[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.des Wahnes bedienen könne. führet Hr. Breitinger einige Ursachen an, wo-her es komme, daß die Sage über die Histo- storie weg eine so grosse Macht zu bereden habe? Und J. A. K. weiß aus eigener Erfahrung, und bekennet es oben auf der 260. Seite, daß das Ansehen seiner Wärterinn ehemahlen eine grosse Macht über ihn gehabt, welches sich unter an- dern daraus gar klar zeiget, daß noch izo die abentheurlichsten Erzehlungen derselben besser als die Regeln der Vernunftlehre, die er doch in frischerm Andencken haben sollte, bey ihm haften: Denn wie armselig heißt doch das ge- schlossen? Wenn Hr. Breitinger sagt: Die Sa- ge findet bey dem grossen Haufen mehr Glau- ben als selbst die Historie: so macht J. A. K. diesen Schluß: Er setzet in seinem Begriffe mit voraus, daß eine Sage allezeit eine wahr- haftige Historie zum Gegentheile haben müsse, welches doch unstreitig höchst falsch ist. Wem Dummheit und Bosheit den Verstand nicht verblenden, der weiß wohl, daß, wenn man der Sage die Historie entgegen setzet, man eben nicht von einer besondern Sage, oder von ei- ner besondern Geschichte, die der Sage entge- gen stehen sollten, sondern von dem redet, was man nur überhaupt Sage und Historie heisset: Doch ist auch dieses nicht unstreitig höchst falsch, sondern gantz begründt, daß da die Sage eine ungegründete Erzehlung ist, der Jrrthum aber der Wahrheit immer entgegen stehet, allemahl das Gegentheil von einer irrigen Sage wahr seyn muß; wiewohl eben daraus nicht nothwen- dig folget, daß das Gegentheil von der Sage eben
des Wahnes bedienen koͤnne. fuͤhret Hr. Breitinger einige Urſachen an, wo-her es komme, daß die Sage uͤber die Hiſto- ſtorie weg eine ſo groſſe Macht zu bereden habe? Und J. A. K. weiß aus eigener Erfahrung, und bekennet es oben auf der 260. Seite, daß das Anſehen ſeiner Waͤrterinn ehemahlen eine groſſe Macht uͤber ihn gehabt, welches ſich unter an- dern daraus gar klar zeiget, daß noch izo die abentheurlichſten Erzehlungen derſelben beſſer als die Regeln der Vernunftlehre, die er doch in friſcherm Andencken haben ſollte, bey ihm haften: Denn wie armſelig heißt doch das ge- ſchloſſen? Wenn Hr. Breitinger ſagt: Die Sa- ge findet bey dem groſſen Haufen mehr Glau- ben als ſelbſt die Hiſtorie: ſo macht J. A. K. dieſen Schluß: Er ſetzet in ſeinem Begriffe mit voraus, daß eine Sage allezeit eine wahr- haftige Hiſtorie zum Gegentheile haben muͤſſe, welches doch unſtreitig hoͤchſt falſch iſt. Wem Dummheit und Bosheit den Verſtand nicht verblenden, der weiß wohl, daß, wenn man der Sage die Hiſtorie entgegen ſetzet, man eben nicht von einer beſondern Sage, oder von ei- ner beſondern Geſchichte, die der Sage entge- gen ſtehen ſollten, ſondern von dem redet, was man nur uͤberhaupt Sage und Hiſtorie heiſſet: Doch iſt auch dieſes nicht unſtreitig hoͤchſt falſch, ſondern gantz begruͤndt, daß da die Sage eine ungegruͤndete Erzehlung iſt, der Jrrthum aber der Wahrheit immer entgegen ſtehet, allemahl das Gegentheil von einer irrigen Sage wahr ſeyn muß; wiewohl eben daraus nicht nothwen- dig folget, daß das Gegentheil von der Sage eben
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des Wahnes bedienen koͤnne.
fuͤhret Hr. Breitinger einige Urſachen an, wo-
her es komme, daß die Sage uͤber die Hiſto-
ſtorie weg eine ſo groſſe Macht zu bereden habe?
Und J. A. K. weiß aus eigener Erfahrung, und
bekennet es oben auf der 260. Seite, daß das
Anſehen ſeiner Waͤrterinn ehemahlen eine groſſe
Macht uͤber ihn gehabt, welches ſich unter an-
dern daraus gar klar zeiget, daß noch izo die
abentheurlichſten Erzehlungen derſelben beſſer
als die Regeln der Vernunftlehre, die er doch
in friſcherm Andencken haben ſollte, bey ihm
haften: Denn wie armſelig heißt doch das ge-
ſchloſſen? Wenn Hr. Breitinger ſagt: Die Sa-
ge findet bey dem groſſen Haufen mehr Glau-
ben als ſelbſt die Hiſtorie: ſo macht J. A. K.
dieſen Schluß: Er ſetzet in ſeinem Begriffe
mit voraus, daß eine Sage allezeit eine wahr-
haftige Hiſtorie zum Gegentheile haben muͤſſe,
welches doch unſtreitig hoͤchſt falſch iſt. Wem
Dummheit und Bosheit den Verſtand nicht
verblenden, der weiß wohl, daß, wenn man
der Sage die Hiſtorie entgegen ſetzet, man eben
nicht von einer beſondern Sage, oder von ei-
ner beſondern Geſchichte, die der Sage entge-
gen ſtehen ſollten, ſondern von dem redet, was
man nur uͤberhaupt Sage und Hiſtorie heiſſet:
Doch iſt auch dieſes nicht unſtreitig hoͤchſt falſch,
ſondern gantz begruͤndt, daß da die Sage eine
ungegruͤndete Erzehlung iſt, der Jrrthum aber
der Wahrheit immer entgegen ſtehet, allemahl
das Gegentheil von einer irrigen Sage wahr
ſeyn muß; wiewohl eben daraus nicht nothwen-
dig folget, daß das Gegentheil von der Sage
eben
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