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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Liebe im Sinne der Verschmelzung zweier Individuen zum
Zweck der Erzeugung eines dritten ist bloß eine verfeinerte
Form des Fressens
. Du begreifst aber im engeren, wie
das wirklich gemeint ist, -- ohne paradoxen Scherz und im
Sinne eines höchst nüchternen Gedankenganges, bei dem wir
schließlich am Anfang so wenig wie am Schluß, beim "ein¬
fachen" so wenig wie beim "verfeinerten", den Dingen eigent¬
lich in die Karten schauen. Fressen und Exkrement bleiben am
Ende ebenso tiefe und erhabene Rätsel des Lebendigen wie
Fortpflanzung und Liebe. Und nur das eine scheint gerade
durchzuleuchten, daß die letzteren Begriffe erst die sekundären,
die höheren, die überbietenden innerhalb einer Entwickelungs¬
leiter darstellen.

Die nächste Stufe in unserem Märchenbilde ist ein bißchen
kitzelig. Die Zwerge gewöhnten sich aus Nützlichkeitsgründen
daran, nicht mehr ihre unmittelbar blutsverwandten Brüder,
sondern fremde Stammesgenossen zum Verschmelzen zu benutzen.
Es liegt hier ein großes Problem für die ganze Lebens- und
Liebesforschung vor. Das Problem der Kreuzung und Inzucht.

Liebe im Sinne der Verſchmelzung zweier Individuen zum
Zweck der Erzeugung eines dritten iſt bloß eine verfeinerte
Form des Freſſens
. Du begreifſt aber im engeren, wie
das wirklich gemeint iſt, — ohne paradoxen Scherz und im
Sinne eines höchſt nüchternen Gedankenganges, bei dem wir
ſchließlich am Anfang ſo wenig wie am Schluß, beim „ein¬
fachen“ ſo wenig wie beim „verfeinerten“, den Dingen eigent¬
lich in die Karten ſchauen. Freſſen und Exkrement bleiben am
Ende ebenſo tiefe und erhabene Rätſel des Lebendigen wie
Fortpflanzung und Liebe. Und nur das eine ſcheint gerade
durchzuleuchten, daß die letzteren Begriffe erſt die ſekundären,
die höheren, die überbietenden innerhalb einer Entwickelungs¬
leiter darſtellen.

Die nächſte Stufe in unſerem Märchenbilde iſt ein bißchen
kitzelig. Die Zwerge gewöhnten ſich aus Nützlichkeitsgründen
daran, nicht mehr ihre unmittelbar blutsverwandten Brüder,
ſondern fremde Stammesgenoſſen zum Verſchmelzen zu benutzen.
Es liegt hier ein großes Problem für die ganze Lebens- und
Liebesforſchung vor. Das Problem der Kreuzung und Inzucht.

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[151/0167] Liebe im Sinne der Verſchmelzung zweier Individuen zum Zweck der Erzeugung eines dritten iſt bloß eine verfeinerte Form des Freſſens. Du begreifſt aber im engeren, wie das wirklich gemeint iſt, — ohne paradoxen Scherz und im Sinne eines höchſt nüchternen Gedankenganges, bei dem wir ſchließlich am Anfang ſo wenig wie am Schluß, beim „ein¬ fachen“ ſo wenig wie beim „verfeinerten“, den Dingen eigent¬ lich in die Karten ſchauen. Freſſen und Exkrement bleiben am Ende ebenſo tiefe und erhabene Rätſel des Lebendigen wie Fortpflanzung und Liebe. Und nur das eine ſcheint gerade durchzuleuchten, daß die letzteren Begriffe erſt die ſekundären, die höheren, die überbietenden innerhalb einer Entwickelungs¬ leiter darſtellen. Die nächſte Stufe in unſerem Märchenbilde iſt ein bißchen kitzelig. Die Zwerge gewöhnten ſich aus Nützlichkeitsgründen daran, nicht mehr ihre unmittelbar blutsverwandten Brüder, ſondern fremde Stammesgenoſſen zum Verſchmelzen zu benutzen. Es liegt hier ein großes Problem für die ganze Lebens- und Liebesforſchung vor. Das Problem der Kreuzung und Inzucht.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/167>, abgerufen am 23.11.2024.