Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Der Helm.
andere charakteristische Helmform nach Frankreich und Deutschland,
die Sturmhaube (bourgignotte). Sie bildete sich zweifelsohne aus
der italienischen Schallern heraus, mit der sie manche Ähnlichkeiten
besitzt, vor der sie aber viele Vorteile voraus hat.

Die Sturmhaube besteht im wesentlichen aus dem Scheitel-
stücke
, welches, rückwärts stark eingezogen, einen ausgeschweiften
steifen oder geschobenen Nackenschirm, vorn aber einen meist
aufwärts gerichteten Sonnenschirm besitzt. Ursprünglich mit niederem
Kamme, wird derselbe allmählich übertrieben hoch. An dem seitlich
ausgeschnittenen Scheitelstücke werden Backenstücke zum Schutze
der Ohren befestigt, welche sich an Scharnieren bewegen. Zum
Zwecke des Hörens werden dieselben mit Löchern versehen, welche

[Abbildung] Fig. 36.

Geschlossene Sturmhaube von einem Trabharnische
des Ritters Hans Fernberger von Auer (gest. 1584). Um 1550.

[Abbildung] Fig. 37.

Venetianische Sturmhaube, in Eisen getrieben,
gebräunt und vergoldet. Die Backenstücke sind von alter, doch späterer
Arbeit. Um 1560. Armeria Reale in Turin.

Gehörrosen heissen. Im Nacken unterhalb des Kammes befindet
sich die Federhülse. Reichen diese Backenstücke nur bis an den
Backenknochen, wo sie am Halse mittelst Riemen verbunden werden,
dann benennt man die Haube eine offene. Schliessen sie sich bis
ans Kinn, dann bildet sich die geschlossene Sturmhaube.
(Fig. 36.)

Italienische Sturmhauben unterscheiden sich von den deutschen
im allgemeinen dadurch, dass die ersteren mehr geschweifte Formen
haben und dem antiken Helme der Römer ähnlich erscheinen. Sie

1. Der Helm.
andere charakteristische Helmform nach Frankreich und Deutschland,
die Sturmhaube (bourgignotte). Sie bildete sich zweifelsohne aus
der italienischen Schallern heraus, mit der sie manche Ähnlichkeiten
besitzt, vor der sie aber viele Vorteile voraus hat.

Die Sturmhaube besteht im wesentlichen aus dem Scheitel-
stücke
, welches, rückwärts stark eingezogen, einen ausgeschweiften
steifen oder geschobenen Nackenschirm, vorn aber einen meist
aufwärts gerichteten Sonnenschirm besitzt. Ursprünglich mit niederem
Kamme, wird derselbe allmählich übertrieben hoch. An dem seitlich
ausgeschnittenen Scheitelstücke werden Backenstücke zum Schutze
der Ohren befestigt, welche sich an Scharnieren bewegen. Zum
Zwecke des Hörens werden dieselben mit Löchern versehen, welche

[Abbildung] Fig. 36.

Geschlossene Sturmhaube von einem Trabharnische
des Ritters Hans Fernberger von Auer (gest. 1584). Um 1550.

[Abbildung] Fig. 37.

Venetianische Sturmhaube, in Eisen getrieben,
gebräunt und vergoldet. Die Backenstücke sind von alter, doch späterer
Arbeit. Um 1560. Armeria Reale in Turin.

Gehörrosen heiſsen. Im Nacken unterhalb des Kammes befindet
sich die Federhülse. Reichen diese Backenstücke nur bis an den
Backenknochen, wo sie am Halse mittelst Riemen verbunden werden,
dann benennt man die Haube eine offene. Schlieſsen sie sich bis
ans Kinn, dann bildet sich die geschlossene Sturmhaube.
(Fig. 36.)

