[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.an die d. Ges. von Greifswalde. über die Todten vor der Critick über die Lebendenwolltet bestimmen, oder die Gottschedische Regel rechtfertigen können, welche will, daß man die Critick nur allein auf die Todten richten soll. Das läßt sich aus der Gemüths-Beschaffenheit derjenigen, die diese Gottschedische Regel willig an- nehmen, und sie gerne verfechten möchten, wenn sie nur könnten, bestimmen, was ihnen selbige so beliebt mache, nemlich das böse Gewissen elender Scribenten, und das gerechte Mißtrauen in ihre eigene Schriften. Das hat der elende Verfasser der Anmerckungen über das Ergäntzungs-Stück in den Leipzigischen Belustigungen des Witzes in der XVI.ten Anmerckung selbst aufrichtig gestanden, da er sagt: "Einjeder muß billig an dem Hrn. Hr. Prof. Gottsched "Man Welche Worte ja eben wegen
an die d. Geſ. von Greifswalde. uͤber die Todten vor der Critick uͤber die Lebendenwolltet beſtimmen, oder die Gottſchediſche Regel rechtfertigen koͤnnen, welche will, daß man die Critick nur allein auf die Todten richten ſoll. Das laͤßt ſich aus der Gemuͤths-Beſchaffenheit derjenigen, die dieſe Gottſchediſche Regel willig an- nehmen, und ſie gerne verfechten moͤchten, wenn ſie nur koͤnnten, beſtimmen, was ihnen ſelbige ſo beliebt mache, nemlich das boͤſe Gewiſſen elender Scribenten, und das gerechte Mißtrauen in ihre eigene Schriften. Das hat der elende Verfaſſer der Anmerckungen uͤber das Ergaͤntzungs-Stuͤck in den Leipzigiſchen Beluſtigungen des Witzes in der XVI.ten Anmerckung ſelbſt aufrichtig geſtanden, da er ſagt: „Einjeder muß billig an dem Hrn. Hr. Prof. Gottſched „Man Welche Worte ja eben wegen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0063" n="61"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">an die d. Geſ. von Greifswalde.</hi></fw><lb/> uͤber die Todten vor der Critick uͤber die Lebenden<lb/> wolltet beſtimmen, oder die Gottſchediſche Regel<lb/> rechtfertigen koͤnnen, welche will, <hi rendition="#fr">daß man die<lb/> Critick nur allein auf die Todten richten ſoll.</hi><lb/> Das laͤßt ſich aus der Gemuͤths-Beſchaffenheit<lb/> derjenigen, die dieſe Gottſchediſche Regel willig an-<lb/> nehmen, und ſie gerne verfechten moͤchten, wenn<lb/> ſie nur koͤnnten, beſtimmen, was ihnen ſelbige ſo<lb/> beliebt mache, nemlich das boͤſe Gewiſſen elender<lb/> Scribenten, und das gerechte Mißtrauen in ihre<lb/> eigene Schriften. Das hat der elende Verfaſſer<lb/> der Anmerckungen uͤber das Ergaͤntzungs-Stuͤck<lb/> in den Leipzigiſchen Beluſtigungen des Witzes in<lb/> der <hi rendition="#aq">XVI.</hi>ten Anmerckung ſelbſt aufrichtig geſtanden,<lb/> da er ſagt:</p> <cit> <quote>„Einjeder muß billig an dem Hrn.<lb/> „Prof. Gottſched als eine wuͤrckliche Klugheit lo-<lb/> „ben, daß er ſich nicht auf eine ſtrenge Beur-<lb/> „theilung der Herren Jetztlebenden eingelaſſen.<lb/> „<hi rendition="#fr">Was ſollte er ſich Feinde machen, da er es<lb/> „erſparen konnte?</hi>„</quote> </cit> <p>Hr. Prof. <hi rendition="#fr">Gottſched</hi><lb/> ſchreibt ſelbſt in ſeiner erſten Vorrede zu der Dicht-<lb/> kunſt, wie ihr Bl. 417. aus ihm anfuͤhret:</p> <cit> <quote>„Man<lb/> „hat keine Urſache vor einer vernuͤnftigen Critick<lb/> „einen Abſcheu zu bezeugen, wenn man nur vor<lb/> „ſich ſicher iſt, und nicht fuͤrchten darf, ſelbſt in<lb/> „ihre Unterſuchung zu gerathen. Wer ein gu-<lb/> „tes Gewiſſen hat, daß nemlich ſeine Sachen<lb/> „nach den wahren Kunſtregeln ausgearbeitet wor-<lb/> „den, der wird keine Feindſchaft gegen die Cri-<lb/> „ticos blicken laſſen.„</quote> </cit> <p>Welche Worte ja eben<lb/> ſo viel ſagen, als: Derjenige, der eine gute und<lb/> gerechte Critick uͤbel nehme und den Criticum des-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wegen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0063]
an die d. Geſ. von Greifswalde.
uͤber die Todten vor der Critick uͤber die Lebenden
wolltet beſtimmen, oder die Gottſchediſche Regel
rechtfertigen koͤnnen, welche will, daß man die
Critick nur allein auf die Todten richten ſoll.
Das laͤßt ſich aus der Gemuͤths-Beſchaffenheit
derjenigen, die dieſe Gottſchediſche Regel willig an-
nehmen, und ſie gerne verfechten moͤchten, wenn
ſie nur koͤnnten, beſtimmen, was ihnen ſelbige ſo
beliebt mache, nemlich das boͤſe Gewiſſen elender
Scribenten, und das gerechte Mißtrauen in ihre
eigene Schriften. Das hat der elende Verfaſſer
der Anmerckungen uͤber das Ergaͤntzungs-Stuͤck
in den Leipzigiſchen Beluſtigungen des Witzes in
der XVI.ten Anmerckung ſelbſt aufrichtig geſtanden,
da er ſagt:
„Einjeder muß billig an dem Hrn.
„Prof. Gottſched als eine wuͤrckliche Klugheit lo-
„ben, daß er ſich nicht auf eine ſtrenge Beur-
„theilung der Herren Jetztlebenden eingelaſſen.
„Was ſollte er ſich Feinde machen, da er es
„erſparen konnte?„ Hr. Prof. Gottſched
ſchreibt ſelbſt in ſeiner erſten Vorrede zu der Dicht-
kunſt, wie ihr Bl. 417. aus ihm anfuͤhret:
„Man
„hat keine Urſache vor einer vernuͤnftigen Critick
„einen Abſcheu zu bezeugen, wenn man nur vor
„ſich ſicher iſt, und nicht fuͤrchten darf, ſelbſt in
„ihre Unterſuchung zu gerathen. Wer ein gu-
„tes Gewiſſen hat, daß nemlich ſeine Sachen
„nach den wahren Kunſtregeln ausgearbeitet wor-
„den, der wird keine Feindſchaft gegen die Cri-
„ticos blicken laſſen.„ Welche Worte ja eben
ſo viel ſagen, als: Derjenige, der eine gute und
gerechte Critick uͤbel nehme und den Criticum des-
wegen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |