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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.
erscheinen daselbst als Gegenstände des Luxus in phantasievoller
Darstellung und reichster Ausstattung in Treibarbeit, Tausia und
Vergoldung. Mailand, Florenz, später auch Bologna und Rom
gelangen ihrer prachtvollen Sturmhauben wegen in allen Ländern zu
ungemeinem Rufe. Aber auch in Deutschland, vornehmlich in Augs-
burg, werden reichgezierte Sturmhauben von künstlerischer Ausführung
gefertigt. (Fig. 37.)

Die ältesten Sturmhauben der Zeit Karls V. besitzen 3 niedere
Kämme (Fig. 38); später bildet sich die deutsche Form heraus, die
selbst in Spanien und Italien angetroffen wird. Anfänglich war die
Sturmhaube nur eine Kopfbedeckung des Fusssöldners; bald aber
wurde sie auch von den Befehlshabern der Landsknechttruppe getragen.
Schon um 1530 wird sie ein Wechselstück zum Harnische und

[Abbildung] Fig. 37.

Sturmhaube mit 3 Kämmen
von blankem Eisen. Aus dem Heere Kaiser
Karls V. Spanisch. Um 1530.

hauptsächlich auf Märschen
benutzt. In der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts
tragen sie die leichten Reiter
Italiens und Deutschlands wie
der Niederlande. In der
Reiterei wird um 1560 zur
Sturmhaube ein Bart getragen,
der, am Bruststück befestigt,
die Form der Bärte von 1480
hatte, nur dass derselbe mehr
vorwärtsgerichtet war (Fig. 39).
Häufiger aber gewahrt man
den Vorsteck- oder An-
schnallbart
, sogenannten
Feldbart, der einem Visier
ähnlich das Gesicht deckte,
ein Verstärkungsstück, welches
schon an geschlossenen Hel-
men des 15. Jahrhunderts in
Anwendung gelangte (Fig. 40).
Deutsche und niederländische Sturmhauben besitzen Feldbärte mit Hals-
reifen, die, angeschnallt oder mittelst Häkchen an den Backenstücken be-
festigt, der Haube ganz das Aussehen eines geschlossenen Helmes
geben. (Fig. 41.) Sie sind gewöhnlich drei bis viermal abwärts
geschoben, um sie nach Bedarf teilweise oder ganz öffnen zu können.
Deutsche Sturmhauben werden bis ins 17. Jahrhundert in allen
Heeren, selbst den italienischen getragen. Schon um die Mitte des
16. Jahrhunderts erscheinen geschlossene Helme, welche die alte
Helmform mit jener der Sturmhauben vereinigen. Die Varianten
darin sind ungemein zahlreich. Am Ende des 16. Jahrhunderts
erscheint die deutsche Sturmhaube häufig unter der Bezeichnung

I. Die Schutzwaffen.
erscheinen daselbst als Gegenstände des Luxus in phantasievoller
Darstellung und reichster Ausstattung in Treibarbeit, Tausia und
Vergoldung. Mailand, Florenz, später auch Bologna und Rom
gelangen ihrer prachtvollen Sturmhauben wegen in allen Ländern zu
ungemeinem Rufe. Aber auch in Deutschland, vornehmlich in Augs-
burg, werden reichgezierte Sturmhauben von künstlerischer Ausführung
gefertigt. (Fig. 37.)

Die ältesten Sturmhauben der Zeit Karls V. besitzen 3 niedere
Kämme (Fig. 38); später bildet sich die deutsche Form heraus, die
selbst in Spanien und Italien angetroffen wird. Anfänglich war die
Sturmhaube nur eine Kopfbedeckung des Fuſssöldners; bald aber
wurde sie auch von den Befehlshabern der Landsknechttruppe getragen.
Schon um 1530 wird sie ein Wechselstück zum Harnische und

[Abbildung] Fig. 37.

