[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.
Ein Scribent, der mit dergleichen Gemüthes- Die Lehren und Lebensregeln, die Brand vor- Von dem Ueberhandnehmen der Pracht bey ehe-
Ein Scribent, der mit dergleichen Gemuͤthes- Die Lehren und Lebensregeln, die Brand vor- Von dem Ueberhandnehmen der Pracht bey ehe-
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Von der Poeſie
„lich war, ſpitzige Schuhe, und ausgeſchnitte-
„ne Roͤcke, damit der Milchmarckt nicht be-
„decket werde. Sie wickeln viel Hudeln in die
„Zoͤpfe, und machen groſſe Hoͤrner auf die Koͤpfe,
„als ob es ein groſſer Stier waͤre. Alſo gehen
„ſie her, wie die wilden Thiere. Doch ſollen
„ehrbare Frauen mir verzeyhen, denn ich will
„ihrer zu keinem Argen gantz nicht gedencken.
„Der boͤſen giebt es doch nur zu viel.„
Ein Scribent, der mit dergleichen Gemuͤthes-
Gedancken zum Vorſchein koͤmmt, muß ſich ſo
wohl mit ſeiner Guthertzigkeit als ſeinem Ver-
ſtande die Gunſt der Zuhoͤrer und Leſer erwerben.
Die Lehren und Lebensregeln, die Brand vor-
traͤgt, die Frucht einer gereinigten Vernunft, wer-
den mit einer Menge ſatyriſcher Stiche und cha-
racteriſierender Zuͤge belebet. Die Exempel, die
zwar ſymboliſch, doch meiſtens aus der wahren
Hiſtorie hergenommen ſind, bekommen am meiſten
Platzes. Manchmal fuͤhrt er ſeine Perſonen ſelbſt
redend ein, zum Exempel den Koch, den er
unter andern ſagen laͤßt: Wir achten fleiſſig da-
rauf, wie wir viele Trachten zurichten; damit wir
den Magen und die Luſt zu eſſen reitzen, kochen
wir, ſieden, braten, ſchweitzen, roͤſten und ba-
ken; wir machen Pfefferbrey voll Zucker, Gewuͤrtze
und Specerey, wir geben einem Oxymel ein, der
denn bey der Steige Gewell leidet, oder es wieder
mit Syropen und mit Kliſtieren von ihm pur-
gieren muß.
Von dem Ueberhandnehmen der Pracht bey
ſchlechten Leuten ſagt er: Die Bauren waren
ehe-
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