Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Die Turnierwaffen.

Um den Beginn des 15. Jahrhunderts kam in Deutschland eine
neue Turniergattung in Aufnahme, die bald mehr beliebt wurde, als
das Gestech: das Rennen.*)

Schon aus dem oberflächlichen Vergleiche des Stech- mit dem
Rennzeuge ist zu ersehen, dass, wie jenes sich aus den alten Har-
nischen mit den Kübelhelmen entwickelt, dieses seine Formen von
den gleichzeitigen Schallernharnischen des 15. Jahrhunderts entlehnt,
ja geradezu als eine Verstärkung des Schallernharnisches erscheint.

Die Kopfbedeckung des Rennzeuges (Fig. 631 und 632) bildet
der Rennhut, dessen Formen ganz der Schallern entsprechen, mit
Sehspalt, jedoch ohne Visier. Die Stirnseite wird durch zwei Platten
(Stirnplatten) verstärkt, welche mit Federlappen an das Stirnstück be-
festigt werden. Auch hier finden sich mit Messing gefütterte Löcher
zur Befestigung des einfacheren Helmschmuckes, der beim Rennhut
leichter und weniger auffällig erscheint und meist nur aus Federn
bestand. Die Brust ist im allgemeinen wie die Stechbrust mit Rüst-
und Rasthaken versehen. An die Brust wird ein sogenannter "Bart"
aus Eisenblech geschraubt, der die untere Hälfte des Gesichtes deckt.

An das Magenblech schliessen sich die Bauchreifen und an diese
die Rennschösse, die meist geschoben sind. Der Rücken ist ge-
wöhnlich in den Armlöchern, am Nacken und unterhalb derart tief
ausgeschnitten, dass er nur wie ein kreuzweise gelegtes Band erscheint.
Am Unterrande des Rückens ist, wie beim Stechzeug, das Schwänzel
angenietet. Rüsthaken und Rasthakenschiene ist ganz wie beim deut-
schen Stechzeuge.

Dies ist die für alle Renngattungen gemeinsame Form des Renn-
zeuges. Die kleinen Formvarianten werden wir der Verständlichkeit
halber bei Gelegenheit der Erklärung der verschiedenen Gattungen
des Rennens näher ins Auge fassen.

Zu den Ausrüstungsstücken des Rennzeuges gehören:

Die Renntartsche. (Fig. 633.) Sie ist von Holz, an den Rän-

*) Wenn wir den Schilderungen des Hofmeisters des Markgrafen Albrecht
Achilles von Brandenburg, Ludwig von Eyb, Glauben schenken, so hatte dieser
einen bedeutenden Anteil an der Einführung des Rennens im Turnierwesen. Er
sagt in Bezug darauf: "er, Albrecht, hat herfurbracht vnd geoffnet das rennen mit
dem spiess, denn das vor im selten (sic!) gebraucht was, der hat mit einem seiner
diener Heinrich Dondorfer herfurbracht das rennen hinter dem punt mit grosser
versorgknus, das vor nit gwest was, auch das rennen hinter der angeschweiften
dartschen. Auch zum stechen die zeug darzu gericht, die stechzeug mit der stegen
uff der platten über die achsell, darauff der helm sein ruh hat. Auch die anzug
uff der platten mit den schrauben, das man vor mit den rymen anzug, die liessen
nach, dadurch die stucker hart gestossen wurden." (Jul. v. Minutoli. Das kais.
Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Berlin 1850, pag. 511.) In diesem
Werke finden sich noch wichtige Bemerkungen über das Turnierwesen. Nach-
weislich hat sich für die Ausbildung des späteren Turnierwesens im 15. Jahrh. neben
Albrecht Achilles auch Maximilian I. wesentliche Verdienste erworben.
III. Die Turnierwaffen.

