Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung
den. Jch will mich nicht mit derselben Beschrei-
bung verweilen; denn ich gedencke, daß man mei-
ne Gedancken von der Art dieser Dichtung aus
dem was ich bisher erinnert habe, schon errathen
könne. Nur kan ich nicht unangemerckt lassen,
daß mir das Bekänntniß des Patrioten, da er ge-
stehet, daß er ein magisches Jnstrument bedürffe,
um zu wissen, ob er selbst rede, was er dencket,
oder ob Mund und Hertz mit einander überein-
stimme, recht albern vorkömmt. Das vierte
magische Geheimniß ist ein himmelblaues Was-
ser,
wovon er im V. St. folgendes erzehlet:
Jm Jahre 1722. den 6ten May empfieng ich
durch einen Schiffer/ von einem meiner ver-
trauten Freunde in China/ einem grossen Chy-
misten/ Nahmens Miram Tansi/ ein Schrei-
ben/ nebst einer kleinen Flasche mit himmel-
blauem Wasser: dasselbe stärcket das Gesicht
auf solche Weise/ daß man eine beständige Aus-
dünstung aus dem Gehirne der Menschen/ und
in derselben die Leidenschaften des Gemüthes/
figürlich sehen/ auch verschiedene Creaturen
in der Luft/ welche darinn/ wie Fische im
Wasser/ schwimmen/ auf das kenntbareste
entdecken könne.
Und wenn der Herr Patriot
dieses Wasser aus Nova-Zembla hätte her-
kommen lassen, wo sonst die schwartzen Künste
zur grösten Vollkommenheit gebracht sind; so
muß er doch nicht glauben, daß die Deutschen
so dumm seyn, daß sie dergleichen abentheurli-
che Erzehlungen im Ernste aufnehmen. Er
wird wohl der erste seyn, der vorgiebt, daß

die

Abhandlung
den. Jch will mich nicht mit derſelben Beſchrei-
bung verweilen; denn ich gedencke, daß man mei-
ne Gedancken von der Art dieſer Dichtung aus
dem was ich bisher erinnert habe, ſchon errathen
koͤnne. Nur kan ich nicht unangemerckt laſſen,
daß mir das Bekaͤnntniß des Patrioten, da er ge-
ſtehet, daß er ein magiſches Jnſtrument beduͤrffe,
um zu wiſſen, ob er ſelbſt rede, was er dencket,
oder ob Mund und Hertz mit einander uͤberein-
ſtimme, recht albern vorkoͤmmt. Das vierte
magiſche Geheimniß iſt ein himmelblaues Waſ-
ſer,
wovon er im V. St. folgendes erzehlet:
Jm Jahre 1722. den 6ten May empfieng ich
durch einen Schiffer/ von einem meiner ver-
trauten Freunde in China/ einem groſſen Chy-
miſten/ Nahmens Miram Tanſi/ ein Schrei-
ben/ nebſt einer kleinen Flaſche mit himmel-
blauem Waſſer: daſſelbe ſtaͤrcket das Geſicht
auf ſolche Weiſe/ daß man eine beſtaͤndige Aus-
duͤnſtung aus dem Gehirne der Menſchen/ und
in derſelben die Leidenſchaften des Gemuͤthes/
figuͤrlich ſehen/ auch verſchiedene Creaturen
in der Luft/ welche darinn/ wie Fiſche im
Waſſer/ ſchwimmen/ auf das kenntbareſte
entdecken koͤnne.
Und wenn der Herr Patriot
dieſes Waſſer aus Nova-Zembla haͤtte her-
kommen laſſen, wo ſonſt die ſchwartzen Kuͤnſte
zur groͤſten Vollkommenheit gebracht ſind; ſo
muß er doch nicht glauben, daß die Deutſchen
ſo dumm ſeyn, daß ſie dergleichen abentheurli-
che Erzehlungen im Ernſte aufnehmen. Er
wird wohl der erſte ſeyn, der vorgiebt, daß

