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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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karas war, wird nimmermehr denckende, schö-
pfungs- und kunstreiche Leute, die sich in den un-
sterblichen Schriften der Alten und der Neuern
umgesehen, und die Erkenntniß des menschlichen
Gemüthes zum Grund ihrer Schriften geleget ha-
ben, verführen können.

Wieder auf den deutschen Professor zu kommen,
so ist allein das gewiß, daß er seit einiger Zeit alle
Hoffnung hat verschwinden lassen, jemanden zu sei-
ner Seckte zu bereden, der seinen Geschmack auf
die vorhergegangene Untersuchung gegründet hat,
oder mit seiner Poesie jemanden einzunehmen, der
sich zu Horazens, Miltons und Hallers Schönhei-
ten gewöhnet hat. Er ist zufrieden, wenn er sich
nur bey dem ungehirnten Theile der Nation im
Ansehn erhalten mag; und er ist nunmehr beschei-
den genug zuzugeben, daß sein Nahme, und seine
Schriften mit ihm leben und sterben. Nur dieses
suchet er durch das vereinigte Lermen des kleinen
und des vornehmen Pöbels von seinem Anhange
zu erlangen. Zu dieser Absicht und nicht weiter
zielet die mühsame Arbeit, die er durch seine alten
Renommisten, die Belustiger, in den hällischen
Bemühungen
hat vornehmen lassen. Man sieht
auch wohl, daß die sophistischen Kunstgriffe in
diesem Wercke so plump und offenbar sind, daß
nur mit dem Staren behaftete Menschen in Ge-
fahr kommen, dadurch hintergangen zu werden.
Leute, die eine Auferziehung gehabt, die gelernet ha-
ben, dencken und aufrecht gehen, sind über diese
Klippe weg. Der Verfasser des Erweises, daß
die Gottschedianische Secte den Geschmack

ver-

Nachrichten
karas war, wird nimmermehr denckende, ſchoͤ-
pfungs- und kunſtreiche Leute, die ſich in den un-
ſterblichen Schriften der Alten und der Neuern
umgeſehen, und die Erkenntniß des menſchlichen
Gemuͤthes zum Grund ihrer Schriften geleget ha-
ben, verfuͤhren koͤnnen.

Wieder auf den deutſchen Profeſſor zu kommen,
ſo iſt allein das gewiß, daß er ſeit einiger Zeit alle
Hoffnung hat verſchwinden laſſen, jemanden zu ſei-
ner Seckte zu bereden, der ſeinen Geſchmack auf
die vorhergegangene Unterſuchung gegruͤndet hat,
oder mit ſeiner Poeſie jemanden einzunehmen, der
ſich zu Horazens, Miltons und Hallers Schoͤnhei-
ten gewoͤhnet hat. Er iſt zufrieden, wenn er ſich
nur bey dem ungehirnten Theile der Nation im
Anſehn erhalten mag; und er iſt nunmehr beſchei-
den genug zuzugeben, daß ſein Nahme, und ſeine
Schriften mit ihm leben und ſterben. Nur dieſes
ſuchet er durch das vereinigte Lermen des kleinen
und des vornehmen Poͤbels von ſeinem Anhange
zu erlangen. Zu dieſer Abſicht und nicht weiter
zielet die muͤhſame Arbeit, die er durch ſeine alten
Renommiſten, die Beluſtiger, in den haͤlliſchen
Bemuͤhungen
hat vornehmen laſſen. Man ſieht
auch wohl, daß die ſophiſtiſchen Kunſtgriffe in
dieſem Wercke ſo plump und offenbar ſind, daß
nur mit dem Staren behaftete Menſchen in Ge-
fahr kommen, dadurch hintergangen zu werden.
Leute, die eine Auferziehung gehabt, die gelernet ha-
ben, dencken und aufrecht gehen, ſind uͤber dieſe
Klippe weg. Der Verfaſſer des Erweiſes, daß
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[86/0088] Nachrichten karas war, wird nimmermehr denckende, ſchoͤ- pfungs- und kunſtreiche Leute, die ſich in den un- ſterblichen Schriften der Alten und der Neuern umgeſehen, und die Erkenntniß des menſchlichen Gemuͤthes zum Grund ihrer Schriften geleget ha- ben, verfuͤhren koͤnnen. Wieder auf den deutſchen Profeſſor zu kommen, ſo iſt allein das gewiß, daß er ſeit einiger Zeit alle Hoffnung hat verſchwinden laſſen, jemanden zu ſei- ner Seckte zu bereden, der ſeinen Geſchmack auf die vorhergegangene Unterſuchung gegruͤndet hat, oder mit ſeiner Poeſie jemanden einzunehmen, der ſich zu Horazens, Miltons und Hallers Schoͤnhei- ten gewoͤhnet hat. Er iſt zufrieden, wenn er ſich nur bey dem ungehirnten Theile der Nation im Anſehn erhalten mag; und er iſt nunmehr beſchei- den genug zuzugeben, daß ſein Nahme, und ſeine Schriften mit ihm leben und ſterben. Nur dieſes ſuchet er durch das vereinigte Lermen des kleinen und des vornehmen Poͤbels von ſeinem Anhange zu erlangen. Zu dieſer Abſicht und nicht weiter zielet die muͤhſame Arbeit, die er durch ſeine alten Renommiſten, die Beluſtiger, in den haͤlliſchen Bemuͤhungen hat vornehmen laſſen. Man ſieht auch wohl, daß die ſophiſtiſchen Kunſtgriffe in dieſem Wercke ſo plump und offenbar ſind, daß nur mit dem Staren behaftete Menſchen in Ge- fahr kommen, dadurch hintergangen zu werden. Leute, die eine Auferziehung gehabt, die gelernet ha- ben, dencken und aufrecht gehen, ſind uͤber dieſe Klippe weg. Der Verfaſſer des Erweiſes, daß die Gottſchedianiſche Secte den Geſchmack ver-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/88>, abgerufen am 27.07.2024.