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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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sonnenlosen Polarwinter glatt erträgt. Hat mit diesem Menschen
und seinem erfinderischen, kraftverwandelnden Genie die Natur
etwa schon die endgültig neue Anpassungsform gefunden, die
das Leben sich abermals weiter entwickeln läßt in eine strengste
Kälteepoche hinein, -- eine Epoche, da die Erkaltung, die vor¬
her nur die Erde traf und hier den Bazillus möglich machte,
nunmehr auch die Sonne übermannt und damit die Erde in
einen endlosen Polarwinter stürzt? Wird der Mensch, vervoll¬
kommnet mit seinen Maschinen ins ungeheure, einst das Problem
der Weltraumkälte spielend überwinden? Wird er -- weit
entfernt, wie unsere kleinmütigen Propheten jetzt schon so gern
orakeln, in einer kommenden Weltvereisung armselig mit all
seiner Kultur zur Eismumie zu gefrieren -- vielmehr eben als
Mensch und durch diese Kultur der Bazillus gleichsam einer
neuen Lebensära werden, die der Kälte von einigen hundert
Grad spottet wie der erste Bazillus eines Herabgangs der
Temperatur von Rotglut vielleicht bis auf einige vierzig Grad
Wärme voreinst gespottet hat ....?

Doch das nur nebenbei.

Das Wesentlichste ist, daß auch dieser zweite Gedanken¬
gang dich mit dem Leben ohne jeden Riß in die unabsehbaren
Sternentwickelungen hineinführt und zugleich das Problem des
Lebens im Unfaßbaren der letzten Weltendinge und Welt¬
ursachen zur Ruhe bringt. Die Veranlagung der Gesamt¬
materie zur ungehemmten Lebensentwickelung sinkt ganz natur¬
gemäß als eine Grunderscheinung der Materie in das funda¬
mentale Geheimnis, das über dem Wesen dieser Materie
überhaupt liegt. In diesem Sinne läuft dieser Weg ganz
genau auf dasselbe Ziel hinaus wie jener andere.

Nur eins bleibt dir noch zu erwägen für beide Möglich¬
keiten -- und das ist gerade, was uns nach einigem Umweg
recht eigentlich wieder auf unser Liebesproblem zurückbringt.

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ſonnenloſen Polarwinter glatt erträgt. Hat mit dieſem Menſchen
und ſeinem erfinderiſchen, kraftverwandelnden Genie die Natur
etwa ſchon die endgültig neue Anpaſſungsform gefunden, die
das Leben ſich abermals weiter entwickeln läßt in eine ſtrengſte
Kälteepoche hinein, — eine Epoche, da die Erkaltung, die vor¬
her nur die Erde traf und hier den Bazillus möglich machte,
nunmehr auch die Sonne übermannt und damit die Erde in
einen endloſen Polarwinter ſtürzt? Wird der Menſch, vervoll¬
kommnet mit ſeinen Maſchinen ins ungeheure, einſt das Problem
der Weltraumkälte ſpielend überwinden? Wird er — weit
entfernt, wie unſere kleinmütigen Propheten jetzt ſchon ſo gern
orakeln, in einer kommenden Weltvereiſung armſelig mit all
ſeiner Kultur zur Eismumie zu gefrieren — vielmehr eben als
Menſch und durch dieſe Kultur der Bazillus gleichſam einer
neuen Lebensära werden, die der Kälte von einigen hundert
Grad ſpottet wie der erſte Bazillus eines Herabgangs der
Temperatur von Rotglut vielleicht bis auf einige vierzig Grad
Wärme voreinſt geſpottet hat ....?

Doch das nur nebenbei.

Das Weſentlichſte iſt, daß auch dieſer zweite Gedanken¬
gang dich mit dem Leben ohne jeden Riß in die unabſehbaren
Sternentwickelungen hineinführt und zugleich das Problem des
Lebens im Unfaßbaren der letzten Weltendinge und Welt¬
urſachen zur Ruhe bringt. Die Veranlagung der Geſamt¬
materie zur ungehemmten Lebensentwickelung ſinkt ganz natur¬
gemäß als eine Grunderſcheinung der Materie in das funda¬
mentale Geheimnis, das über dem Weſen dieſer Materie
überhaupt liegt. In dieſem Sinne läuft dieſer Weg ganz
genau auf daſſelbe Ziel hinaus wie jener andere.

Nur eins bleibt dir noch zu erwägen für beide Möglich¬
keiten — und das iſt gerade, was uns nach einigem Umweg
recht eigentlich wieder auf unſer Liebesproblem zurückbringt.

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[114/0130] ſonnenloſen Polarwinter glatt erträgt. Hat mit dieſem Menſchen und ſeinem erfinderiſchen, kraftverwandelnden Genie die Natur etwa ſchon die endgültig neue Anpaſſungsform gefunden, die das Leben ſich abermals weiter entwickeln läßt in eine ſtrengſte Kälteepoche hinein, — eine Epoche, da die Erkaltung, die vor¬ her nur die Erde traf und hier den Bazillus möglich machte, nunmehr auch die Sonne übermannt und damit die Erde in einen endloſen Polarwinter ſtürzt? Wird der Menſch, vervoll¬ kommnet mit ſeinen Maſchinen ins ungeheure, einſt das Problem der Weltraumkälte ſpielend überwinden? Wird er — weit entfernt, wie unſere kleinmütigen Propheten jetzt ſchon ſo gern orakeln, in einer kommenden Weltvereiſung armſelig mit all ſeiner Kultur zur Eismumie zu gefrieren — vielmehr eben als Menſch und durch dieſe Kultur der Bazillus gleichſam einer neuen Lebensära werden, die der Kälte von einigen hundert Grad ſpottet wie der erſte Bazillus eines Herabgangs der Temperatur von Rotglut vielleicht bis auf einige vierzig Grad Wärme voreinſt geſpottet hat ....? Doch das nur nebenbei. Das Weſentlichſte iſt, daß auch dieſer zweite Gedanken¬ gang dich mit dem Leben ohne jeden Riß in die unabſehbaren Sternentwickelungen hineinführt und zugleich das Problem des Lebens im Unfaßbaren der letzten Weltendinge und Welt¬ urſachen zur Ruhe bringt. Die Veranlagung der Geſamt¬ materie zur ungehemmten Lebensentwickelung ſinkt ganz natur¬ gemäß als eine Grunderſcheinung der Materie in das funda¬ mentale Geheimnis, das über dem Weſen dieſer Materie überhaupt liegt. In dieſem Sinne läuft dieſer Weg ganz genau auf daſſelbe Ziel hinaus wie jener andere. Nur eins bleibt dir noch zu erwägen für beide Möglich¬ keiten — und das iſt gerade, was uns nach einigem Umweg recht eigentlich wieder auf unſer Liebesproblem zurückbringt. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/130>, abgerufen am 02.05.2024.