Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Poesie
"daß ihre Mannheit nur dadurch gestärcket
"ward, und das Schiff immer forteilen sah,
"sorgete sie, sie mögte sich verweilen, daß
"ihr das Schiff vielleicht vorkäme, und ihr
"also das Lob benähme. Ehe sie derohalben
"halb ausgeruhet hatte, spannte sie frische
"Pferde vor, sie ließ sich aus ihrem güldenen
"Saal, und rennte in einem Keif zu Thal,
"als wenn ein Feuerstrahl vom Himmel plötz-
"lich in ein fernes Thal schießt. Sie brauchte
"sich auch so emsiglich, daß sie ihnen bey Rhein-
"au vorstrich, und sich dem Schiffe auf der
"Seite zeigete, ihm zum Wettelaufen auszu-
"bieten, welches diese Männer desto mehr er-
"mannete, daß sie weidlich Hand anlegeten,
"vornehmlich, da sie von ferne dauchte, daß
"ihnen ein neues Gestirn hervorschiene, das
"war der Wiederschein der hohen Spitze
"des Thurmes zu Straßburg wegen der hel-
"len Blitze, welche die Sonne auf derselben
"erregete, auf daß sie die Gesellschaft bewe-
"gete, und also mit ihr schertzete, und sie be-
"hertzt machete zu fahren, denn der Keif war
"ihr vergangen, seitdem sie ihres Vortheils
"gewahr worden. Sie ließ ietzo die Pfer-
"de gerne langsam traben, mehr Kurzweil
"mit dem Schiffe zu haben, welches ungewohn-
"ter Weise auf dem Rhein mit ihr um den
"Preis wettelief. Denn grosse Händel un-
"ternehmen, wird so wohl gelobt, als sie be-
"gehen. Aber sie mußte heruntereilen, sich
"von der Erden erkühlen zu lassen, und sich
"selber
Von der Poeſie
„daß ihre Mannheit nur dadurch geſtaͤrcket
„ward, und das Schiff immer forteilen ſah,
„ſorgete ſie, ſie moͤgte ſich verweilen, daß
„ihr das Schiff vielleicht vorkaͤme, und ihr
„alſo das Lob benaͤhme. Ehe ſie derohalben
„halb ausgeruhet hatte, ſpannte ſie friſche
„Pferde vor, ſie ließ ſich aus ihrem guͤldenen
„Saal, und rennte in einem Keif zu Thal,
„als wenn ein Feuerſtrahl vom Himmel ploͤtz-
„lich in ein fernes Thal ſchießt. Sie brauchte
„ſich auch ſo emſiglich, daß ſie ihnen bey Rhein-
„au vorſtrich, und ſich dem Schiffe auf der
„Seite zeigete, ihm zum Wettelaufen auszu-
„bieten, welches dieſe Maͤnner deſto mehr er-
„mannete, daß ſie weidlich Hand anlegeten,
„vornehmlich, da ſie von ferne dauchte, daß
„ihnen ein neues Geſtirn hervorſchiene, das
„war der Wiederſchein der hohen Spitze
„des Thurmes zu Straßburg wegen der hel-
„len Blitze, welche die Sonne auf derſelben
„erregete, auf daß ſie die Geſellſchaft bewe-
„gete, und alſo mit ihr ſchertzete, und ſie be-
„hertzt machete zu fahren, denn der Keif war
„ihr vergangen, ſeitdem ſie ihres Vortheils
„gewahr worden. Sie ließ ietzo die Pfer-
„de gerne langſam traben, mehr Kurzweil
„mit dem Schiffe zu haben, welches ungewohn-
„ter Weiſe auf dem Rhein mit ihr um den
„Preis wettelief. Denn groſſe Haͤndel un-
„ternehmen, wird ſo wohl gelobt, als ſie be-
„gehen. Aber ſie mußte heruntereilen, ſich
„von der Erden erkuͤhlen zu laſſen, und ſich
„ſelber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote><pb facs="#f0068" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Poe&#x017F;ie</hi></fw><lb/>
&#x201E;daß ihre Mannheit nur dadurch ge&#x017F;ta&#x0364;rcket<lb/>
&#x201E;ward, und das Schiff immer forteilen &#x017F;ah,<lb/>
&#x201E;&#x017F;orgete &#x017F;ie, &#x017F;ie mo&#x0364;gte &#x017F;ich verweilen, daß<lb/>
&#x201E;ihr das Schiff vielleicht vorka&#x0364;me, und ihr<lb/>
&#x201E;al&#x017F;o das Lob bena&#x0364;hme. Ehe &#x017F;ie derohalben<lb/>
&#x201E;halb ausgeruhet hatte, &#x017F;pannte &#x017F;ie fri&#x017F;che<lb/>