Sturmhaube mit 3 Kämmen
von blankem Eisen. Aus dem Heere Kaiser
Karls V. Spanisch. Um 1530.

hauptsächlich auf Märschen
benutzt. In der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts
tragen sie die leichten Reiter
Italiens und Deutschlands wie
der Niederlande. In der
Reiterei wird um 1560 zur
Sturmhaube ein Bart getragen,
der, am Bruststück befestigt,
die Form der Bärte von 1480
hatte, nur daſs derselbe mehr
vorwärtsgerichtet war (Fig. 39).
Häufiger aber gewahrt man
den Vorsteck- oder An-
schnallbart
, sogenannten
Feldbart, der einem Visier
ähnlich das Gesicht deckte,
ein Verstärkungsstück, welches
schon an geschlossenen Hel-
men des 15. Jahrhunderts in
Anwendung gelangte (Fig. 40).
Deutsche und niederländische Sturmhauben besitzen Feldbärte mit Hals-
reifen, die, angeschnallt oder mittelst Häkchen an den Backenstücken be-
festigt, der Haube ganz das Aussehen eines geschlossenen Helmes
geben. (Fig. 41.) Sie sind gewöhnlich drei bis viermal abwärts
geschoben, um sie nach Bedarf teilweise oder ganz öffnen zu können.
Deutsche Sturmhauben werden bis ins 17. Jahrhundert in allen
Heeren, selbst den italienischen getragen. Schon um die Mitte des
16. Jahrhunderts erscheinen geschlossene Helme, welche die alte
Helmform mit jener der Sturmhauben vereinigen. Die Varianten
darin sind ungemein zahlreich. Am Ende des 16. Jahrhunderts
erscheint die deutsche Sturmhaube häufig unter der Bezeichnung

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[48/0066] I. Die Schutzwaffen. erscheinen daselbst als Gegenstände des Luxus in phantasievoller Darstellung und reichster Ausstattung in Treibarbeit, Tausia und Vergoldung. Mailand, Florenz, später auch Bologna und Rom gelangen ihrer prachtvollen Sturmhauben wegen in allen Ländern zu ungemeinem Rufe. Aber auch in Deutschland, vornehmlich in Augs- burg, werden reichgezierte Sturmhauben von künstlerischer Ausführung gefertigt. (Fig. 37.) Die ältesten Sturmhauben der Zeit Karls V. besitzen 3 niedere Kämme (Fig. 38); später bildet sich die deutsche Form heraus, die selbst in Spanien und Italien angetroffen wird. Anfänglich war die Sturmhaube nur eine Kopfbedeckung des Fuſssöldners; bald aber wurde sie auch von den Befehlshabern der Landsknechttruppe getragen. Schon um 1530 wird sie ein Wechselstück zum Harnische und [Abbildung Fig. 37. Sturmhaube mit 3 Kämmen von blankem Eisen. Aus dem Heere Kaiser Karls V. Spanisch. Um 1530.] hauptsächlich auf Märschen benutzt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts tragen sie die leichten Reiter Italiens und Deutschlands wie der Niederlande. In der Reiterei wird um 1560 zur Sturmhaube ein Bart getragen, der, am Bruststück befestigt, die Form der Bärte von 1480 hatte, nur daſs derselbe mehr vorwärtsgerichtet war (Fig. 39). Häufiger aber gewahrt man den Vorsteck- oder An- schnallbart, sogenannten Feldbart, der einem Visier ähnlich das Gesicht deckte, ein Verstärkungsstück, welches schon an geschlossenen Hel- men des 15. Jahrhunderts in Anwendung gelangte (Fig. 40). Deutsche und niederländische Sturmhauben besitzen Feldbärte mit Hals- reifen, die, angeschnallt oder mittelst Häkchen an den Backenstücken be- festigt, der Haube ganz das Aussehen eines geschlossenen Helmes geben. (Fig. 41.) Sie sind gewöhnlich drei bis viermal abwärts geschoben, um sie nach Bedarf teilweise oder ganz öffnen zu können. Deutsche Sturmhauben werden bis ins 17. Jahrhundert in allen Heeren, selbst den italienischen getragen. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts erscheinen geschlossene Helme, welche die alte Helmform mit jener der Sturmhauben vereinigen. Die Varianten darin sind ungemein zahlreich. Am Ende des 16. Jahrhunderts erscheint die deutsche Sturmhaube häufig unter der Bezeichnung

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/66>, abgerufen am 22.11.2024.