Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Sieh dir noch einmal die kleinen grünen Algenfäden von
vorhin an, -- niedrigste Pflanzen, die zwar schon etwas über
das einfache einzellige Urwesen hinaus sind, aber doch noch
schlichteste Verschmelzung gleicher Teilindividuen zeigen. Da
gewahrst du zwei solcher kleinsten Teilalgen, wie sie sich im
Wasser herum bewegen und einen Partner zum Verschmelzen
suchen. Es sind echte Brüder aus derselben zerspaltenen Zelle.
Jetzt begegnen sie sich -- aber sie weichen einander aus. Sie
wollen sich nicht! Im nächsten Moment dagegen hat jede eine
fremde, nicht brüderliche Schwärmzelle erreicht und dort giebt's
alsbald intensivsten Zusammenschluß. Warum verschmäht der
Bruder den Bruder?

Sieh dir anderes an. Höhere Pflanzen. Hier ist schon
echte Geschlechtertrennung, ein weiblicher Teil in der Blüte:
der Fruchtknoten, und männliche Teile: die samenhaltigen Staub¬
gefäße. Aber das nebenbei. Jedenfalls hast du in einer Un¬
masse von Fällen beide Teile, die zum Geschlechtsakt sich ver¬
mischen, verschmelzen sollen, hier anscheinend dicht nebeneinander
in derselben Blüte. Diese höheren Pflanzen entsenden keine beweg¬
lichen Schwärmzellen mehr wie jene Algen. Die Blüte sitzt fest
wie die ganze Pflanze. Um so glücklicher scheint die Vereinigung
beider Geschlechtsteile in einer und derselben Blüte. Die Staub¬
fäden, scheint es, brauchen bloß zur rechten Zeit ihre Samenzellen
abzuwerfen, so werden diese auf den Griffel, den Fruchtknoten
fallen und den weiblichen Teil durch Verschmelzung befruchten.

Sieh dir noch einmal die kleinen grünen Algenfäden von
vorhin an, — niedrigſte Pflanzen, die zwar ſchon etwas über
das einfache einzellige Urweſen hinaus ſind, aber doch noch
ſchlichteſte Verſchmelzung gleicher Teilindividuen zeigen. Da
gewahrſt du zwei ſolcher kleinſten Teilalgen, wie ſie ſich im
Waſſer herum bewegen und einen Partner zum Verſchmelzen
ſuchen. Es ſind echte Brüder aus derſelben zerſpaltenen Zelle.
Jetzt begegnen ſie ſich — aber ſie weichen einander aus. Sie
wollen ſich nicht! Im nächſten Moment dagegen hat jede eine
fremde, nicht brüderliche Schwärmzelle erreicht und dort giebt's
alsbald intenſivſten Zuſammenſchluß. Warum verſchmäht der
Bruder den Bruder?

