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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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prozeß die Spuren in die wunderlichen Liebeskomödien bei
Spinne wie Stichling hineinragen.

Bloß daß du hier versteinerte Extreme des notwendigen
Überganges siehst. Bis in das Extrem der Extreme, bei dem
die Geschlechter einer und derselben Spinnenart sich so weit
voneinander "fortindividualisiert" haben, daß bei der schließlich
doch notwendig werdenden Begegnung ein Konflikt der Instinkte:
Fressen gegen Liebe, möglich wird.

Wie nah du aber trotzdem mit beiden Fällen der höheren,
gerade diese gesteigerte Gegensätzlichkeit der Geschlechtsindividuali¬
täten wieder ideal zusammenfassenden Tierehe schon stehst, kannst
du an dem außerordentlichen Anwachsen, ja der geradezu
elementar durchbrechenden Wucht der Elterngefühle ermessen.

Gewiß: sie erscheinen in jedem Falle je auf ein Geschlecht
beschränkt, -- aber bezeichnender Weise je auf ein verschiedenes.
Einmal auf die Spinnenmutter. Und einmal auf den Stich¬
lingvater. Ich will bei einer anderen Gelegenheit über diese
Gefühle noch ein besonderes Wörtchen mit dir reden, -- da,
wo uns die ganze Linie gleichsam in ihrer Verdickung und
Aufstauung gegen den Menschen zu entgegentritt und erst ihre
allerhöchste Wucht erreicht. Nimm hier zunächst einmal an, es
handle sich einfach wieder um eine Grunderscheinung der
lebendigen Wesen, -- freilich jetzt eine mit sehr geistigem Aus¬
druck, wie sie denn auch erst von einer bestimmten Geistessicht¬
barkeit an dir bei den Tieren deutlich sichtbar wird.

Auf alle Fälle war mit dem Vordrängen dieser neuen
Aufgabe des Individuums eine neue Brücke zu einer höheren
ehelichen oder wenigstens eheartigen Zusammenarbeit und
idealeren Wiedervereinigung der Geschlechter auch neben und
nach dem eigentlichen Geschlechtsakt angebahnt, die der extremen
Individualisierung und Isolierung ganz von selbst wieder als
Regulativ entgegenarbeiten mußte.

Spinne und Spinnerich, Stachelinsky und Stachelfrau
sind jedes für sich schärfste Individualitäten, -- extrem bis zur

prozeß die Spuren in die wunderlichen Liebeskomödien bei
Spinne wie Stichling hineinragen.

Bloß daß du hier verſteinerte Extreme des notwendigen
Überganges ſiehſt. Bis in das Extrem der Extreme, bei dem
die Geſchlechter einer und derſelben Spinnenart ſich ſo weit
voneinander „fortindividualiſiert“ haben, daß bei der ſchließlich
doch notwendig werdenden Begegnung ein Konflikt der Inſtinkte:
Freſſen gegen Liebe, möglich wird.

Wie nah du aber trotzdem mit beiden Fällen der höheren,
gerade dieſe geſteigerte Gegenſätzlichkeit der Geſchlechtsindividuali¬
täten wieder ideal zuſammenfaſſenden Tierehe ſchon ſtehſt, kannſt
du an dem außerordentlichen Anwachſen, ja der geradezu
elementar durchbrechenden Wucht der Elterngefühle ermeſſen.

Gewiß: ſie erſcheinen in jedem Falle je auf ein Geſchlecht
beſchränkt, — aber bezeichnender Weiſe je auf ein verſchiedenes.
Einmal auf die Spinnenmutter. Und einmal auf den Stich¬
lingvater. Ich will bei einer anderen Gelegenheit über dieſe
Gefühle noch ein beſonderes Wörtchen mit dir reden, — da,
wo uns die ganze Linie gleichſam in ihrer Verdickung und
Aufſtauung gegen den Menſchen zu entgegentritt und erſt ihre
allerhöchſte Wucht erreicht. Nimm hier zunächſt einmal an, es
handle ſich einfach wieder um eine Grunderſcheinung der
lebendigen Weſen, — freilich jetzt eine mit ſehr geiſtigem Aus¬
druck, wie ſie denn auch erſt von einer beſtimmten Geiſtesſicht¬
barkeit an dir bei den Tieren deutlich ſichtbar wird.

Auf alle Fälle war mit dem Vordrängen dieſer neuen
Aufgabe des Individuums eine neue Brücke zu einer höheren
ehelichen oder wenigſtens eheartigen Zuſammenarbeit und
idealeren Wiedervereinigung der Geſchlechter auch neben und
nach dem eigentlichen Geſchlechtsakt angebahnt, die der extremen
Individualiſierung und Iſolierung ganz von ſelbſt wieder als
Regulativ entgegenarbeiten mußte.

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[352/0368] prozeß die Spuren in die wunderlichen Liebeskomödien bei Spinne wie Stichling hineinragen. Bloß daß du hier verſteinerte Extreme des notwendigen Überganges ſiehſt. Bis in das Extrem der Extreme, bei dem die Geſchlechter einer und derſelben Spinnenart ſich ſo weit voneinander „fortindividualiſiert“ haben, daß bei der ſchließlich doch notwendig werdenden Begegnung ein Konflikt der Inſtinkte: Freſſen gegen Liebe, möglich wird. Wie nah du aber trotzdem mit beiden Fällen der höheren, gerade dieſe geſteigerte Gegenſätzlichkeit der Geſchlechtsindividuali¬ täten wieder ideal zuſammenfaſſenden Tierehe ſchon ſtehſt, kannſt du an dem außerordentlichen Anwachſen, ja der geradezu elementar durchbrechenden Wucht der Elterngefühle ermeſſen. Gewiß: ſie erſcheinen in jedem Falle je auf ein Geſchlecht beſchränkt, — aber bezeichnender Weiſe je auf ein verſchiedenes. Einmal auf die Spinnenmutter. Und einmal auf den Stich¬ lingvater. Ich will bei einer anderen Gelegenheit über dieſe Gefühle noch ein beſonderes Wörtchen mit dir reden, — da, wo uns die ganze Linie gleichſam in ihrer Verdickung und Aufſtauung gegen den Menſchen zu entgegentritt und erſt ihre allerhöchſte Wucht erreicht. Nimm hier zunächſt einmal an, es handle ſich einfach wieder um eine Grunderſcheinung der lebendigen Weſen, — freilich jetzt eine mit ſehr geiſtigem Aus¬ druck, wie ſie denn auch erſt von einer beſtimmten Geiſtesſicht¬ barkeit an dir bei den Tieren deutlich ſichtbar wird. Auf alle Fälle war mit dem Vordrängen dieſer neuen Aufgabe des Individuums eine neue Brücke zu einer höheren ehelichen oder wenigſtens eheartigen Zuſammenarbeit und idealeren Wiedervereinigung der Geſchlechter auch neben und nach dem eigentlichen Geſchlechtsakt angebahnt, die der extremen Individualiſierung und Iſolierung ganz von ſelbſt wieder als Regulativ entgegenarbeiten mußte. Spinne und Spinnerich, Stachelinsky und Stachelfrau ſind jedes für ſich ſchärfſte Individualitäten, — extrem bis zur

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/368>, abgerufen am 22.11.2024.