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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.

Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts erscheint eine ähnliche
Helmform mit hundsschnauzenförmigem Visier; das Scheitelstück ist
ganz der Beckenhaube nachgebildet, nur setzt sich an selbe ein steifer
Bart und ein Nackenstück derart fort, dass der Helm eigentlich auf
den Schultern aufsitzt. Die Form wird dadurch erklärlich, wenn
man entdeckt, dass diese Verlängerungen nach abwärts auf Brust und
Rücken eigentlich nichts anderes, als einen Ersatz der Halsbrünne
darstellen. Die Form ist allerdings italienisch, aber man irrt in Frank-
reich, wenn man sie dort Aquilee nennt. Die Helme von Aquilea
fanden bereits am Schlusse des 13. Jahrhunderts ihr Ende. Nicht weniger
irrt man, wenn man sie schlechtweg Bacinets benennt; am treffendsten
bezeichnet man sie als grosse Beckenhaube: Grand Bacinet. Helme

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 21.

Hundsgugel mit Absteckvisier
vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Deutsch.

mit Visieren, die einer
Hundsschnauze ähnlich ge-
bildet sind, werden noch
bis etwa 1540 getragen.
Bekannt ist der derart ge-
staltete Helm Kaiser Fer-
dinands I. in der kaiser-
lichen Sammlung zu Wien,
der um 1530 von Jörg
Säusenhofer in Innsbruck
gefertigt wurde.

War der Topfhelm aus
dem Heere verschwunden,
so bildete er doch noch
ein wichtiges Attribut des
Rittertums und fand in
geringen Formenwandlun-
gen seine Verwendung im
Turnier, beziehungsweise
im Gesteche bis ins 16. Jahrhundert, von da an verwandelt er sich
in den neuen Stechhelm, der wieder in seiner Form sich dem ge-
schlossenen Helme nähert.

Die Kopfbedeckung des Ritters war bisher von jener des
Hörigen und gemeinen Söldners wesentlich verschieden. Der Fuss-
knecht, der Bogen- oder Armrustschütze trug vom 12. Jahrhundert
an eine weit weniger komplizierte Kopfbedeckung, die Eisenhaube,
(eisenhut, chapel), die, unwesentliche Varianten ungerechnet, die Form
eines tiefen Beckens mit verschieden breitem Rande besass. (Fig. 22.)
Vom 14. Jahrhundert an, als das Fussvolk allgemach wieder zur
Bedeutung gelangte und die adligen Herren den Söldnern zu
schmeicheln begannen, da trugen selbst die Könige zuweilen die
Eisenhaube, doch zumeist mit dem Barte (baviere) zur Deckung
der unteren Gesichtshälfte. (Fig. 23.) Von der Form der am Ende

I. Die Schutzwaffen.

Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts erscheint eine ähnliche
Helmform mit hundsschnauzenförmigem Visier; das Scheitelstück ist
ganz der Beckenhaube nachgebildet, nur setzt sich an selbe ein steifer
Bart und ein Nackenstück derart fort, daſs der Helm eigentlich auf
den Schultern aufsitzt. Die Form wird dadurch erklärlich, wenn
man entdeckt, daſs diese Verlängerungen nach abwärts auf Brust und
Rücken eigentlich nichts anderes, als einen Ersatz der Halsbrünne
darstellen. Die Form ist allerdings italienisch, aber man irrt in Frank-
reich, wenn man sie dort Aquilée nennt. Die Helme von Aquilea
fanden bereits am Schlusse des 13. Jahrhunderts ihr Ende. Nicht weniger
irrt man, wenn man sie schlechtweg Bacinets benennt; am treffendsten
bezeichnet man sie als groſse Beckenhaube: Grand Bacinet. Helme

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 21.

Hundsgugel mit Absteckvisier
vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Deutsch.

mit Visieren, die einer
Hundsschnauze ähnlich ge-
bildet sind, werden noch
bis etwa 1540 getragen.
Bekannt ist der derart ge-
staltete Helm Kaiser Fer-
dinands I. in der kaiser-
lichen Sammlung zu Wien,
der um 1530 von Jörg
Säusenhofer in Innsbruck
gefertigt wurde.

