[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.Arion hes Gepolter von Fußschlägen, die Gefahr drohe-ten, ihm ein plötzliches Schrecken verursachten, es betaübte ihn ein Getöne von Degen, das dem glich, welches erhitzte Soldaten machen, die durch innerlichen Zorn und die Anrede eines klugen Führers angespornet, Wuth und Feuer von sich schnauben, wenn sie aus Unmuth über den Ver- zug des Treffens knirrschen, und die schweren Spiesse auf ihren ehrenen Schilden anschlagen. Er erstaunete, da er die Knechte, welche seine Freun- ihm zur Aufwart auserlesen hatten, tobend auf sich eindringen sah. Jhre Hände waren mit Mord- Gewehren bewaffnet, deren jedes ihm den nahen Tod drohete. Der allerschändlichste Geitz hatte sie verblendet, und ihr Hertz vergiftet. Jhr Vor- haben zwang ihnen eine finstere Röthe aus, ihre Gesichter schienen verwirret, da sie dessen ansich- tig wurden, den sie ermorden wollten. Aber es war zu späth, den Anschlag ohne Gefahr liegen zu lassen. Das vor Augen liegende Gold reitzte ihre Boßheit noch mehr. Jzo hieng über seiner Scheitel der zitternde Stahl, der sein röthlichtes Haupt von dem Marmor-Halse wegreissen sollte; als Arion mit einem lauten Schrey rückwärts sprang, dem tödlichen Schlag auswich, und alle sein Ver- mögen nur für sein Leben anboth. Einmahl über das andre rufte er seine Freunde, ihre Herren, ihre Gutthäter, ihre Ernährer. Sie sahen ein- ander an, schlossen sich in einen Kreiß, zweifel- haftige Seitenblicke fielen aus ihren Augen gegen Arion. Jhr Hertz schlug ihnen in dem Busen, da zwey widerwärtige Begierden, Geitz und Furcht ein-
Arion hes Gepolter von Fußſchlaͤgen, die Gefahr drohe-ten, ihm ein ploͤtzliches Schrecken verurſachten, es betauͤbte ihn ein Getoͤne von Degen, das dem glich, welches erhitzte Soldaten machen, die durch innerlichen Zorn und die Anrede eines klugen Fuͤhrers angeſpornet, Wuth und Feuer von ſich ſchnauben, wenn ſie aus Unmuth uͤber den Ver- zug des Treffens knirrſchen, und die ſchweren Spieſſe auf ihren ehrenen Schilden anſchlagen. Er erſtaunete, da er die Knechte, welche ſeine Freun- ihm zur Aufwart auserleſen hatten, tobend auf ſich eindringen ſah. Jhre Haͤnde waren mit Mord- Gewehren bewaffnet, deren jedes ihm den nahen Tod drohete. Der allerſchaͤndlichſte Geitz hatte ſie verblendet, und ihr Hertz vergiftet. Jhr Vor- haben zwang ihnen eine finſtere Roͤthe aus, ihre Geſichter ſchienen verwirret, da ſie deſſen anſich- tig wurden, den ſie ermorden wollten. Aber es war zu ſpaͤth, den Anſchlag ohne Gefahr liegen zu laſſen. Das vor Augen liegende Gold reitzte ihre Boßheit noch mehr. Jzo hieng uͤber ſeiner Scheitel der zitternde Stahl, der ſein roͤthlichtes Haupt von dem Marmor-Halſe wegreiſſen ſollte; als Arion mit einem lauten Schrey ruͤckwaͤrts ſprang, dem toͤdlichen Schlag auswich, und alle ſein Ver- moͤgen nur fuͤr ſein Leben anboth. Einmahl uͤber das andre rufte er ſeine Freunde, ihre Herren, ihre Gutthaͤter, ihre Ernaͤhrer. Sie ſahen ein- ander an, ſchloſſen ſich in einen Kreiß, zweifel- haftige Seitenblicke fielen aus ihren Augen gegen Arion. Jhr Hertz ſchlug ihnen in dem Buſen, da zwey widerwaͤrtige Begierden, Geitz und Furcht ein-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0076" n="74"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Arion</hi></hi></fw><lb/> hes Gepolter von Fußſchlaͤgen, die Gefahr drohe-<lb/> ten, ihm ein ploͤtzliches Schrecken verurſachten,<lb/> es betauͤbte ihn ein Getoͤne von Degen, das dem<lb/> glich, welches erhitzte Soldaten machen, die<lb/> durch innerlichen Zorn und die Anrede eines klugen<lb/> Fuͤhrers angeſpornet, Wuth und Feuer von ſich<lb/> ſchnauben, wenn ſie aus Unmuth uͤber den Ver-<lb/> zug des Treffens knirrſchen, und die ſchweren<lb/> Spieſſe auf ihren ehrenen Schilden anſchlagen.