Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Poesie
"haften Freudigkeit wegen; die Strasse auf
"Straßburg sey auch offen; ihr sollet erlangen,
"was ihr hoffet. Was ihr heute früh euch
"vorgenommen habet, das soll euch noch diesen
"Abend wahr werden. Jhr werdet heut die Stadt
"Straßburg sehen, so wahr ich selbst zu derselben
"hinzunähern werde. Heute werdet ihr als
"willkommene Gäste zu Straßburg ankommen.
"Nun liebes Wagschiffgen lauf behende, du
"wirst noch heute Glückesschiff genannt werden,
"und durch dich werde ich auch gepriesen werden,
"weil ich an dir solche Treue bewiesen habe."

Die Wirckung, welche dieser Zuspruch bey den
Eingeschifften gethan, wird auf eine recht poeti-
sche Art beschrieben:

"Solche Stimme war der
"Gesellschaft etwas seltzames, sie ward darüber
"gar erstaunet, und schwieg stille. Es dauchte
"sie, daß sie die Stimme fühlte, als wann
"ein Wind in eine Höle bliese. Derhalben
"jagte sie ihr einen Muth ein, gleich wie das
"Horn und das Rufen des Jägers den Hun-
"den thut, wenn es in dem finstern Wald weit
"erschallet, so sie sich im tieffen Thal verlau-
"fen haben, und die Berge auf und ab durch-
"schnaufen. Alsdann schäumet ihnen die Waf-
"fel erst, und sie kommen ungesäumet auf die
"Spur. Also war auch die Stimme dem Schiffe.
"Es bekam erst einen Grimm zu rudern."

Das
Gleichniß ist gantz homerisch so wohl in der male-
rischen Ausführung, als in der Verknüpfung ver-
schiedener Absichten.

Nach
Von der Poeſie
„haften Freudigkeit wegen; die Straſſe auf
„Straßburg ſey auch offen; ihr ſollet erlangen,
„was ihr hoffet. Was ihr heute fruͤh euch
„vorgenommen habet, das ſoll euch noch dieſen
„Abend wahr werden. Jhr werdet heut die Stadt
„Straßburg ſehen, ſo wahr ich ſelbſt zu derſelben
„hinzunaͤhern werde. Heute werdet ihr als
„willkommene Gaͤſte zu Straßburg ankommen.
„Nun liebes Wagſchiffgen lauf behende, du
„wirſt noch heute Gluͤckesſchiff genannt werden,
„und durch dich werde ich auch geprieſen werden,
„weil ich an dir ſolche Treue bewieſen habe.„

Die Wirckung, welche dieſer Zuſpruch bey den
Eingeſchifften gethan, wird auf eine recht poeti-
ſche Art beſchrieben:

„Solche Stimme war der
„Geſellſchaft etwas ſeltzames, ſie ward daruͤber
„gar erſtaunet, und ſchwieg ſtille. Es dauchte
„ſie, daß ſie die Stimme fuͤhlte, als wann
„ein Wind in eine Hoͤle blieſe. Derhalben
„jagte ſie ihr einen Muth ein, gleich wie das
„Horn und das Rufen des Jaͤgers den Hun-
„den thut, wenn es in dem finſtern Wald weit
„erſchallet, ſo ſie ſich im tieffen Thal verlau-
„fen haben, und die Berge auf und ab durch-
„ſchnaufen. Alsdann ſchaͤumet ihnen die Waf-
„fel erſt, und ſie kommen ungeſaͤumet auf die
„Spur. Alſo war auch die Stimme dem Schiffe.
„Es bekam erſt einen Grimm zu rudern.„

Das
Gleichniß iſt gantz homeriſch ſo wohl in der male-
riſchen Ausfuͤhrung, als in der Verknuͤpfung ver-
ſchiedener Abſichten.

Nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote><pb facs="#f0066" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Poe&#x017F;ie</hi></fw><lb/>
&#x201E;haften Freudigkeit wegen; die Stra&#x017F;&#x017F;e auf<lb/>
&#x201E;Straßburg &#x017F;ey auch offen; ihr &#x017F;ollet erlangen,<lb/>
&#x201E;was ihr hoffet. Was ihr heute fru&#x0364;h euch<lb/>
&#x201E;vorgenommen habet, das &#x017F;oll euch noch die&#x017F;en<lb/>
&#x201E;Abend wahr werden. Jhr werdet heut die Stadt<lb/>
&#x201E;Straßburg &#x017F;ehen, &#x017F;o wahr ich &#x017F;elb&#x017F;t zu der&#x017F;elben<lb/>
&#x201E;hinzuna&#x0364;hern werde. Heute werdet ihr als<lb/>
&#x201E;willkommene Ga&#x0364;&#x017F;te zu Straßburg ankommen.<lb/>
&#x201E;Nun liebes Wag&#x017F;chiffgen lauf behende, du<lb/>
&#x201E;wir&#x017F;t noch heute Glu&#x0364;ckes&#x017F;chiff genannt werden,<lb/>
&#x201E;und durch dich werde ich auch geprie&#x017F;en werden,<lb/>
&#x201E;weil ich an dir &#x017F;olche Treue bewie&#x017F;en habe.&#x201E;</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Die Wirckung, welche die&#x017F;er Zu&#x017F;pruch bey den<lb/>
Einge&#x017F;chifften gethan, wird auf eine recht poeti-<lb/>
&#x017F;che Art be&#x017F;chrieben:</p>
        <cit>
          <quote>&#x201E;Solche Stimme war der<lb/>
&#x201E;Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft etwas &#x017F;eltzames, &#x017F;ie ward daru&#x0364;ber<lb/>
&#x201E;gar er&#x017F;taunet, und &#x017F;chwieg &#x017F;tille. Es dauchte<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie, daß &#x017F;ie die Stimme fu&#x0364;hlte, als wann<lb/>
&#x201E;ein Wind in eine Ho&#x0364;le blie&#x017F;e. Derhalben<lb/>
&#x201E;jagte &#x017F;ie ihr einen Muth ein, gleich wie das<lb/>
&#x201E;Horn und das Rufen des Ja&#x0364;gers den Hun-<lb/>
&#x201E;den thut, wenn es in dem fin&#x017F;tern Wald weit<lb/>
&#x201E;er&#x017F;challet, &#x017F;o &#x017F;ie &#x017F;ich im tieffen Thal verlau-<lb/>
&#x201E;fen haben, und die Berge auf und ab durch-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chnaufen. Alsdann &#x017F;cha&#x0364;umet ihnen die Waf-<lb/>
&#x201E;fel er&#x017F;t, und &#x017F;ie kommen unge&#x017F;a&#x0364;umet auf die<lb/>
&#x201E;Spur. Al&#x017F;o war auch die Stimme dem Schiffe.<lb/>
&#x201E;Es bekam er&#x017F;t einen Grimm zu rudern.&#x201E;</quote>
        </cit>
        <p>Das<lb/>
Gleichniß i&#x017F;t gantz homeri&#x017F;ch &#x017F;o wohl in der male-<lb/>
ri&#x017F;chen Ausfu&#x0364;hrung, als in der Verknu&#x0364;pfung ver-<lb/>
&#x017F;chiedener Ab&#x017F;ichten.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Nach</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0066] Von der Poeſie „haften Freudigkeit wegen; die Straſſe auf „Straßburg ſey auch offen; ihr ſollet erlangen, „was ihr hoffet. Was ihr heute fruͤh euch „vorgenommen habet, das ſoll euch noch dieſen „Abend wahr werden. Jhr werdet heut die Stadt „Straßburg ſehen, ſo wahr ich ſelbſt zu derſelben „hinzunaͤhern werde. Heute werdet ihr als „willkommene Gaͤſte zu Straßburg ankommen. „Nun liebes Wagſchiffgen lauf behende, du „wirſt noch heute Gluͤckesſchiff genannt werden, „und durch dich werde ich auch geprieſen werden, „weil ich an dir ſolche Treue bewieſen habe.„ Die Wirckung, welche dieſer Zuſpruch bey den Eingeſchifften gethan, wird auf eine recht poeti- ſche Art beſchrieben: „Solche Stimme war der „Geſellſchaft etwas ſeltzames, ſie ward daruͤber „gar erſtaunet, und ſchwieg ſtille. Es dauchte „ſie, daß ſie die Stimme fuͤhlte, als wann „ein Wind in eine Hoͤle blieſe. Derhalben „jagte ſie ihr einen Muth ein, gleich wie das „Horn und das Rufen des Jaͤgers den Hun- „den thut, wenn es in dem finſtern Wald weit „erſchallet, ſo ſie ſich im tieffen Thal verlau- „fen haben, und die Berge auf und ab durch- „ſchnaufen. Alsdann ſchaͤumet ihnen die Waf- „fel erſt, und ſie kommen ungeſaͤumet auf die „Spur. Alſo war auch die Stimme dem Schiffe. „Es bekam erſt einen Grimm zu rudern.„ Das Gleichniß iſt gantz homeriſch ſo wohl in der male- riſchen Ausfuͤhrung, als in der Verknuͤpfung ver- ſchiedener Abſichten. Nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/66
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/66>, abgerufen am 03.05.2024.