[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.Martin Opitzens Das Hertze zündt er an, die Augen macht er blind:Man findt nicht die man sucht, man sucht nicht die man findt, Jst das der Danck? Jch ließ an mir nichts nicht erwinden, Jn kurtzer Zeit konnt er sich in die Sprache finden, Letztlich vor meine Müh er sich selbst in mich drang, Und nahm mir mein Gemüth und Sinn. Jst das der Dank? O Pein, o süsse Pein, o Leiden ohne Freuden, O Feuer ohne Brand, o Freuden ohne Leiden! Das liebliche Gespenst, so man allhier zu Land Jungfrau zu täuffen pflegt, ward mir durch ihn bekannt. Wie offt hab ich gewünscht, daß mich der Sonnen Wagen, Um das gläserne Feld des Himmels möchte tragen: Wie würd ich halten offt auch mitten in der Flucht, Daß ich den schönen Glantz an ihr beschauen mocht. Wie offt hab ich gewünscht, daß ich doch werden solte Ein Bien, ein kleine Bien, und lesen wenn ich wolte Aus ihrem rothen Mund den honigsüssen Thau, Deßgleichen man nicht findt in der Welt grossen Au. So würd mein Seel in ihr, ihr Seel in meine kommen, So würde mir mein Schmertz durch ihren Schertz benommen, So würde mir die Pfort des Lebens aufgemacht, So wär mir die Nacht Tag, so wär mir der Tag Nacht. So würd ich freudiglich mit lebendem Tod sterben, So würd ich in der Welt den Himmel noch ererben: Der Tod, den ich mir wünsch, der Himmel den ich mein, Jst in der Liebsten Schoß gar sanffte schlaffen ein: Das
Martin Opitzens Das Hertze zuͤndt er an, die Augen macht er blind:Man findt nicht die man ſucht, man ſucht nicht die man findt, Jſt das der Danck? Jch ließ an mir nichts nicht erwinden, Jn kurtzer Zeit konnt er ſich in die Sprache finden, Letztlich vor meine Muͤh er ſich ſelbſt in mich drang, Und nahm mir mein Gemuͤth und Sinn. Jſt das der Dank? O Pein, o ſuͤſſe Pein, o Leiden ohne Freuden, O Feuer ohne Brand, o Freuden ohne Leiden! Das liebliche Geſpenſt, ſo man allhier zu Land Jungfrau zu taͤuffen pflegt, ward mir durch ihn bekannt. Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß mich der Sonnen Wagen, Um das glaͤſerne Feld des Himmels moͤchte tragen: Wie wuͤrd ich halten offt auch mitten in der Flucht, Daß ich den ſchoͤnen Glantz an ihr beſchauen mocht. Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß ich doch werden ſolte Ein Bien, ein kleine Bien, und leſen wenn ich wolte Aus ihrem rothen Mund den honigſuͤſſen Thau, Deßgleichen man nicht findt in der Welt groſſen Au. So wuͤrd mein Seel in ihr, ihr Seel in meine kommen, So wuͤrde mir mein Schmertz durch ihren Schertz benom̃en, So wuͤrde mir die Pfort des Lebens aufgemacht, So waͤr mir die Nacht Tag, ſo waͤr mir der Tag Nacht. So wuͤrd ich freudiglich mit lebendem Tod ſterben, So wuͤrd ich in der Welt den Himmel noch ererben: Der Tod, den ich mir wuͤnſch, der Himmel den ich mein, Jſt in der Liebſten Schoß gar ſanffte ſchlaffen ein: Das
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0048" n="48"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Martin Opitzens</hi> </fw><lb/> <l>Das Hertze zuͤndt er an, die Augen macht er blind:</l><lb/> <l>Man findt nicht die man ſucht, man ſucht nicht die man findt,</l><lb/> <l>Jſt das der Danck? Jch ließ an mir nichts nicht erwinden,</l><lb/> <l>Jn kurtzer Zeit konnt er ſich in die Sprache finden,</l><lb/> <l>Letztlich vor meine Muͤh er ſich ſelbſt in mich drang,</l><lb/> <l>Und nahm mir mein Gemuͤth und Sinn. Jſt das der Dank?</l><lb/> <l>O Pein, o ſuͤſſe Pein, o Leiden ohne Freuden,</l><lb/> <l>O Feuer ohne Brand, o Freuden ohne Leiden!</l><lb/> <l>Das liebliche Geſpenſt, ſo man allhier zu Land</l><lb/> <l>Jungfrau zu taͤuffen pflegt, ward mir durch ihn bekannt.</l><lb/> <l>Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß mich der Sonnen Wagen,</l><lb/> <l>Um das glaͤſerne Feld des Himmels moͤchte tragen:</l><lb/> <l>Wie wuͤrd ich halten offt auch mitten in der Flucht,</l><lb/> <l>Daß ich den ſchoͤnen Glantz an ihr beſchauen mocht.</l><lb/> <l>Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß ich doch werden ſolte</l><lb/> <l>Ein Bien, ein kleine Bien, und leſen wenn ich wolte</l><lb/> <l>Aus ihrem rothen Mund den honigſuͤſſen Thau,</l><lb/> <l>Deßgleichen man nicht findt in der Welt groſſen Au.</l><lb/> <l>So wuͤrd mein Seel in ihr, ihr Seel in meine kommen,</l><lb/> <l>So wuͤrde mir mein Schmertz durch ihren Schertz benom̃en,</l><lb/> <l>So wuͤrde mir die Pfort des Lebens aufgemacht,</l><lb/> <l>So waͤr mir die Nacht Tag, ſo waͤr mir der Tag Nacht.</l><lb/> <l>So wuͤrd ich freudiglich mit lebendem Tod ſterben,</l><lb/> <l>So wuͤrd ich in der Welt den Himmel noch ererben:</l><lb/> <l>Der Tod, den ich mir wuͤnſch, der Himmel den ich mein,</l><lb/> <l>Jſt in der Liebſten Schoß gar ſanffte ſchlaffen ein:</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [48/0048]
Martin Opitzens
Das Hertze zuͤndt er an, die Augen macht er blind:
Man findt nicht die man ſucht, man ſucht nicht die man findt,
Jſt das der Danck? Jch ließ an mir nichts nicht erwinden,
Jn kurtzer Zeit konnt er ſich in die Sprache finden,
Letztlich vor meine Muͤh er ſich ſelbſt in mich drang,
Und nahm mir mein Gemuͤth und Sinn. Jſt das der Dank?
O Pein, o ſuͤſſe Pein, o Leiden ohne Freuden,
O Feuer ohne Brand, o Freuden ohne Leiden!
Das liebliche Geſpenſt, ſo man allhier zu Land
Jungfrau zu taͤuffen pflegt, ward mir durch ihn bekannt.
Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß mich der Sonnen Wagen,
Um das glaͤſerne Feld des Himmels moͤchte tragen:
Wie wuͤrd ich halten offt auch mitten in der Flucht,
Daß ich den ſchoͤnen Glantz an ihr beſchauen mocht.
Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß ich doch werden ſolte
Ein Bien, ein kleine Bien, und leſen wenn ich wolte
Aus ihrem rothen Mund den honigſuͤſſen Thau,
Deßgleichen man nicht findt in der Welt groſſen Au.
So wuͤrd mein Seel in ihr, ihr Seel in meine kommen,
So wuͤrde mir mein Schmertz durch ihren Schertz benom̃en,
So wuͤrde mir die Pfort des Lebens aufgemacht,
So waͤr mir die Nacht Tag, ſo waͤr mir der Tag Nacht.
So wuͤrd ich freudiglich mit lebendem Tod ſterben,
So wuͤrd ich in der Welt den Himmel noch ererben:
Der Tod, den ich mir wuͤnſch, der Himmel den ich mein,
Jſt in der Liebſten Schoß gar ſanffte ſchlaffen ein:
Das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |