[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.oder die Bekehrung. auf einer Puderschachtel oder einer Zuckerbüch-se wieder zusammenzusetzen; oder ein halbes Hun- dert Klöppel auf einem Spitzenpult herumzu- werfen, daß Rosen und Tulpen von Goldfaden unter ihren Fingern hervorwuchsen. Struka- ras gewann sie lieb, und bestürmete sie sechs Jahre lang mit trukenen Figuren der Redekunst, und mit kalten Ausdrücken von Liebesflammen. Sie gab ihm das Jawort, nur damit sie sich von seinen Verfolgungen erledigete. Nach- dem sie sein Weib geworden, bildete er ihr Ge- hirn nach seinem eigenen, und goß alle seine Künste in dasselbe. Priscilla erwies sich so ge- lehrig, daß sie den Strukaras in kurtzer Zeit in dem vollkommensten Abdruck darstellete. Es plauderte iezo in beyden ein Verstand, ein Witz frohr in beyden, und eine Kunst krümmete sich in beyden; in den Schriften des Weibes entde- kete man den Mann, und in des Mannes das Weib. Er ehrete sie darum nach ihrem Ver- dienste, und nahm sie in ein Consortium studio- rum auf. Aber ihr Herz war aufrichtig, und irrete mit gutem Gewissen den Lehren ihres Freundes nach. Als nun die Critik und die Satyre sich mit denselben so viel zu schaffen ge- macht hatten, hielt sie in der Unschuld ihres Hertzens das alles vor lauter Würckungen des Neids und der Boßheit, und stärckete sich im Geist, ihnen ihren Ungrund deutlich zu zeigen. Allein als sie in dieser Gemüthsverfassung ihre Schrifften erwog, und gegen die Lehren ihres Mannes hielt, leuchtete die Wahrheit ihr mit einem
oder die Bekehrung. auf einer Puderſchachtel oder einer Zuckerbuͤch-ſe wieder zuſammenzuſetzen; oder ein halbes Hun- dert Kloͤppel auf einem Spitzenpult herumzu- werfen, daß Roſen und Tulpen von Goldfaden unter ihren Fingern hervorwuchſen. Struka- ras gewann ſie lieb, und beſtuͤrmete ſie ſechs Jahre lang mit trukenen Figuren der Redekunſt, und mit kalten Ausdruͤcken von Liebesflammen. Sie gab ihm das Jawort, nur damit ſie ſich von ſeinen Verfolgungen erledigete. Nach- dem ſie ſein Weib geworden, bildete er ihr Ge- hirn nach ſeinem eigenen, und goß alle ſeine Kuͤnſte in daſſelbe. Priſcilla erwies ſich ſo ge- lehrig, daß ſie den Strukaras in kurtzer Zeit in dem vollkommenſten Abdruck darſtellete. Es plauderte iezo in beyden ein Verſtand, ein Witz frohr in beyden, und eine Kunſt kruͤmmete ſich in beyden; in den Schriften des Weibes entde- kete man den Mann, und in des Mannes das Weib. Er ehrete ſie darum nach ihrem Ver- dienſte, und nahm ſie in ein Conſortium ſtudio- rum auf. Aber ihr Herz war aufrichtig, und irrete mit gutem Gewiſſen den Lehren ihres Freundes nach. Als nun die Critik und die Satyre ſich mit denſelben ſo viel zu ſchaffen ge- macht hatten, hielt ſie in der Unſchuld ihres Hertzens das alles vor lauter Wuͤrckungen des Neids und der Boßheit, und ſtaͤrckete ſich im Geiſt, ihnen ihren Ungrund deutlich zu zeigen. Allein als ſie in dieſer Gemuͤthsverfaſſung ihre Schrifften erwog, und gegen die Lehren ihres Mannes hielt, leuchtete die Wahrheit ihr mit einem
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ſe wieder zuſammenzuſetzen; oder ein halbes Hun-
dert Kloͤppel auf einem Spitzenpult herumzu-
werfen, daß Roſen und Tulpen von Goldfaden
unter ihren Fingern hervorwuchſen. Struka-
ras gewann ſie lieb, und beſtuͤrmete ſie ſechs
Jahre lang mit trukenen Figuren der Redekunſt,
und mit kalten Ausdruͤcken von Liebesflammen.
Sie gab ihm das Jawort, nur damit ſie ſich
von ſeinen Verfolgungen erledigete. Nach-
dem ſie ſein Weib geworden, bildete er ihr Ge-
hirn nach ſeinem eigenen, und goß alle ſeine
Kuͤnſte in daſſelbe. Priſcilla erwies ſich ſo ge-
lehrig, daß ſie den Strukaras in kurtzer Zeit
in dem vollkommenſten Abdruck darſtellete. Es
plauderte iezo in beyden ein Verſtand, ein Witz
frohr in beyden, und eine Kunſt kruͤmmete ſich
in beyden; in den Schriften des Weibes entde-
kete man den Mann, und in des Mannes das
Weib. Er ehrete ſie darum nach ihrem Ver-
dienſte, und nahm ſie in ein Conſortium ſtudio-
rum auf. Aber ihr Herz war aufrichtig, und
irrete mit gutem Gewiſſen den Lehren ihres
Freundes nach. Als nun die Critik und die
Satyre ſich mit denſelben ſo viel zu ſchaffen ge-
macht hatten, hielt ſie in der Unſchuld ihres
Hertzens das alles vor lauter Wuͤrckungen des
Neids und der Boßheit, und ſtaͤrckete ſich im
Geiſt, ihnen ihren Ungrund deutlich zu zeigen.
Allein als ſie in dieſer Gemuͤthsverfaſſung ihre
Schrifften erwog, und gegen die Lehren ihres
Mannes hielt, leuchtete die Wahrheit ihr mit
einem
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