Sieh dir anderes an. Höhere Pflanzen. Hier iſt ſchon
echte Geſchlechtertrennung, ein weiblicher Teil in der Blüte:
der Fruchtknoten, und männliche Teile: die ſamenhaltigen Staub¬
gefäße. Aber das nebenbei. Jedenfalls haſt du in einer Un¬
maſſe von Fällen beide Teile, die zum Geſchlechtsakt ſich ver¬
miſchen, verſchmelzen ſollen, hier anſcheinend dicht nebeneinander
in derſelben Blüte. Dieſe höheren Pflanzen entſenden keine beweg¬
lichen Schwärmzellen mehr wie jene Algen. Die Blüte ſitzt feſt
wie die ganze Pflanze. Um ſo glücklicher ſcheint die Vereinigung
beider Geſchlechtsteile in einer und derſelben Blüte. Die Staub¬
fäden, ſcheint es, brauchen bloß zur rechten Zeit ihre Samenzellen
abzuwerfen, ſo werden dieſe auf den Griffel, den Fruchtknoten
fallen und den weiblichen Teil durch Verſchmelzung befruchten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0168" n="152"/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>ieh dir noch einmal die kleinen grünen Algenfäden von<lb/>
vorhin an, &#x2014; niedrig&#x017F;te Pflanzen, die zwar &#x017F;chon etwas über<lb/>
das einfache einzellige Urwe&#x017F;en hinaus &#x017F;ind, aber doch noch<lb/>
&#x017F;chlichte&#x017F;te Ver&#x017F;chmelzung gleicher Teilindividuen zeigen. Da<lb/>
gewahr&#x017F;t du zwei &#x017F;olcher klein&#x017F;ten Teilalgen, wie &#x017F;ie &#x017F;ich im<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er herum bewegen und einen Partner zum Ver&#x017F;chmelzen<lb/>
&#x017F;uchen. Es &#x017F;ind echte Brüder aus der&#x017F;elben zer&#x017F;paltenen Zelle.<lb/>
Jetzt begegnen &#x017F;ie &#x017F;ich &#x2014; aber &#x017F;ie weichen einander aus. Sie<lb/>
wollen &#x017F;ich nicht! Im näch&#x017F;ten Moment dagegen hat jede eine<lb/>
fremde, nicht brüderliche Schwärmzelle erreicht und dort giebt's<lb/>
alsbald inten&#x017F;iv&#x017F;ten Zu&#x017F;ammen&#x017F;chluß. Warum ver&#x017F;chmäht der<lb/>
Bruder den Bruder?</p><lb/>
        <p>Sieh dir anderes an. Höhere Pflanzen. Hier i&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
echte Ge&#x017F;chlechtertrennung, ein weiblicher Teil in der Blüte:<lb/>
der Fruchtknoten, und männliche Teile: die &#x017F;amenhaltigen Staub¬<lb/>
gefäße. Aber das nebenbei. Jedenfalls ha&#x017F;t du in einer Un¬<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;e von Fällen beide Teile, die zum Ge&#x017F;chlechtsakt &#x017F;ich ver¬<lb/>
mi&#x017F;chen, ver&#x017F;chmelzen &#x017F;ollen, hier an&#x017F;cheinend dicht nebeneinander<lb/>
in der&#x017F;elben Blüte. Die&#x017F;e höheren Pflanzen ent&#x017F;enden keine beweg¬<lb/>
lichen Schwärmzellen mehr wie jene Algen. Die Blüte &#x017F;itzt fe&#x017F;t<lb/>
wie die ganze Pflanze. Um &#x017F;o glücklicher &#x017F;cheint die Vereinigung<lb/>
beider Ge&#x017F;chlechtsteile in einer und der&#x017F;elben Blüte. Die Staub¬<lb/>
fäden, &#x017F;cheint es, brauchen bloß zur rechten Zeit ihre Samenzellen<lb/>
abzuwerfen, &#x017F;o werden die&#x017F;e auf den Griffel, den Fruchtknoten<lb/>
fallen und den weiblichen Teil durch Ver&#x017F;chmelzung befruchten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0168] Sieh dir noch einmal die kleinen grünen Algenfäden von vorhin an, — niedrigſte Pflanzen, die zwar ſchon etwas über das einfache einzellige Urweſen hinaus ſind, aber doch noch ſchlichteſte Verſchmelzung gleicher Teilindividuen zeigen. Da gewahrſt du zwei ſolcher kleinſten Teilalgen, wie ſie ſich im Waſſer herum bewegen und einen Partner zum Verſchmelzen ſuchen. Es ſind echte Brüder aus derſelben zerſpaltenen Zelle. Jetzt begegnen ſie ſich — aber ſie weichen einander aus. Sie wollen ſich nicht! Im nächſten Moment dagegen hat jede eine fremde, nicht brüderliche Schwärmzelle erreicht und dort giebt's alsbald intenſivſten Zuſammenſchluß. Warum verſchmäht der Bruder den Bruder? Sieh dir anderes an. Höhere Pflanzen. Hier iſt ſchon echte Geſchlechtertrennung, ein weiblicher Teil in der Blüte: der Fruchtknoten, und männliche Teile: die ſamenhaltigen Staub¬ gefäße. Aber das nebenbei. Jedenfalls haſt du in einer Un¬ maſſe von Fällen beide Teile, die zum Geſchlechtsakt ſich ver¬ miſchen, verſchmelzen ſollen, hier anſcheinend dicht nebeneinander in derſelben Blüte. Dieſe höheren Pflanzen entſenden keine beweg¬ lichen Schwärmzellen mehr wie jene Algen. Die Blüte ſitzt feſt wie die ganze Pflanze. Um ſo glücklicher ſcheint die Vereinigung beider Geſchlechtsteile in einer und derſelben Blüte. Die Staub¬ fäden, ſcheint es, brauchen bloß zur rechten Zeit ihre Samenzellen abzuwerfen, ſo werden dieſe auf den Griffel, den Fruchtknoten fallen und den weiblichen Teil durch Verſchmelzung befruchten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/168
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/168>, abgerufen am 28.04.2024.