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="92"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung</hi></fw><lb/>
den. Jch will mich nicht mit der&#x017F;elben Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung verweilen; denn ich gedencke, daß man mei-<lb/>
ne Gedancken von der Art die&#x017F;er Dichtung aus<lb/>
dem was ich bisher erinnert habe, &#x017F;chon errathen<lb/>
ko&#x0364;nne. Nur kan ich nicht unangemerckt la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß mir das Beka&#x0364;nntniß des Patrioten, da er ge-<lb/>
&#x017F;tehet, daß er ein magi&#x017F;ches Jn&#x017F;trument bedu&#x0364;rffe,<lb/>
um zu wi&#x017F;&#x017F;en, ob er &#x017F;elb&#x017F;t rede, was er dencket,<lb/>
oder ob Mund und Hertz mit einander u&#x0364;berein-<lb/>
&#x017F;timme, recht albern vorko&#x0364;mmt. Das vierte<lb/>
magi&#x017F;che Geheimniß i&#x017F;t ein <hi rendition="#fr">himmelblaues Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er,</hi> wovon er im <hi rendition="#aq">V.</hi> St. folgendes erzehlet:<lb/><hi rendition="#fr">Jm Jahre 1722. den 6ten May empfieng ich<lb/>
durch einen Schiffer/ von einem meiner ver-<lb/>
trauten Freunde in China/ einem gro&#x017F;&#x017F;en Chy-<lb/>
mi&#x017F;ten/ Nahmens Miram Tan&#x017F;i/ ein Schrei-<lb/>
ben/ neb&#x017F;t einer kleinen Fla&#x017F;che mit himmel-<lb/>
blauem Wa&#x017F;&#x017F;er: da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ta&#x0364;rcket das Ge&#x017F;icht<lb/>
auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e/ daß man eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige Aus-<lb/>
du&#x0364;n&#x017F;tung aus dem Gehirne der Men&#x017F;chen/ und<lb/>
in der&#x017F;elben die Leiden&#x017F;chaften des Gemu&#x0364;thes/<lb/>
figu&#x0364;rlich &#x017F;ehen/ auch ver&#x017F;chiedene Creaturen<lb/>
in der Luft/ welche darinn/ wie Fi&#x017F;che im<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er/ &#x017F;chwimmen/ auf das kenntbare&#x017F;te<lb/>
entdecken ko&#x0364;nne.</hi> Und wenn der Herr Patriot<lb/>
die&#x017F;es Wa&#x017F;&#x017F;er aus Nova-Zembla ha&#x0364;tte her-<lb/>
kommen la&#x017F;&#x017F;en, wo &#x017F;on&#x017F;t die &#x017F;chwartzen Ku&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
zur gro&#x0364;&#x017F;ten Vollkommenheit gebracht &#x017F;ind; &#x017F;o<lb/>
muß er doch nicht glauben, daß die Deut&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;o dumm &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie dergleichen abentheurli-<lb/>
che Erzehlungen im Ern&#x017F;te aufnehmen. Er<lb/>
wird wohl der er&#x017F;te &#x017F;eyn, der vorgiebt, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0092] Abhandlung den. Jch will mich nicht mit derſelben Beſchrei- bung verweilen; denn ich gedencke, daß man mei- ne Gedancken von der Art dieſer Dichtung aus dem was ich bisher erinnert habe, ſchon errathen koͤnne. Nur kan ich nicht unangemerckt laſſen, daß mir das Bekaͤnntniß des Patrioten, da er ge- ſtehet, daß er ein magiſches Jnſtrument beduͤrffe, um zu wiſſen, ob er ſelbſt rede, was er dencket, oder ob Mund und Hertz mit einander uͤberein- ſtimme, recht albern vorkoͤmmt. Das vierte magiſche Geheimniß iſt ein himmelblaues Waſ- ſer, wovon er im V. St. folgendes erzehlet: Jm Jahre 1722. den 6ten May empfieng ich durch einen Schiffer/ von einem meiner ver- trauten Freunde in China/ einem groſſen Chy- miſten/ Nahmens Miram Tanſi/ ein Schrei- ben/ nebſt einer kleinen Flaſche mit himmel- blauem Waſſer: daſſelbe ſtaͤrcket das Geſicht auf ſolche Weiſe/ daß man eine beſtaͤndige Aus- duͤnſtung aus dem Gehirne der Menſchen/ und in derſelben die Leidenſchaften des Gemuͤthes/ figuͤrlich ſehen/ auch verſchiedene Creaturen in der Luft/ welche darinn/ wie Fiſche im Waſſer/ ſchwimmen/ auf das kenntbareſte entdecken koͤnne. Und wenn der Herr Patriot dieſes Waſſer aus Nova-Zembla haͤtte her- kommen laſſen, wo ſonſt die ſchwartzen Kuͤnſte zur groͤſten Vollkommenheit gebracht ſind; ſo muß er doch nicht glauben, daß die Deutſchen ſo dumm ſeyn, daß ſie dergleichen abentheurli- che Erzehlungen im Ernſte aufnehmen. Er wird wohl der erſte ſeyn, der vorgiebt, daß die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/92
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/92>, abgerufen am 06.05.2024.