War der Topfhelm aus
dem Heere verschwunden,
so bildete er doch noch
ein wichtiges Attribut des
Rittertums und fand in
geringen Formenwandlun-
gen seine Verwendung im
Turnier, beziehungsweise
im Gesteche bis ins 16. Jahrhundert, von da an verwandelt er sich
in den neuen Stechhelm, der wieder in seiner Form sich dem ge-
schlossenen Helme nähert.

Die Kopfbedeckung des Ritters war bisher von jener des
Hörigen und gemeinen Söldners wesentlich verschieden. Der Fuſs-
knecht, der Bogen- oder Armrustschütze trug vom 12. Jahrhundert
an eine weit weniger komplizierte Kopfbedeckung, die Eisenhaube,
(îsenhut, chapel), die, unwesentliche Varianten ungerechnet, die Form
eines tiefen Beckens mit verschieden breitem Rande besaſs. (Fig. 22.)
Vom 14. Jahrhundert an, als das Fuſsvolk allgemach wieder zur
Bedeutung gelangte und die adligen Herren den Söldnern zu
schmeicheln begannen, da trugen selbst die Könige zuweilen die
Eisenhaube, doch zumeist mit dem Barte (bavière) zur Deckung
der unteren Gesichtshälfte. (Fig. 23.) Von der Form der am Ende

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[36/0054] I. Die Schutzwaffen. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts erscheint eine ähnliche Helmform mit hundsschnauzenförmigem Visier; das Scheitelstück ist ganz der Beckenhaube nachgebildet, nur setzt sich an selbe ein steifer Bart und ein Nackenstück derart fort, daſs der Helm eigentlich auf den Schultern aufsitzt. Die Form wird dadurch erklärlich, wenn man entdeckt, daſs diese Verlängerungen nach abwärts auf Brust und Rücken eigentlich nichts anderes, als einen Ersatz der Halsbrünne darstellen. Die Form ist allerdings italienisch, aber man irrt in Frank- reich, wenn man sie dort Aquilée nennt. Die Helme von Aquilea fanden bereits am Schlusse des 13. Jahrhunderts ihr Ende. Nicht weniger irrt man, wenn man sie schlechtweg Bacinets benennt; am treffendsten bezeichnet man sie als groſse Beckenhaube: Grand Bacinet. Helme [Abbildung] [Abbildung Fig. 21. Hundsgugel mit Absteckvisier vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Deutsch.] mit Visieren, die einer Hundsschnauze ähnlich ge- bildet sind, werden noch bis etwa 1540 getragen. Bekannt ist der derart ge- staltete Helm Kaiser Fer- dinands I. in der kaiser- lichen Sammlung zu Wien, der um 1530 von Jörg Säusenhofer in Innsbruck gefertigt wurde. War der Topfhelm aus dem Heere verschwunden, so bildete er doch noch ein wichtiges Attribut des Rittertums und fand in geringen Formenwandlun- gen seine Verwendung im Turnier, beziehungsweise im Gesteche bis ins 16. Jahrhundert, von da an verwandelt er sich in den neuen Stechhelm, der wieder in seiner Form sich dem ge- schlossenen Helme nähert. Die Kopfbedeckung des Ritters war bisher von jener des Hörigen und gemeinen Söldners wesentlich verschieden. Der Fuſs- knecht, der Bogen- oder Armrustschütze trug vom 12. Jahrhundert an eine weit weniger komplizierte Kopfbedeckung, die Eisenhaube, (îsenhut, chapel), die, unwesentliche Varianten ungerechnet, die Form eines tiefen Beckens mit verschieden breitem Rande besaſs. (Fig. 22.) Vom 14. Jahrhundert an, als das Fuſsvolk allgemach wieder zur Bedeutung gelangte und die adligen Herren den Söldnern zu schmeicheln begannen, da trugen selbst die Könige zuweilen die Eisenhaube, doch zumeist mit dem Barte (bavière) zur Deckung der unteren Gesichtshälfte. (Fig. 23.) Von der Form der am Ende

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/54>, abgerufen am 06.05.2024.