Um den Beginn des 15. Jahrhunderts kam in Deutschland eine
neue Turniergattung in Aufnahme, die bald mehr beliebt wurde, als
das Gestech: das Rennen.*)

Schon aus dem oberflächlichen Vergleiche des Stech- mit dem
Rennzeuge ist zu ersehen, daſs, wie jenes sich aus den alten Har-
nischen mit den Kübelhelmen entwickelt, dieses seine Formen von
den gleichzeitigen Schallernharnischen des 15. Jahrhunderts entlehnt,
ja geradezu als eine Verstärkung des Schallernharnisches erscheint.

Die Kopfbedeckung des Rennzeuges (Fig. 631 und 632) bildet
der Rennhut, dessen Formen ganz der Schallern entsprechen, mit
Sehspalt, jedoch ohne Visier. Die Stirnseite wird durch zwei Platten
(Stirnplatten) verstärkt, welche mit Federlappen an das Stirnstück be-
festigt werden. Auch hier finden sich mit Messing gefütterte Löcher
zur Befestigung des einfacheren Helmschmuckes, der beim Rennhut
leichter und weniger auffällig erscheint und meist nur aus Federn
bestand. Die Brust ist im allgemeinen wie die Stechbrust mit Rüst-
und Rasthaken versehen. An die Brust wird ein sogenannter „Bart“
aus Eisenblech geschraubt, der die untere Hälfte des Gesichtes deckt.

An das Magenblech schlieſsen sich die Bauchreifen und an diese
die Rennschöſse, die meist geschoben sind. Der Rücken ist ge-
wöhnlich in den Armlöchern, am Nacken und unterhalb derart tief
ausgeschnitten, daſs er nur wie ein kreuzweise gelegtes Band erscheint.
Am Unterrande des Rückens ist, wie beim Stechzeug, das Schwänzel
angenietet. Rüsthaken und Rasthakenschiene ist ganz wie beim deut-
schen Stechzeuge.

Dies ist die für alle Renngattungen gemeinsame Form des Renn-
zeuges. Die kleinen Formvarianten werden wir der Verständlichkeit
halber bei Gelegenheit der Erklärung der verschiedenen Gattungen
des Rennens näher ins Auge fassen.

Zu den Ausrüstungsstücken des Rennzeuges gehören:

