Bildkodex der Bibliotheque nationale zu Paris, betitelt: Ceremonies des gages de bataille;*) hier tragen die beiden Kämpfer den voll- ständigen Plattenharnisch mit einem Helme von kugelförmiger Gestalt und breitem Visier; über den Harnisch das herkömmliche Waffenhemd mit dem Blason des Wappens der Träger. Das erinnert noch an die bei den Ordalien üblichen Gebräuche. Die Waffe aber, welche die Kämpfer führen, besteht in einem kurzen Ahlspiess mit zwei runden Scheiben am Griffe und mit spitzer Klinge. (Fig. 617.)
Gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts erfährt die Ausrüstung für den alten deutschen Fusskampf eine bedeutende Veränderung. Zunächst vervielfältigen sich die Waffen. Man kämpft, wie wir aus dem Freydal Maximilians I. ersehen, nicht nur mit Schwertern, son- dern auch mit Kolben, Ahlspiessen, Cousen, Spitzhämmern, gemeinen Spiessen, Dolchen (Degen), Stangen, Dusäggen, Helmbarten, ja selbst
[Abbildung]
Fig. 617.
Ritter im Fusskampf mit Ahlspiessen. Aus dem Bildcodex "Ceremonies des gages de bataille" der Nationalbibliothek zu Paris vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Nach Lacroix, Vie mi- litaire etc.
mit Drischeln. Der Harnisch erhält eine für die Kampfart berechnete Form. Der Helm, mit breitem, aufschlächtigen Visier, ist übermässig gross, kugelförmig gestaltet und wird an Brust und Rücken ange- schraubt oder mit Riemen daran festgeschnallt. Es ist auch hier die Absicht erkennbar, zu verhindern, dass der Helm mit dem Kopfe des Trägers in unmittelbare Verbindung kommt, um diesen vor den Er- schütterungen durch Kolbenschläge möglichst zu bewahren. Die Brust ist einmal geschoben, an sie schliesst sich unterhalb ein vielfach ge-
*) Lacroix, P., Vie militaire et religieuse au Moyen-age. Paris 1873, p. 167.
III. Die Turnierwaffen.
Bildkodex der Bibliothèque nationale zu Paris, betitelt: Cérémonies des gages de bataille;*) hier tragen die beiden Kämpfer den voll- ständigen Plattenharnisch mit einem Helme von kugelförmiger Gestalt und breitem Visier; über den Harnisch das herkömmliche Waffenhemd mit dem Blason des Wappens der Träger. Das erinnert noch an die bei den Ordalien üblichen Gebräuche. Die Waffe aber, welche die Kämpfer führen, besteht in einem kurzen Ahlspieſs mit zwei runden Scheiben am Griffe und mit spitzer Klinge. (Fig. 617.)
Gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts erfährt die Ausrüstung für den alten deutschen Fuſskampf eine bedeutende Veränderung. Zunächst vervielfältigen sich die Waffen. Man kämpft, wie wir aus dem Freydal Maximilians I. ersehen, nicht nur mit Schwertern, son- dern auch mit Kolben, Ahlspieſsen, Cousen, Spitzhämmern, gemeinen Spieſsen, Dolchen (Degen), Stangen, Dusäggen, Helmbarten, ja selbst
[Abbildung]
Fig. 617.
Ritter im Fuſskampf mit Ahlspieſsen. Aus dem Bildcodex „Ceremonies des gages de bataille“ der Nationalbibliothek zu Paris vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Nach Lacroix, Vie mi- litaire etc.