&#x201E;Pferde vor, &#x017F;ie ließ &#x017F;ich aus ihrem gu&#x0364;ldenen<lb/>
&#x201E;Saal, und rennte in einem Keif zu Thal,<lb/>
&#x201E;als wenn ein Feuer&#x017F;trahl vom Himmel plo&#x0364;tz-<lb/>
&#x201E;lich in ein fernes Thal &#x017F;chießt. Sie brauchte<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich auch &#x017F;o em&#x017F;iglich, daß &#x017F;ie ihnen bey Rhein-<lb/>
&#x201E;au vor&#x017F;trich, und &#x017F;ich dem Schiffe auf der<lb/>
&#x201E;Seite zeigete, ihm zum Wettelaufen auszu-<lb/>
&#x201E;bieten, welches die&#x017F;e Ma&#x0364;nner de&#x017F;to mehr er-<lb/>
&#x201E;mannete, daß &#x017F;ie weidlich Hand anlegeten,<lb/>
&#x201E;vornehmlich, da &#x017F;ie von ferne dauchte, daß<lb/>
&#x201E;ihnen ein neues Ge&#x017F;tirn hervor&#x017F;chiene, das<lb/>
&#x201E;war der Wieder&#x017F;chein der hohen Spitze<lb/>
&#x201E;des Thurmes zu Straßburg wegen der hel-<lb/>
&#x201E;len Blitze, welche die Sonne auf der&#x017F;elben<lb/>
&#x201E;erregete, auf daß &#x017F;ie die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft bewe-<lb/>
&#x201E;gete, und al&#x017F;o mit ihr &#x017F;chertzete, und &#x017F;ie be-<lb/>
&#x201E;hertzt machete zu fahren, denn der Keif war<lb/>
&#x201E;ihr vergangen, &#x017F;eitdem &#x017F;ie ihres Vortheils<lb/>
&#x201E;gewahr worden. Sie ließ ietzo die Pfer-<lb/>
&#x201E;de gerne lang&#x017F;am traben, mehr Kurzweil<lb/>
&#x201E;mit dem Schiffe zu haben, welches ungewohn-<lb/>
&#x201E;ter Wei&#x017F;e auf dem Rhein mit ihr um den<lb/>
&#x201E;Preis wettelief. Denn gro&#x017F;&#x017F;e Ha&#x0364;ndel un-<lb/>
&#x201E;ternehmen, wird &#x017F;o wohl gelobt, als &#x017F;ie be-<lb/>
&#x201E;gehen. Aber &#x017F;ie mußte heruntereilen, &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;von der Erden erku&#x0364;hlen zu la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;&#x017F;elber</fw><lb/></quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0068] Von der Poeſie „daß ihre Mannheit nur dadurch geſtaͤrcket „ward, und das Schiff immer forteilen ſah, „ſorgete ſie, ſie moͤgte ſich verweilen, daß „ihr das Schiff vielleicht vorkaͤme, und ihr „alſo das Lob benaͤhme. Ehe ſie derohalben „halb ausgeruhet hatte, ſpannte ſie friſche „Pferde vor, ſie ließ ſich aus ihrem guͤldenen „Saal, und rennte in einem Keif zu Thal, „als wenn ein Feuerſtrahl vom Himmel ploͤtz- „lich in ein fernes Thal ſchießt. Sie brauchte „ſich auch ſo emſiglich, daß ſie ihnen bey Rhein- „au vorſtrich, und ſich dem Schiffe auf der „Seite zeigete, ihm zum Wettelaufen auszu- „bieten, welches dieſe Maͤnner deſto mehr er- „mannete, daß ſie weidlich Hand anlegeten, „vornehmlich, da ſie von ferne dauchte, daß „ihnen ein neues Geſtirn hervorſchiene, das „war der Wiederſchein der hohen Spitze „des Thurmes zu Straßburg wegen der hel- „len Blitze, welche die Sonne auf derſelben „erregete, auf daß ſie die Geſellſchaft bewe- „gete, und alſo mit ihr ſchertzete, und ſie be- „hertzt machete zu fahren, denn der Keif war „ihr vergangen, ſeitdem ſie ihres Vortheils „gewahr worden. Sie ließ ietzo die Pfer- „de gerne langſam traben, mehr Kurzweil „mit dem Schiffe zu haben, welches ungewohn- „ter Weiſe auf dem Rhein mit ihr um den „Preis wettelief. Denn groſſe Haͤndel un- „ternehmen, wird ſo wohl gelobt, als ſie be- „gehen. Aber ſie mußte heruntereilen, ſich „von der Erden erkuͤhlen zu laſſen, und ſich „ſelber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/68
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/68>, abgerufen am 03.05.2024.