Die Renntartsche. (Fig. 633.) Sie ist von Holz, an den Rän-

*) Wenn wir den Schilderungen des Hofmeisters des Markgrafen Albrecht
Achilles von Brandenburg, Ludwig von Eyb, Glauben schenken, so hatte dieser
einen bedeutenden Anteil an der Einführung des Rennens im Turnierwesen. Er
sagt in Bezug darauf: „er, Albrecht, hat herfurbracht vnd geoffnet das rennen mit
dem spiess, denn das vor im selten (sic!) gebraucht was, der hat mit einem seiner
diener Heinrich Dondorfer herfurbracht das rennen hinter dem punt mit grosser
versorgknus, das vor nit gwest was, auch das rennen hinter der angeschweiften
dartschen. Auch zum stechen die zeug darzu gericht, die stechzeug mit der stegen
uff der platten über die achsell, darauff der helm sein ruh hat. Auch die anzug
uff der platten mit den schrauben, das man vor mit den rymen anzug, die liessen
nach, dadurch die stucker hart gestossen wurden.“ (Jul. v. Minutoli. Das kais.
Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Berlin 1850, pag. 511.) In diesem
Werke finden sich noch wichtige Bemerkungen über das Turnierwesen. Nach-
weislich hat sich für die Ausbildung des späteren Turnierwesens im 15. Jahrh. neben
Albrecht Achilles auch Maximilian I. wesentliche Verdienste erworben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0561" n="543"/>
        <fw place="top" type="header">III. Die Turnierwaffen.</fw><lb/>
        <p>Um den Beginn des 15. Jahrhunderts kam in Deutschland eine<lb/>
neue Turniergattung in Aufnahme, die bald mehr beliebt wurde, als<lb/>
das Gestech: <hi rendition="#g">das Rennen</hi>.<note place="foot" n="*)">Wenn wir den Schilderungen des Hofmeisters des Markgrafen Albrecht<lb/>
Achilles von Brandenburg, Ludwig von Eyb, Glauben schenken, so hatte dieser<lb/>
einen bedeutenden Anteil an der Einführung des Rennens im Turnierwesen. Er<lb/>
sagt in Bezug darauf: &#x201E;er, Albrecht, hat herfurbracht vnd geoffnet das rennen mit<lb/>
dem spiess, denn das vor im selten (sic!) gebraucht was, der hat mit einem seiner<lb/>
diener Heinrich Dondorfer herfurbracht das rennen hinter dem punt mit grosser<lb/>
versorgknus, das vor nit gwest was, auch das rennen hinter der angeschweiften<lb/>
dartschen. Auch zum stechen die zeug darzu gericht, die stechzeug mit der stegen<lb/>
uff der platten über die achsell, darauff der helm sein ruh hat. Auch die anzug<lb/>
uff der platten mit den schrauben, das man vor mit den rymen anzug, die liessen<lb/>
nach, dadurch die stucker hart gestossen wurden.&#x201C; (<hi rendition="#g">Jul. v. Minutoli</hi>. Das kais.<lb/>
Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Berlin 1850, pag. 511.) In diesem<lb/>
Werke finden sich noch wichtige Bemerkungen über das Turnierwesen. Nach-<lb/>
weislich hat sich für die Ausbildung des späteren Turnierwesens im 15. Jahrh. neben<lb/>
Albrecht Achilles auch Maximilian I. wesentliche Verdienste erworben.</note></p><lb/>
        <p>Schon aus dem oberflächlichen Vergleiche des Stech- mit dem<lb/>
Rennzeuge ist zu ersehen, da&#x017F;s, wie jenes sich aus den alten Har-<lb/>
nischen mit den Kübelhelmen entwickelt, dieses seine Formen von<lb/>
den gleichzeitigen Schallernharnischen des 15. Jahrhunderts entlehnt,<lb/>
ja geradezu als eine Verstärkung des Schallernharnisches erscheint.</p><lb/>
        <p>Die Kopfbedeckung des Rennzeuges (Fig. 631 und 632) bildet<lb/>
der Rennhut, dessen Formen ganz der Schallern entsprechen, mit<lb/>
Sehspalt, jedoch ohne Visier. Die Stirnseite wird durch zwei Platten<lb/>
(Stirnplatten) verstärkt, welche mit Federlappen an das Stirnstück be-<lb/>
festigt werden. Auch hier finden sich mit Messing gefütterte Löcher<lb/>
zur Befestigung des einfacheren Helmschmuckes, der beim Rennhut<lb/>
leichter und weniger auffällig erscheint und meist nur aus Federn<lb/>
bestand. Die Brust ist im allgemeinen wie die Stechbrust mit Rüst-<lb/>
und Rasthaken versehen. An die Brust wird ein sogenannter &#x201E;Bart&#x201C;<lb/>
aus Eisenblech geschraubt, der die untere Hälfte des Gesichtes deckt.</p><lb/>
        <p>An das Magenblech schlie&#x017F;sen sich die Bauchreifen und an diese<lb/>
die <hi rendition="#g">Rennschö&#x017F;se</hi>, die meist geschoben sind. Der <hi rendition="#g">Rücken</hi> ist ge-<lb/>
wöhnlich in den Armlöchern, am Nacken und unterhalb derart tief<lb/>
ausgeschnitten, da&#x017F;s er nur wie ein kreuzweise gelegtes Band erscheint.<lb/>
Am Unterrande des Rückens ist, wie beim Stechzeug, das Schwänzel<lb/>
angenietet. Rüsthaken und Rasthakenschiene ist ganz wie beim deut-<lb/>
schen Stechzeuge.</p><lb/>
        <p>Dies ist die für alle Renngattungen gemeinsame Form des Renn-<lb/>
zeuges. Die kleinen Formvarianten werden wir der Verständlichkeit<lb/>
halber bei Gelegenheit der Erklärung der verschiedenen Gattungen<lb/>
des Rennens näher ins Auge fassen.</p><lb/>
        <p>Zu den Ausrüstungsstücken des Rennzeuges gehören:</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">Renntartsche</hi>. (Fig. 633.) Sie ist von Holz, an den Rän-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[543/0561] III. Die Turnierwaffen. Um den Beginn des 15. Jahrhunderts kam in Deutschland eine neue Turniergattung in Aufnahme, die bald mehr beliebt wurde, als das Gestech: das Rennen. *) Schon aus dem oberflächlichen Vergleiche des Stech- mit dem Rennzeuge ist zu ersehen, daſs, wie jenes sich aus den alten Har- nischen mit den Kübelhelmen entwickelt, dieses seine Formen von den gleichzeitigen Schallernharnischen des 15. Jahrhunderts entlehnt, ja geradezu als eine Verstärkung des Schallernharnisches erscheint. Die Kopfbedeckung des Rennzeuges (Fig. 631 und 632) bildet der Rennhut, dessen Formen ganz der Schallern entsprechen, mit Sehspalt, jedoch ohne Visier. Die Stirnseite wird durch zwei Platten (Stirnplatten) verstärkt, welche mit Federlappen an das Stirnstück be- festigt werden. Auch hier finden sich mit Messing gefütterte Löcher zur Befestigung des einfacheren Helmschmuckes, der beim Rennhut leichter und weniger auffällig erscheint und meist nur aus Federn bestand. Die Brust ist im allgemeinen wie die Stechbrust mit Rüst- und Rasthaken versehen. An die Brust wird ein sogenannter „Bart“ aus Eisenblech geschraubt, der die untere Hälfte des Gesichtes deckt. An das Magenblech schlieſsen sich die Bauchreifen und an diese die Rennschöſse, die meist geschoben sind. Der Rücken ist ge- wöhnlich in den Armlöchern, am Nacken und unterhalb derart tief ausgeschnitten, daſs er nur wie ein kreuzweise gelegtes Band erscheint. Am Unterrande des Rückens ist, wie beim Stechzeug, das Schwänzel angenietet. Rüsthaken und Rasthakenschiene ist ganz wie beim deut- schen Stechzeuge. Dies ist die für alle Renngattungen gemeinsame Form des Renn- zeuges. Die kleinen Formvarianten werden wir der Verständlichkeit halber bei Gelegenheit der Erklärung der verschiedenen Gattungen des Rennens näher ins Auge fassen. Zu den Ausrüstungsstücken des Rennzeuges gehören: Die Renntartsche. (Fig. 633.) Sie ist von Holz, an den Rän- *) Wenn wir den Schilderungen des Hofmeisters des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg, Ludwig von Eyb, Glauben schenken, so hatte dieser einen bedeutenden Anteil an der Einführung des Rennens im Turnierwesen. Er sagt in Bezug darauf: „er, Albrecht, hat herfurbracht vnd geoffnet das rennen mit dem spiess, denn das vor im selten (sic!) gebraucht was, der hat mit einem seiner diener Heinrich Dondorfer herfurbracht das rennen hinter dem punt mit grosser versorgknus, das vor nit gwest was, auch das rennen hinter der angeschweiften dartschen. Auch zum stechen die zeug darzu gericht, die stechzeug mit der stegen uff der platten über die achsell, darauff der helm sein ruh hat. Auch die anzug uff der platten mit den schrauben, das man vor mit den rymen anzug, die liessen nach, dadurch die stucker hart gestossen wurden.“ (Jul. v. Minutoli. Das kais. Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Berlin 1850, pag. 511.) In diesem Werke finden sich noch wichtige Bemerkungen über das Turnierwesen. Nach- weislich hat sich für die Ausbildung des späteren Turnierwesens im 15. Jahrh. neben Albrecht Achilles auch Maximilian I. wesentliche Verdienste erworben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/561
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/561>, abgerufen am 28.05.2024.