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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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selben von einer übernatürlichen oder magischen
Wunderkraft herzuleiten; angesehen ein jeder
anderer gemeiner Mensch mittelst seiner fünf Sin-
nen u. einer kleinen Gabe natürliches Verstands,
ohne die Hülfe dieser oder anderer dergleichen
Zauber-Maschinen, eben dieselbigen und noch
wichtigere Entdeckungen machen könnte. Folg-
lich haben diese seltsamen Erfindungen nicht mehr
Grund ihrer Nothwendigkeit, als wenn einer ei-
nen Hasen mit einer Hellparten erstechen, oder
eine Last von wenigen Pfunden mit einem grossen
Hebzeuge bewegen wollte. Mithin ist es auch
für den Character eines ernsthaften Patrioten
höchstungeziemend, daß er sich durch dergleichen
angemaßte verborgene Künste bey dem abergläu-
bigen Pöbel suche ein Ansehen zu machen; und
dergleichen unnöthige Erfindungen können öfters
mit Recht den Verdacht erwecken, daß ein solcher
moralischer Taschenspieler an wahrer Einsicht und
Kundschaft des menschlichen Hertzens grossen Ab-
gang leide, weil er gemüssiget ist, seine, obgleich
ziemlich kahlen und flüchtigen, Entdeckungen mit
dergleichen ausserordentlichen und zauberischen
Erfindungen zu beglaubigen. Allein nach dieser
allgemeinen Anmerckung über die relatife Noth-
wendigkeit und den Nutzen dieser Erfindungen
wollen wir diese Wunder-Maschinen absonder-
lich prüffen, und den Grund ihrer innerlichen
Wahrscheinlichkeit untersuchen. Die erste von
diesen wunderbaren Maschinen ist das philoso-
phische Thermometer,
oder das Wetterglas des
Verstandes,
welches die Hitze und Kälte dessel-

ben

Abhandlung
ſelben von einer uͤbernatuͤrlichen oder magiſchen
Wunderkraft herzuleiten; angeſehen ein jeder
anderer gemeiner Menſch mittelſt ſeiner fuͤnf Sin-
nen u. einer kleinen Gabe natuͤrliches Verſtands,
ohne die Huͤlfe dieſer oder anderer dergleichen
Zauber-Maſchinen, eben dieſelbigen und noch
wichtigere Entdeckungen machen koͤnnte. Folg-
lich haben dieſe ſeltſamen Erfindungen nicht mehr
Grund ihrer Nothwendigkeit, als wenn einer ei-
nen Haſen mit einer Hellparten erſtechen, oder
eine Laſt von wenigen Pfunden mit einem groſſen
Hebzeuge bewegen wollte. Mithin iſt es auch
fuͤr den Character eines ernſthaften Patrioten
hoͤchſtungeziemend, daß er ſich durch dergleichen
angemaßte verborgene Kuͤnſte bey dem aberglaͤu-
bigen Poͤbel ſuche ein Anſehen zu machen; und
dergleichen unnoͤthige Erfindungen koͤnnen oͤfters
mit Recht den Verdacht erwecken, daß ein ſolcher
moraliſcher Taſchenſpieler an wahrer Einſicht und
Kundſchaft des menſchlichen Hertzens groſſen Ab-
gang leide, weil er gemuͤſſiget iſt, ſeine, obgleich
ziemlich kahlen und fluͤchtigen, Entdeckungen mit
dergleichen auſſerordentlichen und zauberiſchen
Erfindungen zu beglaubigen. Allein nach dieſer
allgemeinen Anmerckung uͤber die relatife Noth-
wendigkeit und den Nutzen dieſer Erfindungen
wollen wir dieſe Wunder-Maſchinen abſonder-
lich pruͤffen, und den Grund ihrer innerlichen
Wahrſcheinlichkeit unterſuchen. Die erſte von
dieſen wunderbaren Maſchinen iſt das philoſo-
phiſche Thermometer,
oder das Wetterglas des
Verſtandes,
welches die Hitze und Kaͤlte deſſel-

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[84/0084] Abhandlung ſelben von einer uͤbernatuͤrlichen oder magiſchen Wunderkraft herzuleiten; angeſehen ein jeder anderer gemeiner Menſch mittelſt ſeiner fuͤnf Sin- nen u. einer kleinen Gabe natuͤrliches Verſtands, ohne die Huͤlfe dieſer oder anderer dergleichen Zauber-Maſchinen, eben dieſelbigen und noch wichtigere Entdeckungen machen koͤnnte. Folg- lich haben dieſe ſeltſamen Erfindungen nicht mehr Grund ihrer Nothwendigkeit, als wenn einer ei- nen Haſen mit einer Hellparten erſtechen, oder eine Laſt von wenigen Pfunden mit einem groſſen Hebzeuge bewegen wollte. Mithin iſt es auch fuͤr den Character eines ernſthaften Patrioten hoͤchſtungeziemend, daß er ſich durch dergleichen angemaßte verborgene Kuͤnſte bey dem aberglaͤu- bigen Poͤbel ſuche ein Anſehen zu machen; und dergleichen unnoͤthige Erfindungen koͤnnen oͤfters mit Recht den Verdacht erwecken, daß ein ſolcher moraliſcher Taſchenſpieler an wahrer Einſicht und Kundſchaft des menſchlichen Hertzens groſſen Ab- gang leide, weil er gemuͤſſiget iſt, ſeine, obgleich ziemlich kahlen und fluͤchtigen, Entdeckungen mit dergleichen auſſerordentlichen und zauberiſchen Erfindungen zu beglaubigen. Allein nach dieſer allgemeinen Anmerckung uͤber die relatife Noth- wendigkeit und den Nutzen dieſer Erfindungen wollen wir dieſe Wunder-Maſchinen abſonder- lich pruͤffen, und den Grund ihrer innerlichen Wahrſcheinlichkeit unterſuchen. Die erſte von dieſen wunderbaren Maſchinen iſt das philoſo- phiſche Thermometer, oder das Wetterglas des Verſtandes, welches die Hitze und Kaͤlte deſſel- ben

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/84>, abgerufen am 06.05.2024.