mit Drischeln. Der Harnisch erhält eine für die Kampfart berechnete Form. Der Helm, mit breitem, aufschlächtigen Visier, ist übermäſsig groſs, kugelförmig gestaltet und wird an Brust und Rücken ange- schraubt oder mit Riemen daran festgeschnallt. Es ist auch hier die Absicht erkennbar, zu verhindern, daſs der Helm mit dem Kopfe des Trägers in unmittelbare Verbindung kommt, um diesen vor den Er- schütterungen durch Kolbenschläge möglichst zu bewahren. Die Brust ist einmal geschoben, an sie schlieſst sich unterhalb ein vielfach ge-
*) Lacroix, P., Vie militaire et religieuse au Moyen-âge. Paris 1873, p. 167.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0548"n="530"/><fwplace="top"type="header">III. Die Turnierwaffen.</fw><lb/>
Bildkodex der Bibliothèque nationale zu Paris, betitelt: Cérémonies<lb/>
des gages de bataille;<noteplace="foot"n="*)">Lacroix, P., Vie militaire et religieuse au Moyen-âge. Paris 1873, p. 167.</note> hier tragen die beiden Kämpfer den voll-<lb/>
ständigen Plattenharnisch mit einem Helme von kugelförmiger Gestalt<lb/>
und breitem Visier; über den Harnisch das herkömmliche Waffenhemd<lb/>
mit dem Blason des Wappens der Träger. Das erinnert noch an die<lb/>
bei den Ordalien üblichen Gebräuche. Die Waffe aber, welche die<lb/>
Kämpfer führen, besteht in einem kurzen Ahlspieſs mit zwei runden<lb/>
Scheiben am Griffe und mit spitzer Klinge. (Fig. 617.)</p><lb/><p>Gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts erfährt die Ausrüstung<lb/>
für den alten deutschen Fuſskampf eine bedeutende Veränderung.<lb/>
Zunächst vervielfältigen sich die Waffen. Man kämpft, wie wir aus<lb/>
dem Freydal Maximilians I. ersehen, nicht nur mit Schwertern, son-<lb/>
dern auch mit Kolben, Ahlspieſsen, Cousen, Spitzhämmern, gemeinen<lb/>
Spieſsen, Dolchen (Degen), Stangen, Dusäggen, Helmbarten, ja selbst<lb/><figure><head><hirendition="#g">Fig</hi>. 617.</head><p><hirendition="#g">Ritter im Fuſskampf mit Ahlspieſsen</hi>. Aus dem<lb/>
Bildcodex „Ceremonies des gages de bataille“ der Nationalbibliothek<lb/>
zu Paris vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Nach Lacroix, Vie mi-<lb/>
litaire etc.</p></figure><lb/>
mit Drischeln. Der Harnisch erhält eine für die Kampfart berechnete<lb/>
Form. Der Helm, mit breitem, aufschlächtigen Visier, ist übermäſsig<lb/>
groſs, kugelförmig gestaltet und wird an Brust und Rücken ange-<lb/>
schraubt oder mit Riemen daran festgeschnallt. Es ist auch hier die<lb/>
Absicht erkennbar, zu verhindern, daſs der Helm mit dem Kopfe des<lb/>
Trägers in unmittelbare Verbindung kommt, um diesen vor den Er-<lb/>
schütterungen durch Kolbenschläge möglichst zu bewahren. Die Brust<lb/>
ist einmal geschoben, an sie schlieſst sich unterhalb ein vielfach ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[530/0548]
III. Die Turnierwaffen.
Bildkodex der Bibliothèque nationale zu Paris, betitelt: Cérémonies
des gages de bataille; *) hier tragen die beiden Kämpfer den voll-
ständigen Plattenharnisch mit einem Helme von kugelförmiger Gestalt
und breitem Visier; über den Harnisch das herkömmliche Waffenhemd
mit dem Blason des Wappens der Träger. Das erinnert noch an die
bei den Ordalien üblichen Gebräuche. Die Waffe aber, welche die
Kämpfer führen, besteht in einem kurzen Ahlspieſs mit zwei runden
Scheiben am Griffe und mit spitzer Klinge. (Fig. 617.)
Gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts erfährt die Ausrüstung
für den alten deutschen Fuſskampf eine bedeutende Veränderung.
Zunächst vervielfältigen sich die Waffen. Man kämpft, wie wir aus
dem Freydal Maximilians I. ersehen, nicht nur mit Schwertern, son-
dern auch mit Kolben, Ahlspieſsen, Cousen, Spitzhämmern, gemeinen
Spieſsen, Dolchen (Degen), Stangen, Dusäggen, Helmbarten, ja selbst
[Abbildung Fig. 617. Ritter im Fuſskampf mit Ahlspieſsen. Aus dem
Bildcodex „Ceremonies des gages de bataille“ der Nationalbibliothek
zu Paris vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Nach Lacroix, Vie mi-
litaire etc.]
mit Drischeln. Der Harnisch erhält eine für die Kampfart berechnete
Form. Der Helm, mit breitem, aufschlächtigen Visier, ist übermäſsig
groſs, kugelförmig gestaltet und wird an Brust und Rücken ange-
schraubt oder mit Riemen daran festgeschnallt. Es ist auch hier die
Absicht erkennbar, zu verhindern, daſs der Helm mit dem Kopfe des
Trägers in unmittelbare Verbindung kommt, um diesen vor den Er-
schütterungen durch Kolbenschläge möglichst zu bewahren. Die Brust
ist einmal geschoben, an sie schlieſst sich unterhalb ein vielfach ge-
*) Lacroix, P., Vie militaire et religieuse au Moyen-âge. Paris 1873, p. 167.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/548>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.