[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.Von Laugnau Schreiben wegen anfeinde, der sey ein elender Scribent,und thue es aus keiner andern Ursache als weil ihm sein böses Gewissen Furcht einjage. Folglich be- stehet die Klugheit, die Gottsched durch die Regel, daß man die Lebenden nicht tadeln soll, an den Tag legen wollen, und die der Belu- stiger so sehr anpreiset, in der Behutsamkeit die elenden Scribenten nicht zu beunruhigen, oder durch einen gerechten Tadel zu beleidigen. Er wird aber nicht alle Jtztlebenden für solche elende Scribenten halten, die sich über eine gerechte Critick so gleich erzörnen, da er sich die Regel gemacht, daß er kei- nen Jtztlebenden tadeln wolle. M. Auf der 455. Seite des VI.ten Artickels "Doch Jhr tima
Von Laugnau Schreiben wegen anfeinde, der ſey ein elender Scribent,und thue es aus keiner andern Urſache als weil ihm ſein boͤſes Gewiſſen Furcht einjage. Folglich be- ſtehet die Klugheit, die Gottſched durch die Regel, daß man die Lebenden nicht tadeln ſoll, an den Tag legen wollen, und die der Belu- ſtiger ſo ſehr anpreiſet, in der Behutſamkeit die elenden Scribenten nicht zu beunruhigen, oder durch einen gerechten Tadel zu beleidigen. Er wird aber nicht alle Jtztlebenden fuͤr ſolche elende Scribenten halten, die ſich uͤber eine gerechte Critick ſo gleich erzoͤrnen, da er ſich die Regel gemacht, daß er kei- nen Jtztlebenden tadeln wolle. M. Auf der 455. Seite des VI.ten Artickels „Doch Jhr tima
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Von Laugnau Schreiben
wegen anfeinde, der ſey ein elender Scribent,
und thue es aus keiner andern Urſache als weil ihm
ſein boͤſes Gewiſſen Furcht einjage. Folglich be-
ſtehet die Klugheit, die Gottſched durch die
Regel, daß man die Lebenden nicht tadeln ſoll,
an den Tag legen wollen, und die der Belu-
ſtiger ſo ſehr anpreiſet, in der Behutſamkeit die
elenden Scribenten nicht zu beunruhigen, oder durch
einen gerechten Tadel zu beleidigen. Er wird aber
nicht alle Jtztlebenden fuͤr ſolche elende Scribenten
halten, die ſich uͤber eine gerechte Critick ſo gleich
erzoͤrnen, da er ſich die Regel gemacht, daß er kei-
nen Jtztlebenden tadeln wolle.
M. Auf der 455. Seite des VI.ten Artickels
wollet ihr den Hrn. Prof. Gottſcheden gemach-
ten Fuͤrwurf, daß er die Exempel zu ſeinen Lehr-
ſaͤtzen nur allein aus ſeinen eigenen Schriften ge-
nommen, damit abheben, daß ihr ſaget:
„Doch
„dieſer Fuͤrwurff trift nur die beiden erſten Aus-
„gaben ſeines Wercks; denn bey der letzten Auf-
„lage ſind anſtatt ſeiner eigenen Arbeit lauter
„Meiſterſtuͤcke von unſern beſten Dichtern der
„vorigen Zeit eingeſchaltet worden.„ Jhr
ſcheinet mit dieſen Worten zu bekennen, daß der
Fuͤrwurf die fuͤnfzehn Jahre, ſo lange nemlich die
zwo erſten Ausgaben der Gottſchediſchen Dicht-
kunſt in den deutſchen Schulen gebraucht worden,
gerecht und begruͤndt geweſen ſey. Und es iſt in
der That ein Stoltz ohne Exempel, daß ein Lehrer
der Dichtkunſt in allen Gattungen von Gedichten
ſeine eigenen Hirngeburten als Muſter darlege, da
es ſchon laͤngſten zu einer Regel geworden: Op-
tima
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