Italienische Sturmhauben unterscheiden sich von den deutschen
im allgemeinen dadurch, daſs die ersteren mehr geschweifte Formen
haben und dem antiken Helme der Römer ähnlich erscheinen. Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0065" n="47"/><fw place="top" type="header">1. Der Helm.</fw><lb/>
andere charakteristische Helmform nach Frankreich und Deutschland,<lb/>
die <hi rendition="#g">Sturmhaube</hi> (bourgignotte). Sie bildete sich zweifelsohne aus<lb/>
der italienischen Schallern heraus, mit der sie manche Ähnlichkeiten<lb/>
besitzt, vor der sie aber viele Vorteile voraus hat.</p><lb/>
          <p>Die Sturmhaube besteht im wesentlichen aus dem <hi rendition="#g">Scheitel-<lb/>
stücke</hi>, welches, rückwärts stark eingezogen, einen ausgeschweiften<lb/>
steifen oder geschobenen <hi rendition="#g">Nackenschirm</hi>, vorn aber einen meist<lb/>
aufwärts gerichteten Sonnenschirm besitzt. Ursprünglich mit niederem<lb/>
Kamme, wird derselbe allmählich übertrieben hoch. An dem seitlich<lb/>
ausgeschnittenen Scheitelstücke werden <hi rendition="#g">Backenstücke</hi> zum Schutze<lb/>
der Ohren befestigt, welche sich an Scharnieren bewegen. Zum<lb/>
Zwecke des Hörens werden dieselben mit Löchern versehen, welche<lb/><figure><head><hi rendition="#g">Fig</hi>. 36.</head><p><hi rendition="#g">Geschlossene Sturmhaube</hi> von einem Trabharnische<lb/>
des Ritters <hi rendition="#g">Hans Fernberger von Auer</hi> (gest. 1584). Um 1550.</p></figure><lb/><figure><head><hi rendition="#g">Fig</hi>. 37.</head><p><hi rendition="#g">Venetianische Sturmhaube</hi>, in Eisen getrieben,<lb/>
gebräunt und vergoldet. Die Backenstücke sind von alter, doch späterer<lb/>
Arbeit. Um 1560. Armeria Reale in Turin.</p></figure><lb/><hi rendition="#g">Gehörrosen</hi> hei&#x017F;sen. Im Nacken unterhalb des Kammes befindet<lb/>
sich die Federhülse. Reichen diese Backenstücke nur bis an den<lb/>
Backenknochen, wo sie am Halse mittelst Riemen verbunden werden,<lb/>
dann benennt man die Haube eine <hi rendition="#g">offene</hi>. Schlie&#x017F;sen sie sich bis<lb/>
ans Kinn, dann bildet sich die <hi rendition="#g">geschlossene Sturmhaube</hi>.<lb/>
(Fig. 36.)</p><lb/>
          <p>Italienische Sturmhauben unterscheiden sich von den deutschen<lb/>
im allgemeinen dadurch, da&#x017F;s die ersteren mehr geschweifte Formen<lb/>
haben und dem antiken Helme der Römer ähnlich erscheinen. Sie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0065] 1. Der Helm. andere charakteristische Helmform nach Frankreich und Deutschland, die Sturmhaube (bourgignotte). Sie bildete sich zweifelsohne aus der italienischen Schallern heraus, mit der sie manche Ähnlichkeiten besitzt, vor der sie aber viele Vorteile voraus hat. Die Sturmhaube besteht im wesentlichen aus dem Scheitel- stücke, welches, rückwärts stark eingezogen, einen ausgeschweiften steifen oder geschobenen Nackenschirm, vorn aber einen meist aufwärts gerichteten Sonnenschirm besitzt. Ursprünglich mit niederem Kamme, wird derselbe allmählich übertrieben hoch. An dem seitlich ausgeschnittenen Scheitelstücke werden Backenstücke zum Schutze der Ohren befestigt, welche sich an Scharnieren bewegen. Zum Zwecke des Hörens werden dieselben mit Löchern versehen, welche [Abbildung Fig. 36. Geschlossene Sturmhaube von einem Trabharnische des Ritters Hans Fernberger von Auer (gest. 1584). Um 1550.] [Abbildung Fig. 37. Venetianische Sturmhaube, in Eisen getrieben, gebräunt und vergoldet. Die Backenstücke sind von alter, doch späterer Arbeit. Um 1560. Armeria Reale in Turin.] Gehörrosen heiſsen. Im Nacken unterhalb des Kammes befindet sich die Federhülse. Reichen diese Backenstücke nur bis an den Backenknochen, wo sie am Halse mittelst Riemen verbunden werden, dann benennt man die Haube eine offene. Schlieſsen sie sich bis ans Kinn, dann bildet sich die geschlossene Sturmhaube. (Fig. 36.) Italienische Sturmhauben unterscheiden sich von den deutschen im allgemeinen dadurch, daſs die ersteren mehr geschweifte Formen haben und dem antiken Helme der Römer ähnlich erscheinen. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/65
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/65>, abgerufen am 22.11.2024.