kurzen Moments wie Feinde, wie wilde Konkurrenten oder gar Beuteobjekte im Daseinskampfe gegenüber stehen.
Welch ein Abstand, -- erinnere dich an den grotesken Syngamus in der Entenluftröhre, wo die Gatten sich zeitlebens nicht aus innigster Geschlechtsverknüpfung lösten, an das tolle Diplozoon, wo zwei Hermaphroditen übers Kreuz miteinander verwuchsen.
Spinne wie Stichling stehen in der Entwickelungskette enorm hoch über Diplozoon und Syngamus. Ist es nicht, als wolle die Höherentwickelung auf eine wachsende Trennung der Geschlechter, auf eine zunehmende Zerstörung der Ehe, der engen Geschlechtsverkettung an? Täusche dich aber nicht.
Wir sind eigentlich im Laufe der Dinge noch unterhalb aller echten Ehe in solchen Fällen wie Spinne und Stichling. Wohl findest du die Ehe schon ein gut Stück abwärts von dir inmitten der Tierwelt ganz zweifellos echt aufblitzend. Aber wo sie möglich wurde, da wurde sie es nur als nachträgliche neue Wiedervereinigung zweier gleichsam geistig in sich ge¬ schlossener, zunächst innerlich ganz auf sich gestellter, scharf gesonderter Individuen. Solche Individuen waren aber erst möglich von einer gewissen Stufe der Geistesentfaltung an.
Indem diese Stufe eintrat, mußte sie zunächst im äußeren Bilde wie eine Isolierung, eine Entfernung der Geschlechts¬ partner voneinander aussehen. Von der stumpfen Lebens¬ verwachsung der Diplozoon und Syngamus führt der Weg zur wahren, hilfsbereiten, in Arbeitsteilung noch weit über das Geschlecht hinaus sich sozial zusammenthuenden Ehegemeinschaft zweier höherer Tierindividuen allenthalben dunkel über eine Trennungsstufe, die die Individuen -- auch die geschlechtlich aufeinander angewiesenen -- zunächst einmal schärfer vonein¬ ander trieb, aufs einzelne jedes für sich stellte. Erst auf der Errungenschaft dieser schärferen Individualisierung konnte sich dann erst wieder der Fortschritt in Gestalt höherer Einigung aufbauen. Und es ist zweifellos, daß auch von diesem Zwischen¬
kurzen Moments wie Feinde, wie wilde Konkurrenten oder gar Beuteobjekte im Daſeinskampfe gegenüber ſtehen.
Welch ein Abſtand, — erinnere dich an den grotesken Syngamus in der Entenluftröhre, wo die Gatten ſich zeitlebens nicht aus innigſter Geſchlechtsverknüpfung löſten, an das tolle Diplozoon, wo zwei Hermaphroditen übers Kreuz miteinander verwuchſen.
Spinne wie Stichling ſtehen in der Entwickelungskette enorm hoch über Diplozoon und Syngamus. Iſt es nicht, als wolle die Höherentwickelung auf eine wachſende Trennung der Geſchlechter, auf eine zunehmende Zerſtörung der Ehe, der engen Geſchlechtsverkettung an? Täuſche dich aber nicht.
Wir ſind eigentlich im Laufe der Dinge noch unterhalb aller echten Ehe in ſolchen Fällen wie Spinne und Stichling. Wohl findeſt du die Ehe ſchon ein gut Stück abwärts von dir inmitten der Tierwelt ganz zweifellos echt aufblitzend. Aber wo ſie möglich wurde, da wurde ſie es nur als nachträgliche neue Wiedervereinigung zweier gleichſam geiſtig in ſich ge¬ ſchloſſener, zunächſt innerlich ganz auf ſich geſtellter, ſcharf geſonderter Individuen. Solche Individuen waren aber erſt möglich von einer gewiſſen Stufe der Geiſtesentfaltung an.
Indem dieſe Stufe eintrat, mußte ſie zunächſt im äußeren Bilde wie eine Iſolierung, eine Entfernung der Geſchlechts¬ partner voneinander ausſehen. Von der ſtumpfen Lebens¬ verwachſung der Diplozoon und Syngamus führt der Weg zur wahren, hilfsbereiten, in Arbeitsteilung noch weit über das Geſchlecht hinaus ſich ſozial zuſammenthuenden Ehegemeinſchaft zweier höherer Tierindividuen allenthalben dunkel über eine Trennungsſtufe, die die Individuen — auch die geſchlechtlich aufeinander angewieſenen — zunächſt einmal ſchärfer vonein¬ ander trieb, aufs einzelne jedes für ſich ſtellte. Erſt auf der Errungenſchaft dieſer ſchärferen Individualiſierung konnte ſich dann erſt wieder der Fortſchritt in Geſtalt höherer Einigung aufbauen. Und es iſt zweifellos, daß auch von dieſem Zwiſchen¬
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kurzen Moments wie Feinde, wie wilde Konkurrenten oder gar
Beuteobjekte im Daſeinskampfe gegenüber ſtehen.
Welch ein Abſtand, — erinnere dich an den grotesken
Syngamus in der Entenluftröhre, wo die Gatten ſich zeitlebens
nicht aus innigſter Geſchlechtsverknüpfung löſten, an das tolle
Diplozoon, wo zwei Hermaphroditen übers Kreuz miteinander
verwuchſen.
Spinne wie Stichling ſtehen in der Entwickelungskette
enorm hoch über Diplozoon und Syngamus. Iſt es nicht, als
wolle die Höherentwickelung auf eine wachſende Trennung der
Geſchlechter, auf eine zunehmende Zerſtörung der Ehe, der
engen Geſchlechtsverkettung an? Täuſche dich aber nicht.
Wir ſind eigentlich im Laufe der Dinge noch unterhalb
aller echten Ehe in ſolchen Fällen wie Spinne und Stichling.
Wohl findeſt du die Ehe ſchon ein gut Stück abwärts von dir
inmitten der Tierwelt ganz zweifellos echt aufblitzend. Aber
wo ſie möglich wurde, da wurde ſie es nur als nachträgliche
neue Wiedervereinigung zweier gleichſam geiſtig in ſich ge¬
ſchloſſener, zunächſt innerlich ganz auf ſich geſtellter, ſcharf
geſonderter Individuen. Solche Individuen waren aber erſt
möglich von einer gewiſſen Stufe der Geiſtesentfaltung an.
Indem dieſe Stufe eintrat, mußte ſie zunächſt im äußeren
Bilde wie eine Iſolierung, eine Entfernung der Geſchlechts¬
partner voneinander ausſehen. Von der ſtumpfen Lebens¬
verwachſung der Diplozoon und Syngamus führt der Weg zur
wahren, hilfsbereiten, in Arbeitsteilung noch weit über das
Geſchlecht hinaus ſich ſozial zuſammenthuenden Ehegemeinſchaft
zweier höherer Tierindividuen allenthalben dunkel über eine
Trennungsſtufe, die die Individuen — auch die geſchlechtlich
aufeinander angewieſenen — zunächſt einmal ſchärfer vonein¬
ander trieb, aufs einzelne jedes für ſich ſtellte. Erſt auf der
Errungenſchaft dieſer ſchärferen Individualiſierung konnte ſich
dann erſt wieder der Fortſchritt in Geſtalt höherer Einigung
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/367>, abgerufen am 22.11.2024.
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