<lb/> Er erſtaunete, da er die Knechte, welche ſeine Freun-<lb/> ihm zur Aufwart auserleſen hatten, tobend auf<lb/> ſich eindringen ſah. Jhre Haͤnde waren mit Mord-<lb/> Gewehren bewaffnet, deren jedes ihm den nahen<lb/> Tod drohete. Der allerſchaͤndlichſte Geitz hatte ſie<lb/> verblendet, und ihr Hertz vergiftet. Jhr Vor-<lb/> haben zwang ihnen eine finſtere Roͤthe aus, ihre<lb/> Geſichter ſchienen verwirret, da ſie deſſen anſich-<lb/> tig wurden, den ſie ermorden wollten. Aber es<lb/> war zu ſpaͤth, den Anſchlag ohne Gefahr liegen<lb/> zu laſſen. Das vor Augen liegende Gold reitzte ihre<lb/> Boßheit noch mehr. Jzo hieng uͤber ſeiner Scheitel<lb/> der zitternde Stahl, der ſein roͤthlichtes Haupt<lb/> von dem Marmor-Halſe wegreiſſen ſollte; als<lb/> Arion mit einem lauten Schrey ruͤckwaͤrts ſprang,<lb/> dem toͤdlichen Schlag auswich, und alle ſein Ver-<lb/> moͤgen nur fuͤr ſein Leben anboth. Einmahl uͤber<lb/> das andre rufte er ſeine Freunde, ihre Herren,<lb/> ihre Gutthaͤter, ihre Ernaͤhrer. Sie ſahen ein-<lb/> ander an, ſchloſſen ſich in einen Kreiß, zweifel-<lb/> haftige Seitenblicke fielen aus ihren Augen gegen<lb/> Arion. Jhr Hertz ſchlug ihnen in dem Buſen,<lb/> da zwey widerwaͤrtige Begierden, Geitz und Furcht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0076]
Arion
hes Gepolter von Fußſchlaͤgen, die Gefahr drohe-
ten, ihm ein ploͤtzliches Schrecken verurſachten,
es betauͤbte ihn ein Getoͤne von Degen, das dem
glich, welches erhitzte Soldaten machen, die
durch innerlichen Zorn und die Anrede eines klugen
Fuͤhrers angeſpornet, Wuth und Feuer von ſich
ſchnauben, wenn ſie aus Unmuth uͤber den Ver-
zug des Treffens knirrſchen, und die ſchweren
Spieſſe auf ihren ehrenen Schilden anſchlagen.
Er erſtaunete, da er die Knechte, welche ſeine Freun-
ihm zur Aufwart auserleſen hatten, tobend auf
ſich eindringen ſah. Jhre Haͤnde waren mit Mord-
Gewehren bewaffnet, deren jedes ihm den nahen
Tod drohete. Der allerſchaͤndlichſte Geitz hatte ſie
verblendet, und ihr Hertz vergiftet. Jhr Vor-
haben zwang ihnen eine finſtere Roͤthe aus, ihre
Geſichter ſchienen verwirret, da ſie deſſen anſich-
tig wurden, den ſie ermorden wollten. Aber es
war zu ſpaͤth, den Anſchlag ohne Gefahr liegen
zu laſſen. Das vor Augen liegende Gold reitzte ihre
Boßheit noch mehr. Jzo hieng uͤber ſeiner Scheitel
der zitternde Stahl, der ſein roͤthlichtes Haupt
von dem Marmor-Halſe wegreiſſen ſollte; als
Arion mit einem lauten Schrey ruͤckwaͤrts ſprang,
dem toͤdlichen Schlag auswich, und alle ſein Ver-
moͤgen nur fuͤr ſein Leben anboth. Einmahl uͤber
das andre rufte er ſeine Freunde, ihre Herren,
ihre Gutthaͤter, ihre Ernaͤhrer. Sie ſahen ein-
ander an, ſchloſſen ſich in einen Kreiß, zweifel-
haftige Seitenblicke fielen aus ihren Augen gegen
Arion. Jhr Hertz ſchlug ihnen in dem Buſen,
da zwey widerwaͤrtige Begierden, Geitz und Furcht
ein-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |