wohl Männer! Aber dieſe Männer und die Veſtalinnen können ja nichts miteinander an¬
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der Zeit erlaubt einen genauen Überblick. Es iſt nicht etwa
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oder ſonſt zu irgend einer Zeit ihres Sechswochendaſeins doch
noch plötzlich ihr Geſchlecht wieder erhielten. Kein Gedanke.
Sie wachſen in irgend einer der Kinderzellen heran, werden
von ſchon älteren Veſtalinnen gepflegt, machen ihre natürliche
Inſektenentwickelung als wurmähnliche Larve und eingeſponnenes
Püppchen durch, erſcheinen nach etwa drei Wochen frei im
Stock, arbeiten, wirken ſelber wieder mit zur Kinderpflege
anderer Generationen — und ſterben zu ihrer Zeit ab, als
Veſtalin geboren, als Veſtalin vom Leben verbraucht, als
Veſtalin vom Tode wieder heimgerafft. Nein, kein Zweifel:
Kinderwärterinnen erſten Ranges und offenbar von innerſtem
Beruf, wie ſie ſind, ſtehen ſie doch der wirklichen Kinderproduk¬
tion vollkommen fern. Die wickelt ſich ab, ohne daß ſie direkt
irgend etwas dazu thäten, — wie ein Myſterium im dunklen
Hintergrund.
Du ſtudierſt und ſtudierſt an der Sache herum, und endlich
entdeckt dein Scharfſinn folgendes.
Zunächſt wirſt du aufmerkſam auf einen kleinen Kreis
Bienen im Stock, die im Ausſehen und der Große ſich einiger¬
maßen von der Maſſe unterſcheiden. Zwei bis drei Hundert
auf die vielen Tauſende. Sie fliegen, ſcheint es, nicht aus,
ſie arbeiten nicht, ſie laſſen ſich füttern — und das alles, ob¬
wohl ſie ganz ausgewachſen, ja beſonders groß und ſtark ſind.
Eine ſeltſame Faulenzerbande in einem Rieſenhaushalt, wo alles
ſonſt vor Arbeit ſchwitzt und keucht.
Du fängſt dir einen Müßiggänger heraus und unterſuchſt
ihn: wahrhaftig — ein Männchen. Eine ſogenannte Drohne.
Durchaus normal, mit allen Werkzeugen der Männerſchaft.
Ein Schritt offenbar weiter zur Sache. Zu zwanzigtauſend
Veſtalinnen jetzt zweihundert geſchlechtsfähige Männer. Aber
doch noch keine ganze Löſung. Ja wohl Männer! Aber dieſe
Männer und die Veſtalinnen können ja nichts miteinander an¬
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/385>, abgerufen am 25.11.2024.
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