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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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des sechszehnten Jahrhunderts.

Nach diesem wird die Sonne, eine noch vor-
nehmere Person, aus einer sehr natürlichen Ur-
sache eingeführet, weil nemlich die Schiffenden
sich vermessen, die Stadt Straßburg vor dem
Untergange der Sonne zu erreichen. Aus die-
sem Grunde fließt vor sich selbst die Erdichtung
des Poeten, daß das Schiff mit der Sonne ei-
nen Wettstreit eingegangen habe, wer von ih-
nen zuerst in Straßburg ankäme. Es war nur
ein Streit um Ruhm, eris agathe, und Fisch-
art hat dieses in der Zuneigung und Hochachtung,
welche er der Sonne für die Schiffenden zuschrei-
bet, an etlichen Orten ausgedrückt. Durch diese
Erdichtung hat er dem Vornehmen der Schif-
fenden eine grosse Würde beygeleget, er hat die
sinnlichsten Bilder daher erhalten, die Geschwin-
digkeit der Schiffahrt vorzustellen, er hat davon
Stof zu etlichen wunderbaren Schildereyen der
leblosen Natur bekommen. Diese gantze Sce-
ne aber wird nur erzehlet, und nicht aufgeführet.
Jch will sagen, die Sonne redet nicht selbst, son-
dern der Poet beschreibt ihre Gedancken und Mei-
nungen:

"Vornemlich aber schoß die Sonne ihre
"Strahlen auf unser schmales Schiffgen, weil sie
"ihm schier mißgönnete, daß es mit ihr in die Wet-
"te lief, und ihr ihren Lauf nachthun, mit ihr auf-
"und auch niedergehen wollte. Jedoch die männli-
"chen Reisegefehrten achteten der Beschwerde
"nichts. Sie hielten der Sonne Stiche nur vor
"eine Anmahnung sich zu födern. Denn werschönes
"Wetter haben will, muß leiden, daß er die Son-
"ne fühle. Derowegen, als die Sonne vermerckte,
"daß
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des ſechszehnten Jahrhunderts.

Nach dieſem wird die Sonne, eine noch vor-
nehmere Perſon, aus einer ſehr natuͤrlichen Ur-
ſache eingefuͤhret, weil nemlich die Schiffenden
ſich vermeſſen, die Stadt Straßburg vor dem
Untergange der Sonne zu erreichen. Aus die-
ſem Grunde fließt vor ſich ſelbſt die Erdichtung
des Poeten, daß das Schiff mit der Sonne ei-
nen Wettſtreit eingegangen habe, wer von ih-
nen zuerſt in Straßburg ankaͤme. Es war nur
ein Streit um Ruhm, ἔϱις ἀγαθὴ, und Fiſch-
art hat dieſes in der Zuneigung und Hochachtung,
welche er der Sonne fuͤr die Schiffenden zuſchrei-
bet, an etlichen Orten ausgedruͤckt. Durch dieſe
Erdichtung hat er dem Vornehmen der Schif-
fenden eine groſſe Wuͤrde beygeleget, er hat die
ſinnlichſten Bilder daher erhalten, die Geſchwin-
digkeit der Schiffahrt vorzuſtellen, er hat davon
Stof zu etlichen wunderbaren Schildereyen der
lebloſen Natur bekommen. Dieſe gantze Sce-
ne aber wird nur erzehlet, und nicht aufgefuͤhret.
Jch will ſagen, die Sonne redet nicht ſelbſt, ſon-
dern der Poet beſchreibt ihre Gedancken und Mei-
nungen:

„Vornemlich aber ſchoß die Sonne ihre
„Strahlen auf unſer ſchmales Schiffgen, weil ſie
„ihm ſchier mißgoͤnnete, daß es mit ihr in die Wet-
„te lief, und ihr ihren Lauf nachthun, mit ihr auf-
„und auch niedergehen wollte. Jedoch die maͤnnli-
„chen Reiſegefehrten achteten der Beſchwerde
„nichts. Sie hielten der Sonne Stiche nur vor
„eine Anmahnung ſich zu foͤdern. Denn werſchoͤnes
„Wetter haben will, muß leiden, daß er die Son-
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[67/0067] des ſechszehnten Jahrhunderts. Nach dieſem wird die Sonne, eine noch vor- nehmere Perſon, aus einer ſehr natuͤrlichen Ur- ſache eingefuͤhret, weil nemlich die Schiffenden ſich vermeſſen, die Stadt Straßburg vor dem Untergange der Sonne zu erreichen. Aus die- ſem Grunde fließt vor ſich ſelbſt die Erdichtung des Poeten, daß das Schiff mit der Sonne ei- nen Wettſtreit eingegangen habe, wer von ih- nen zuerſt in Straßburg ankaͤme. Es war nur ein Streit um Ruhm, ἔϱις ἀγαθὴ, und Fiſch- art hat dieſes in der Zuneigung und Hochachtung, welche er der Sonne fuͤr die Schiffenden zuſchrei- bet, an etlichen Orten ausgedruͤckt. Durch dieſe Erdichtung hat er dem Vornehmen der Schif- fenden eine groſſe Wuͤrde beygeleget, er hat die ſinnlichſten Bilder daher erhalten, die Geſchwin- digkeit der Schiffahrt vorzuſtellen, er hat davon Stof zu etlichen wunderbaren Schildereyen der lebloſen Natur bekommen. Dieſe gantze Sce- ne aber wird nur erzehlet, und nicht aufgefuͤhret. Jch will ſagen, die Sonne redet nicht ſelbſt, ſon- dern der Poet beſchreibt ihre Gedancken und Mei- nungen: „Vornemlich aber ſchoß die Sonne ihre „Strahlen auf unſer ſchmales Schiffgen, weil ſie „ihm ſchier mißgoͤnnete, daß es mit ihr in die Wet- „te lief, und ihr ihren Lauf nachthun, mit ihr auf- „und auch niedergehen wollte. Jedoch die maͤnnli- „chen Reiſegefehrten achteten der Beſchwerde „nichts. Sie hielten der Sonne Stiche nur vor „eine Anmahnung ſich zu foͤdern. Denn werſchoͤnes „Wetter haben will, muß leiden, daß er die Son- „ne fuͤhle. Derowegen, als die Sonne vermerckte, „daß E 2

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/67>, abgerufen am 22.11.2024.